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Richard Schuberths Dersim-Roman

„Bus nach Bingöl“

Der Wiener Schriftsteller und Gesellschaftskritiker Richard Schuberth hat einen Kurdistan-Roman geschrieben, der durch eine kenntnisreiche und kritische Auseinandersetzung mit dem türkisch-kurdischen Konflikt, mit Migration, Fremdheit und Heimat auffällt.

Nach Jahrzehnten des Exils kehrt der Wiener Politologe Ahmet Arslan in sein Heimatdorf in die kurdische Provinz Dersim zurück, um noch einmal seine Mutter zu sehen. In seiner Jugend war er im politischen Widerstand gewesen, war gefoltert und eingesperrt worden.

Im Überlandbus nach Osten berührt sich seine Geschichte mit den Geschichten anderer Passagiere. Einer jungen Frau, die in Istanbul abgetrieben hat, eines Rekruten auf seinem Weg zur „Terrorismusbekämpfung“, einer Geschäftsfrau, einer Neureligiösen mit Drogenvergangenheit und eines deutschen Reiseschriftstellers, der sich das Leben nehmen will. Im Laderaum reist in einem Sarg zwischen Koffern auch eine tote Frau mit, die zuhause beerdigt werden soll.

Zurück im Dorf zerbrechen Ahmet Arslans Gewissheiten nicht nur an der Gegenwart, sondern auch an einer – verklärten – Vergangenheit.

Der Roman „Bus nach Bingöl“ des österreichischen Autors Richard Schuberth, der auch politisch engagiert ist und seine Solidarität zu den Kurd:innen immer offen bekannte, stieß bei Kolleg:innen und Medien auf begeistertes Echo. Hier eine Collage aus Rezensionen und Reaktionen.

Was Kolleginnen und Kollegen dazu meinen …

Der kritische Istanbuler Schriftsteller Ahmet Tulgar, der Deutsch im Istanbuler St.-Georgs-Kolleg lernte, attestierte Schubert: Kraft einer Einsicht und Menschenkenntnis, wie sie nur die Literatur kennt, ist Richard Schuberth ein politischer Roman gelungen, in welchem er die historischen und soziologischen Wechselfälle und Transformationen eines ganzen Landes sowohl durch seine Protagonisten als auch ein dramatisches Hintergrundszenario meisterhaft und mit stiller Ironie abbildet. Die slowenisch-österreichische Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin Elena Messner resümierte auf „Textland“: Denn hier wird tatsächlich Politik literarisiert. Hier brechen reales Erlebnis und soziale Analyse in die literarische Wirklichkeit ein, oder umgekehrt: die Literatur bricht aus ihrem Korsett der Künstlichkeit und Selbstreferenzialität aus. So entsteht  künstlerische und politische Reibung zugleich. Das macht diesen Roman zu einem so spannenden Produkt seiner Zeit. Und zu einem großen Vergnügen.

Die deutsche Schriftstellerin Jana Volkmann („Auwald“) im Politmagazin „Tagebuch“: Die feine Linie zwischen Leben und Tod ist – neben den Demarkationslinien zwischen türkischer und kurdischer Identität, Wien und Dersim, Stadt und Land – zentral in Schuberths Roman. Im Laderaum des Busses nach Bingöl ist ein Sarg verstaut; Mord- und Selbstmordfantasien lösen sich in der Dämmerung auf, die vor den Fenstern auf die Bergkämme steigt.

Eine sehr persönlich-poetische Reaktion auf Schuberths Roman stammt vom in Wien lebenden syrisch-kurdischen Dramatiker und Arzt Ibrahim Amir:

Der Tag ist gleich zu Ende und die Dämmerung ist angebrochen. Du sitzt da in einem Café in Wien und genießt gerade die Sommerbrise. Plötzlich spielt eine Musik im Hintergrund, die deinem Herz sehr vertraut ist. Unerwartet… du glaubst sogar, dass du sie irgendwann mal gehört hast. Aus der Kindheit vielleicht? Oder Jugend? In einem Auto unterwegs in Kurdistan? Es ist die Art Musik aus jener Heimat also, die aus deinen Erinnerungen an die Erzählungen deiner Großeltern besteht. Sie erweckt in dir den Wunsch zu tanzen, am besten gleich willst du die Anwesenden im Café zum Govande auffordern, du willst als der Erste in der Reihe stehen und das berühmte Tuch schwingen, wie es dein Lieblingsonkel immer getan hat. Verdammt, was die Musik dieses Saz-Spielers in fünf Minuten alles in dir ausgelöst hat? … Du stehst auf und willst den Namen diesen Künstler wissen. Der Wirt sagt: „Er heißt Richard Schuberth“ und du kannst deinen Ohren nicht glauben …

So ging mir also als ich Schuberths Roman „Bus nach Bingöl“ gelesen habe. Schuberth spielt mit seinem feinem Gefühl und verblüffendem Menschenkenntnis Musik auf Saz und Kemenche so, dass neben ihm einige unsere legendären Saitenschwinger ganz schön alt aussehen…

Und wer Richard kennt, weiß, dass es ohne Humor nicht geht. Alle werden natürlich durch den Kakao gezogen, auch Richard selbst. Analytisch, hochpolitisch, sprachlich top. Man muss keinen Weitblick besitzen um zu erkennen, dass dieser Roman universell ist und aktueller denn je.

