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Langener Wissenschaftspreisträgerin 2023

Dr. Linda Schönborn erforscht Mechanismen sehr seltener Immunthrombosen nach COVID-19-Adenovektor-Impfung

V.l.n.r.: Uwe Linder, Prof. Jan Werner, apl. Prof. Klaus Cichutek, Dr. Linda Schönborn, Dr. Lars-Christoph Nickel, Prof. Johannes Löwer. / Foto: Paul-Ehrlich-Institut

Am Freitag, dem 10.11.2023, wurde Frau Dr. Linda Schönborn im Paul-Ehrlich-Institut mit dem mit 15.000 Euro dotierten Langener Wissenschaftspreis ausgezeichnet. Den Preis übergab Herr Ministerialdirigent Dr. Lars-Christoph Nickel, Bundesministerium für Gesundheit (BMG). „Mit dem Langener Wissenschaftspreis werden Forscherinnen und Forscher geehrt, die mit ihrem wissenschaftlichen Engagement dem medizinischen Fortschritt dienen“, sagte Dr. Nickel. „Wir freuen uns, mit Dr. Linda Schönborn eine Wissenschaftlerin auszuzeichnen, mit deren Forschung der zugrundeliegende Mechanismus aufgeklärt wurde, der in sehr seltenen Fällen zum Auftreten von Immunthrombosen nach COVID-19-Impfung mit Adenovektor-Impfstoffen gegen COVID-19 geführt hat“, ergänzte apl. Prof. Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel.

Das sechsköpfige Kuratorium des Preises unter Vorsitz des Präsidenten a.D. des Paul-Ehrlich-Instituts, apl. Prof. Dr. Johannes Löwer, hatte aus den Bewerbungen für den Langener Wissenschaftspreis vier Bewerbungen ausgewählt und die Forschenden im Oktober 2023 zu einer öffentlichen Vortragsveranstaltung ins Paul-Ehrlich-Institut eingeladen. Die weiteren Kuratoriumsmitglieder sind apl. Prof. Dr. Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Prof. Dr. Jan Werner, Bürgermeister der Stadt Langen, Uwe Linder, Geschäftsführer der Stadtwerke Langen, Prof. Dr. Hansjörg Schild, Direktor des Instituts für Immunologie, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, und Prof. Dr. Erhard Seifried, ehemaliger Ärztlicher Direktor des DRK-Blutspendedienstes Baden-Württemberg/Hessen und Prof. em. für Innere Medizin, Hämatologie und Transfusionsmedizin der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Dr. Linda Schönborn setzte sich in der „Shortlist“ der aussichtsreichsten Preiskandidatinnen und -kandidaten mit ihrer Forschung zur Rolle von Plättchenfaktor 4, Antikörpern und Thrombozyten bei sehr seltenen thrombotischen Komplikationen nach Impfungen mit Adenovektor-Impfstoffen gegen COVID-19 durch.

Langener Wissenschaftspreis

Bereits im Jahr 1993 hat das Paul-Ehrlich-Institut zusammen mit der Stadt Langen den Langener Wissenschaftspreis ins Leben gerufen. Der mit 15.000 Euro dotierte Preis wird seitdem alle zwei Jahre an erfolgreiche Forschende vergeben und genießt ein hohes Ansehen. Prof. Dr. Jan Werner, Bürgermeister der Stadt Langen, betonte: „Mit dem Langener Wissenschaftspreis würdigen wir als Stadt Langen die Bedeutung der Wissenschaft und fördern biomedizinische Forschung zum Wohle der Gesellschaft.“

Die Stadtwerke Langen unterstützen von Anfang an den Langener Wissenschaftspreis. Geschäftsführer Linder: „Ich sehe dieses Engagement in unserer Tradition als mehrheitlich kommunales Unternehmen, Verantwortung für das soziale, kulturelle und wirtschaftliche Gemeinwohl zu übernehmen und gesellschaftliche Belange zu fördern.“

Seit rund 30 Jahren ist das Paul-Ehrlich-Institut in Langen ansässig. Als Arzneimittelbehörde sorgt das Bundesinstitut für einen hohen Standard bei Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen und biomedizinischen Arzneimitteln für Mensch und Tier. Der gemeinnützige Verein zur Förderung des Langener Wissenschaftspreises wurde 2003 mit dem Ziel gegründet, die Finanzierung der Auszeichnung durch Spenden zu gewährleisten.

Wer kann überzeugender vermitteln, wie spannend und wichtig biomedizinische Forschung ist, wenn nicht die Akteurinnen und Akteure selbst? So wird auch die diesjährige Preisträgerin im Gymnasium Langen über ihre eigene Forschung vortragen und die Jugend für die Wissenschaft begeistern.

