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Kommission zum Umgang mit NS-belasteten Straßennamen legt Abschlussbericht vor

NS-Vergangenheit

„Der aufgeklärte Umgang mit Straßennamen hilft uns, dass wir uns unserer Geschichte bewusster werden und aus ihr lernen.“

„Der aufgeklärte Umgang mit Straßennamen hilft uns, dass wir uns unserer Geschichte bewusster werden und aus ihr lernen.“

In Hamburg wird bis heute über den Umgang mit Straßennamen diskutiert, die nach möglicherweise NS-belasteten Personen benannt wurden. Das Staatsarchiv hat sich in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Einzelfällen beschäftigt. Seit 1986 erhielten insgesamt 17 Straßen aufgrund des Nachweises einer schwer wiegenden NS-Belastung ihrer Namensgeber einen neuen Namen. Die Behörde für Kultur und Medien hat im September 2020 eine Kommission aus acht Expertinnen und Experten für erinnerungspolitische Fragestellungen berufen, die Entscheidungskriterien für den Umgang mit NS-belasteten Straßennamen in Hamburg entwickeln und Empfehlungen zu möglichen Umbenennungen aussprechen sollte. Die Kommission hat seitdem zehn Mal getagt und jetzt einen Abschlussbericht mit Vorschlägen zum weiteren Verfahren vorgelegt.

Der Abschlussbericht der Kommission

Die von Kultursenator Dr. Carsten Brosda eingesetzte Kommission hat sich mit Kriterien für Umbenennungen und mit Biographien NS-belasteter Namensgeberinnen und Namensgeber auseinandergesetzt. In ihrem Abschlussbericht hat sie dabei deutlich gemacht, dass eine Ehrung in Form einer Straßenbenennung nicht haltbar ist, wenn das Handeln der Person die heutigen Wertvorstellungen deutlich verletzt. Eine Umbenennung sei geboten, wenn eine Benennung nach einer Person erfolgt ist, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen oder wissentlich bei ihren Handlungen den Tod eines Menschen, zum Beispiel im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Eugenik, einkalkuliert hat. Dies gelte auch für Benennungen nach Personen, die aktiv anderen Menschen aufgrund der durch sie vertretenen NS-Ideologie dauerhaft geschadet haben. Allein eine NSDAP-Mitgliedschaft sei dabei aber kein Grund für eine Umbenennung. Es bedarf grundsätzlich der Einzelfallprüfung. Wichtig sei, stets auch ein Augenmerk auf Brüche oder Uneindeutigkeiten in der Biografie, ebenso wie auf eine spätere kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln während der NS-Zeit zu legen.

Empfehlungen der Kommission für Umbenennungen

Auf Grundlage der oben genannten Kriterien empfiehlt die Kommission in elf Fällen eine Umbenennung, wobei nach erfolgter Umbenennung auf die „Biografie“ der Straße und die Gründe für die Umbenennung hingewiesen werden solle:
Hamburg-Mitte: Högerdamm
Altona: Julius-Brecht-Straße
Hamburg Nord: Walter-Bärsch-Weg, Heynemannstraße, Oehleckerring, Paul-Stritter-Brücke/Paul-Stritter-Weg, Strüverweg
Wandsbek: Reinckeweg
Bergedorf: Elingiusplatz, Schorrhöhe
Harburg: Albert-Schäfer-Weg.

Ausführliche Begründungen finden sich in dem Abschlussbericht, der unter www.hamburg.de/bkm/strassennamen/13512150/ns-belastete-strassennamen einzusehen ist.

Empfehlungen der Kommission für Kontextualisierungen

Die Kommission empfiehlt zudem bei weiteren elf Straßenbenennungen nach NS-belasteten Personen, das Straßenschild zu kontextualisieren, da die oben aufgeführten Kriterien eine Umbenennung nicht zwingend erfordern. Dies eröffne die Möglichkeit, sich mit den Biografien und dem Geschehenen zu beschäftigen und aus der Geschichte zu lernen. Die Kommission empfiehlt, folgende Personen, nach denen Straßen benannt sind, mit weiterführenden Informationen kritisch zu kontextualisieren, wobei die Auflistung nicht abschließend zu verstehen ist: Elsa Bromeis, Felix Dahn, Theodor Fahr, Carsten Fock, Heidi Kabel, Rudolf Klophaus, Friedrich Köhne, Kurt A. Körber, Friedrich Lademann, Carl-Hans Lungershausen und Walter Schlenzig. Auch hier finden sich ausführliche Begründungen im Abschlussbericht.

Empfehlungen der Kommission für den Umgang mit Umbenennungen in der NS-Zeit

Die Kommission hat auch Straßenbenennungen und -umbenennungen in den Blick genommen, die zwischen 1933 und 1945 vorgenommen wurden. Dies betrifft insbesondere Straßen, die seinerzeit umbenannt wurden, weil ihre Namensgeber Juden waren oder nach der rassistischen NS-Ideologie als Juden galten, oder die aus politischen oder anderen Gründen verfolgt wurden und deren Namen aus dem Straßenbild entfernt werden sollten. Die Kommission empfiehlt in drei Fällen eine Rück- beziehungsweise Wiederbenennung nach der Person, nach der die Straße ursprünglich benannt war, wenn sie in der Zwischenzeit keine neue Straßenbenennung an anderer Stelle erhalten haben. Konkret sollten rückbenannt werden die Walter-Flex-Straße in Wilstorf, die vor der Umbenennung 1933 Käthe-Kollwitz-Straße hieß, und der Kraepelinweg in Barmbek-Süd, der vor der Umbenennung 1938 Juliusweg hieß. Der Wurmsweg in Hamm, der vor 1938 Veitsweg hieß, sollte nicht umbenannt werden, da sein Namensgeber weiterhin geehrt werden solle. Dafür solle aber prioritär eine Straße neu nach dem ursprünglichen Namensgeber Philipp Veit benannt werden.

