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Was wir vom Bonobo „Kanzi“ über unser Sprachvermögen lernen können

Internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Freien Universität Berlin untersucht Grundlagen der Sprachentwicklung

Internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Freien Universität Berlin untersucht Grundlagen der Sprachentwicklung

Forscherinnen und Forscher aus Europa und den Vereinigten Staaten haben ein Sprachexperiment zum sogenannten Lautsymbolismus mit einem Primaten durchgeführt. Beteiligt waren die Freie Universität Berlin, die University of St Andrews, das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie sowie die Pennsylvania State University und die Ape Initiative. Untersucht wurde ein Bonobo mit dem Namen „Kanzi“.  Der Affe hat in Forschungskreisen Bekanntheit dafür erlangt, dass er sich englische Wörter sehr gut einprägen und die Wortlaute mit Bildern von Objekten in Verbindung bringen kann – eine Grundvoraussetzung für den Spracherwerb. Dem Tier wurden im Rahmen des Experiments bedeutungslose Silbenfolgen – zum Beispiel „kiki“ – vorgespielt und abstrakte Bilder gezeigt, etwa zackige und abgerundete Figuren. Menschen zeigten in ähnlichen Experimenten eine Präferenz, ‚spitz‘ klingende Silbenfolgen wie „kiki“ mit zackigen Figuren zu verknüpfen, wogegen ‚weich‘ klingende Silbenfolgen wie „buba“ vor allem runden Formen zugeordnet wurden. Diese Verbindung zwischen Sprachklang und abstrakten symbolischen Formen wird als ‚Klangsymbolismus‘ bezeichnet. Im Experiment mit Kanzi konnte diese Präferenz jedoch nicht beobachtet werden – und auch andere Menschenaffen scheinen diesen Zusammenhang zwischen Klang und Form nicht herzustellen. Lange schon wurde vermutet, dass das im Klangsymbolismus implizite Wissen für die menschliche Sprachentstehung von entscheidender Bedeutung ist. So gibt die Studie Hinweise darauf, wie sich die menschliche Sprache entwickelt hat und wie sich das Sprachvermögen von Menschen und anderen Primaten unterscheidet. Die Studie erschien im Fachjournal Proceedings of the Royal Society B.

„In der menschlichen Sprache ist die Verbindung zwischen einem Wort, einem sprachlichen Zeichen, und dem Bezeichneten normalerweise willkürlich. Jedes Wort kann eine beliebige Bedeutung tragen – es gibt aber auch Ausnahmen“, erklärt Friedemann Pulvermüller, Professor für die Neurowissenschaft der Sprache und Pragmatik an der Freien Universität Berlin. Menschen neigten dazu, Kunstwörter ohne Bedeutung je nach Klang mit abstrakten Formen zu verbinden, erläutert der Mitautor der Studie. Laute wie „buba“ und „maluma“ würden eher runden Formen zugeordnet, „kiki“ oder „takete“ eher stacheligen, spitzen oder zackigen.

Frühere Studien haben bereits aufgezeigt, dass diese immanenten Zuordnungen von Sprecherinnen und Sprechern verschiedener Sprachen über alle Kulturen hinweg geteilt werden. Es wird angenommen, dass diese „Lautsymbolik“, die auch als ‚Buba-Kiki-Effekt‘ bekannt ist, bei der Entstehung der ersten gesprochenen Wörter beim Menschen geholfen haben könnte.

Das europäisch-amerikanische Forschungsteam hat mit seinem Experiment herausfinden wollen, ob dieser Effekt ein rein menschliches Phänomen ist, oder ob auch Tiere Laute und Formen auf ähnliche Art und Weise verknüpfen.

Unter Leitung der Neurowissenschaftlerin Dr. Konstantina Margiotoudi führte das Team ein Experiment in den USA durch. Das Versuchstier, der Bonobo Kanzi, besitzt ein gut ausgeprägtes Sprachverständnis. Ihm wurde beigebracht, mit Menschen durch Hunderte von verschiedenen Symbolen, sogenannten Lexigrammen, zu kommunizieren. Der Menschenaffe kann gesprochene englische Wörter unterscheiden und sie je nach Bedeutung auf einem Touchscreen entsprechenden Objekten zuordnen.

Im Rahmen des Experiments wurden dem Affen nun auch „Buba-kiki“-Laute und ähnliche Kunstworte vorgespielt, die er zuvor nicht kannte. Im Gegensatz zu Menschen zeigte der Bonobo keine Tendenz, einen scharfen Laut – etwa „kiki“ – mit einer stacheligen Form oder einen weichen Laut – beispielsweise „buba“ – mit einer runden Form zu verknüpfen.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein stark ausgeprägtes intuitives Verständnis von Laut-Symbol-Assoziationen vor allem den Menschen auszeichnet. Diese Fähigkeit hat womöglich dabei geholfen, erste „Protowörter“ zu bilden – ein wichtiger evolutionärer Schritt hin zur gesprochenen Sprache. Das Experiment lässt allerdings keine weitreichenden Schlussfolgerungen auf das Sprachvermögen von Affen zu. „Bonobos könnten durchaus in der Lage sein, andere symbolische Klangassoziationen wahrzunehmen, wenn sie etwa tiefe Töne mit größeren Objekten in Verbindung bringen“, gibt Friedemann Pulvermüller zu bedenken. Die Studie ermöglicht es aber, grundlegende Sprachphänomene wie den Buba-kiki-Effekt besser zu verstehen und die einzigartige Entstehung der menschlichen Sprache leichter nachzuvollziehen.

Freie Universität Berlin / 09.03.2022

Foto: Freie Universität Berlin / Twitter

 

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