Zur Forschung von Dr. Linda Schönborn

COVID-19-Impfstoffe haben während der Pandemie viele schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle verhindert. Die in der EU und in Deutschland zugelassenen COVID-19-Impfstoffprodukte haben sich als sicher und wirksam erwiesen. Schon kurz nach Beginn der Impfkampagne fiel eine sehr seltene und bisher unbekannte unerwünschte Reaktion nach Impfung mit dem COVID-19-Adenovektor-Impfstoff Vaxzevria (COVID-19 Vaccine AstraZeneca) und später nach Impfung mit Jcovden (COVID-19 Vaccine Janssen) auf. Dabei handelte es sich um Thrombosen (Blutgerinnsel) an ungewöhnlichen Körperstellen bei gleichzeitig verminderter Anzahl von Blutplättchen (Thrombozytopenie), die als Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) bezeichnet wurden. Auf Hinweis des Paul-Ehrlich-Instituts wurde die Impfkampagne in Deutschland kurzzeitig unterbrochen, die Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) wurde auf Personen mit geringerem Risiko begrenzt. Die Fachgesellschaften gaben Behandlungsempfehlungen für Ärztinnen und Ärzte heraus. In der Impfaufklärung wurden zu impfende Personen auf bestimmte Symptome aufmerksam gemacht, nach deren Auftreten sofort medizinische Behandlung aufgesucht werden sollte. Mit diesen Maßnahmen wurde das geringe TTS-Risiko weiter reduziert.

Die Arbeitsgruppe im Institut für Transfusionsmedizin an der Universitätsmedizin Greifswald unter Leitung von Prof. Dr. Andreas Greinacher, der Frau Dr. Linda Schönborn angehört, ging früh den dem TTS zugrundeliegenden Mechanismen nach. Die Arbeitsgruppe wies erstmals Antikörper gegen das körpereigene Protein Plättchenfaktor-4 (Anti-PF4-Antikörper) und nachfolgende pathophysiologische Mechanismen nach, die als Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) bezeichnet werden und ähnlich wie bei einer Heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT) verlaufen.

Langzeit-Nachbeobachtung von Patientinnen und Patienten mit Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS)

Dr. Linda Schönborn betreute in einer Studie die weltweit größte Kohorte von betroffenen Patientinnen und Patienten mit TTS nach Impfung in Langzeit-Nachbeobachtung. Aus der damit verbundenen Studie sind zahlreiche wichtige Erkenntnisse entstanden, die helfen, den Pathomechanismus von Anti-PF4-Antikörper-vermittelten Thrombosen besser zu verstehen. Durch das Wissen über die Ursachen haben sich die Therapie sowie die Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten der betroffenen Patientinnen und Patienten deutlich verbessert. Basierend auf diesen Arbeiten hat Frau Dr. Schönborn gezeigt, dass neben Impfungen auch Infektionen mit Adenoviren ein TTS mit Anti-PF4-Antikörpern auslösen können.

Beruflicher Werdegang

Von 2012 bis 2019 studierte Dr. Linda Schönborn Humanmedizin an der Universitätsmedizin Greifswald und promovierte 2020 am Institut für Immunologie und Transfusionsmedizin der Universitätsmedizin Greifswald in der Forschungsgruppe von Prof. Andreas Greinacher. Seit 2020 arbeitet sie als Assistenzärztin in Weiterbildung am Institut für Transfusionsmedizin der Universitätsmedizin Greifswald.

Erhaltene Preise & Stipendien

  • 2023 Thrombosis Research Award der Bayer-Stiftung
  • 2022 Preis der Deutschen Hochschulmedizin
  • 2022 Anschubfinanzierung der Universitätsmedizin Greifswald
  • 2021-2023 Forschungsrotationsstelle im Rahmen des Gerhard-Domagk-Nachwuchsförderprogramms der Universitätsmedizin Greifswald
  • 2017-2018 Forschungsstipendium der Universitätsmedizin Greifswald
  • 2017 Posterpreis der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI)
  • 2016-2017 Deutschlandstipendium

Ausgewählte Publikationen

Schönborn L, Thiele T, Kaderali L, Greinacher A (2021). Decline in Pathogenic Antibodies over Time in VITT. N Engl J Med. 385(19):1815-1816

Schönborn L, Seck SE, Thiele T, Warkentin TE, Greinacher A (2022). SARS-CoV-2 Infection in Patients with a History of VITT. N Engl J Med. 387(1):88-90

Schönborn L, Thiele T, Kaderali L, Günther A, Hoffmann T, Edigna Seck S, Selleng K, Greinacher A (2022). Most anti-PF4 antibodies in vaccine-induced immune thrombotic thrombocytopenia are transient. Blood 24;139(12):1903-1907

Schönborn L, Seck SE, Thiele T, Kaderalie L, Hoffmann T, Hlinka A, Lindhoff-Last E, Völker U, Selleng K, Buoninfante A, Cavaleri M, Greinacher A (2023). Long-term outcome in vaccine-induced immune thrombocytopenia and thrombosis (2023). J Thromb Haemost. (9):2519-2527

Lindhoff-Last, E., Schönborn, L., Zaninetti, C., Warkentin, T. E., & Greinacher, A. (2023). Rescue Therapy in Chronic Prothrombotic Autoimmune Anti-PF4 Disorder. N Engl J Med, 389(14), 1339-1341.

Schönborn L, Esteban O, Wesche J, Dobosz P, Broto M, Puig SR, Fuhrmann J, Torres R, Serra J, Llevadot R, Palicio M, Wang JJ, Gordon TP, Lindhoff-Last E, Hoffmann T, Alberio L, Langer F, Boehme C, Biguzzi E, Grosse L, Endres M, Liman TG, Thiele T, Warkentin TE, Greinacher A (2023). Anti-PF4 immunothrombosis without proximate heparin or adenovirus vector vaccine exposure. Blood. Oct 26:blood.2023022136. doi: 10.1182/blood. 2023022136. Online ahead of print.

Paul-Ehrlich-Institut / 10.11.2023

Foto: Paul-Ehrlich-Institut

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