Was die Zeitungen dazu meinen …

„Bus nach Bingöl“ stieß auf großes mediales Echo. Angelika Overath schrieb am Ende ihrer hymnischen Kritik in der „F.A.Z.“: Richard Schuberth ist mit allen Wassern des Storytellings gewaschen. Und man spürt die pointierte Feder des Satirikers. Raffiniert und effektvoll verschränkt er die verschiedenen Fäden. (…) ,Bus nach Bingöl‘ ist ein spannendes, leicht zu lesendes, intensives Buch, in dem man einiges über die Türkei, über Ideale und Neurosen von Minderheiten, über die Sehnsucht nach Heimat und das Finden und Erfinden von Identitäten erfahren kann.

Kübra Atasoy, die kurdische Obfrau der Wiener Flüchtlingshilfe-Organisation „Asyl in Not“ schrieb in ihrer Rezension für die deutsche Zeitschrift „konkret“: Die Authentizität und Empathie aber, mit der ein ,weißer‘ europäischer Autor sowohl die neue Türkei als auch das Landleben im kurdischen Dersim inklusive Ahmet Arslans retrospektive Verklärungen beschreibt, mag viele erschaudern lassen. Doch wird die intime Kenntnis des Beschriebenen beinahe als Falle gesetzt, um diese Authentizität am Schluss als eine Einbildung, als Ware für den westlichen Kulturmarkt auszuweisen. (…) Neben all diesen diskursiven und echten Battles findet der Roman noch genug Platz für Humor, vor allem in Arslans Abrechnung mit den gar nicht so unrassistischen Objektivierungen der Wiener Ausländerfreunde: „Die weißen Idioten wollten ihm eine Stimme geben, aber die seine nicht hören.“ Aber auch Platz für das Erzählerische, zum Beispiel in der gleichnishaften Außenseiterstory, mit der das Buch charmant ausklingt, der Liebesgeschichte zweier hässlicher Esel, die ihr Schicksal sozusagen in die eigenen Hufe nehmen. Bus nach Bingöl ist jedenfalls bestens geeignet, sich eine Fatwa seitens identitärer Sittenwächter von linker wie rechter Seite einzufangen.“

Bärbel Danneberg schrieb in der „Volksstimme“: Richard Schuberth nimmt die Lesenden mit auf eine spannende Reise zwischen den Kulturen und politischen Positionen.

Bert Rebhandl ging im Wiener „Standard“ auch auf die nichtpolitischen, kulturellen Seiten des Romans ein: Die Orte der Handlung sind erfunden, lassen sich aber relativ genau lokalisieren. Ahmet fährt in das Dorf Holike, gelegen in einer Berglandschaft namens Dersim, mit der sich deutlich eine Ursprungsmythologie verbindet. Hier ist die Kultur noch geläufig, zu der Ahmet zumindest für eine Weile zurückkehren will: eine alevitische Kultur, in der es auffällt, wenn der Name Allah fällt, obwohl man sich offiziell mit den sunnitischen oder sogar schiitischen Nachbarn in gutem Einvernehmen befindet; eine Kultur mit Liedern, Träumen, dem besten Pilz der Welt (dem Kinkori), mit einem Sehnsuchtsgipfel, dem Düzgün Baba, und einem Ritual, das Ahmet unbedingt noch einmal erleben will, einem Cem, der dann auch tatsächlich in einem Kranich-Tanz gipfelt.

Armin Sattler meinte auf „ORF.at“: Grandios gelingt dem Wiener Autor Richard Schuberth die empathische Typenzeichnung, die authentische Beschreibung des Landes und die stetig an Tempo zulegende Dramatik der Erzählung, die ein ,tierisches‘ Ende findet.

Hans-Dieter Grünefeld konstatierte in der „Buchwelt“: In seinem Roman schildert Richard Schubert(h) eindringlich, wie verworren manche Feind- und auch Freundschaften sind. Wie naiv europäische Intellektuelle die Lage beurteilen. Und wie brutal Abweichler oder angebliche Aktivisten von Polizisten oder Grenzsoldaten misshandelt werden.

Begegnungen seiner Romanfigur mit den Menschen, weiß Andreas Fellinger von der Wiener Straßenzeitung „Augustin“, ihm bekannten und ihm bislang unbekannten, und mit der Landschaft um sie herum zeichnet der Autor in farbigen Bildern und in blassen, mit feinem Strich und mit grobem, je nach Situation und Bedarf. Glücksgefühle und Enttäuschungen halten sich die Waage, Konflikte, Diskussionen und Erotik spielen ebenso eine Rolle wie die einstige und jetzige politische Lage der Kurd_innen in der Türkei. (…) Eine der brillantesten Passagen dieses brillanten Romans konfrontiert den Protagonisten – kurz vor dem bitteren Ende – mit der erfrischenden Radikalität jugendlicher Aktivist_innen.

Die Zeitschrift „alpha, Frauen für die Zukunft“ merkt selbstkritisch an: Ein Stück Lebensgeschichte, die uns, obwohl viele solcher „Arslans“ bei uns leben, fremd geblieben ist. Dieses Buch wirkt wie ein Fenster zum Verständnis.

Und der Dersimer Kurde Mehmet Emir gibt in seiner Kolumne „Die Abenteuer des Herrn Hüseyin“ („Augustin“) eine literarische Reiseempfehlung ab: Wer eine schöne Reise in Zeiten von Corona in dieses Land tun möchte, sollte das Buch von Richard Schuberth lesen. Sogar den Hüseyin führt er in eine Welt, die er zu kennen glaubte. Die Feinheit von Schuberths Sprache lässt dem Hüseyin die Ereignisse im Buch wie ein Filmstreifen in seiner 40-Quadratmeter-Wohnung vorführen.

„Bus nach Bingöl” von Richard Schuberth

  • Drava-Verlag
  • Preis: 21 Euro
  • ISBN: 978-3-85435-944-9

(ANF)

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