Weitere Empfehlungen der Kommission

Die Kommission spricht sich zudem dafür aus, die „Biografie“ eines Straßennamens und Hintergründe zu den Namensgebern und -geberinnen sichtbar zu machen, zum Beispiel über einen Verweis per QR-Code auf eine ausführliche Erläuterung auf einer Webseite beziehungsweise bestehende Datenbanken.

Die hier entwickelten Empfehlungen sollten in eine Überarbeitung der bisherigen Benennungs-Bestimmungen einfließen. Sowohl die Kriterien für die Benennung als auch für die Umbenennung von Straßen müssten laut Kommission deutlich geschärft werden.

Alle Vorschläge sollen jetzt gemeinsam mit den Bezirken diskutiert werden. Diese werden dann die Umbenennungen zusammen mit neuen Namensvorschlägen beim Staatsarchiv einreichen, bevor diese der Senatskommission zur abschließenden Entscheidung vorgelegt werden.

Für weitere Umbenennungen beziehungsweise Kontextualisierungen von nach NS-belasteten Personen benannten und bestehenden Verkehrsflächen bedürfe es laut Kommission auch zukünftig der Recherchearbeit und einer historisch-kritischen Einordnung der Biografie jeder einzelnen Person. Dies könne in den Bezirken zum Beispiel durch Geschichtswerkstätten und Stadtteilarchive, bei der Befassung durch die zuständigen Ausschüsse der Bezirksversammlungen oder durch die Vergaben von entsprechenden Werkverträgen erfolgen. Parallel geht auch der Prozess zur Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit und in dem Zusammenhang auch der Umgang mit kolonial belasteten Straßennamen weiter.

Kultursenator Dr. Carsten Brosda: „Der Umgang mit problematischen Straßennamen wird uns auch künftig begleiten. Es ist gut und wichtig, dass wir uns dem endlich umfassend stellen, hilft es uns doch, uns unserer Geschichte bewusster zu werden, uns zu ihr zu verhalten und aus ihr für die Zukunft zu lernen. Die Kommission hat einen sehr fundierten Bericht vorgelegt, der wichtige Hinweise für den künftigen Umgang mit Benennungen nach NS-belasteten Personen gibt. Diese müssen nun in den Bezirken diskutiert werden, damit wir gemeinsam daraus die notwenigen Schlüsse ziehen. Ich danke der Kommission sehr für ihre wertvolle Arbeit.“

Dr. Rita Bake, stellv. Direktorin der Landeszentrale für politische Bildung a. D. und Mitglied der Kommission: „Straßenumbenennungen sind nichts Neues und wurden in den letzten hundert Jahren immer mal wieder durchgeführt. Sie werden unter anderem deshalb vorgenommen, weil ein Straßenname ein kollektives Eigentum und die persönliche Adresse vieler Menschen ist. Straßennamen sollen Orientierung bieten – und zwar nicht nur geographisch, sondern auch kultur- und gesellschaftspolitisch. Deshalb bekommen in Zeiten des erstarkenden Rechtsextremismus die nach NS-belasteten Personen benannten Straßen eine besondere Bedeutung. Die kritische Beschäftigung mit ihnen ist keine Petitesse.“

Prof. Dr. Miriam Rürup, Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien Potsdam und Mitglied der Kommission: „Straßennamen sind immer auch historische Zeitspuren. Und wie wir mit diesen historischen Zeugnissen umgehen, sagt viel über unser gegenwärtiges Selbstverständnis als Gesellschaft aus. Es geht uns mit unseren Empfehlungen nicht um eine vergangenheitspolitische Flurbereinigung – keineswegs möchten wir mit dem revisionistischen Radiergummi durch die Geschichte der Stadtkarte ziehen. Dennoch müssen wir uns auch der Gegenwart unzeitgemäßer Ehrungen stellen. Diese historischen Zeitschichten, gleichsam die Biographie einer Straße, eines Straßennamens sichtbar zu machen, sollten wir als Chance sehen für einen aufklärerischen und damit zukunftsgewandten Umgang mit der Vergangenheit.“

Hans-Peter Strenge, Staatsrat a.D. und Mitglied der Kommission: „Wie schon in anderen Städten in Deutschland hat die Kommission nun auch in Hamburg beim Umgang mit Straßennamen von Personen mit Belastungen aus der NS-Zeit ein geregeltes Verfahren für Umbenennungen und gegebenenfalls historische Erläuterungen auf Straßenschildern oder QR-Codes beraten und einmütig verabschiedet. Dass die Schilder mit Erläuterung an der Sophie-Rahel-Jansen-Straße in Nienstedten – vormals nach Georg Bonne benannt – schon angebracht sind, erfreut mich auch als früherer Bezirksamtsleiter von Altona.“

Mitglieder der Kommission waren:

  • Dr. Rita Bake, stellv. Direktorin der Landeszentrale für politische Bildung a. D.
  • Prof. Dr. Detlef Garbe, Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen
  • Senatorin a.D. Christa Goetsch
  • Senatorin a.D. Dr. Herlind Gundelach
  • Prof. Dr. Rainer Nicolaysen, Vorsitzender des Vereins für Hamburgische Geschichte
  • Prof. Dr. Miriam Rürup, Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien Potsdam
  • Staatsrat a.D. Hans-Peter Strenge
  • Prof. Dr. Malte Thießen, LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte

Weitere Informationen finden Sie unter:
www.hamburg.de/bkm/strassennamen/13512150/ns-belastete-strassennamen

 

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