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Putsch besiegelt das Ende der Medienfreiheit

Myanmar

Auf der Rangliste der Pressefreiheit belegt Myanmar Rang 140 von 180 Plätzen.

Am 1. Februar 2021, vor genau sechs Monaten, hat sich in Myanmar das Militär an die Macht geputscht. Ein halbes Jahr Militärherrschaft hat gereicht, um den zehn Jahre andauernden Übergangsprozess hin zu Demokratie und Meinungsfreiheit zu einem Ende zu bringen. Reporter ohne Grenzen (RSF) zeichnet die verschiedenen Stadien nach, mit denen die Militärjunta Journalistinnen und Journalisten verfolgt, bedroht und eingeschüchtert hat.

„In wenigen Monaten hat sich die Junta in Myanmar zu einem der schlimmsten Feinde der Pressefreiheit entwickelt“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Gnadenlose Unterdrückung hat die meisten Journalistinnen und Reporter in den Untergrund oder ins Exil getrieben. Das Regime schottet sich ab und hat die freie Presse als Hauptgegnerin ausgemacht. Dagegen muss sich die internationale Gemeinschaft unbedingt und unverzüglich wehren. Die schwärzeste Zeit des Landes, als Journalistinnen und Journalisten in Hundezwinger gesperrt wurden, darf sich nicht wiederholen.“

Die Situation hat sich stetig verschlechtert. RSF konnte verifizieren, dass derzeit 43 Journalistinnen und Journalisten in myanmarischen Gefängnissen sitzen. Insgesamt sind in den vergangenen sechs Monaten 98 Medienschaffende inhaftiert worden. Die überwiegende Mehrheit von ihnen wird unter Berufung auf Artikel 505(a) des Strafgesetzbuchs angeklagt, der die Verbreitung von „Fake News“ mit drei Jahren Gefängnis bestraft. Dutzende weitere Journalistinnen und Journalisten setzen ihre Arbeit im Geheimen fort oder sind aus dem Land geflohen, um aus dem Exil weiter zu berichten.

Februar 2021: Verfolgung

Nach dem Putsch wurden die myanmarischen Journalistinnen und Journalisten zumSprachrohre der Bevölkerung. Diese brachte in landesweiten Demonstrationen ihre Ablehnung der neuen Militärregierung zum Ausdruck. Sehr schnell wurden auch die Medienschaffenden das Ziel brutaler Repression.

1. Februar: Die Panzer der Armee rollten auf die Straßen der Hauptstadt Naypyidaw. Informationsminister Pe Myint kam in Haft, ebenso weitere Mitglieder der im November 2020 gewählten Regierung. Die neue Militärjunta, angeführt von General Min Aung Hlaing, begann mit der Durchsetzung ihres eigenen Narrativs.

4. Februar: Das Informationsministerium stand nun unter Kontrolle des Militärs. Facebook, Twitter und Instagram wurden geblockt.

9. Februar: Während der Berichterstattung über die gegen das Militär gerichteten Proteste in Mandalay, der zweitgrößten Stadt Myanmars, wurde ein Reporter verhaftet. Er war der offiziell erste Journalist, der durch die neue Militärregierung inhaftiert wurde.

14. Februar: Der Staatliche Verwaltungsrat (State Administration Council, SAC), wie die Militärregierung sich nennt, gab verschiedene Reformen bekannt, darunter einen Zusatz zu Artikel 505(a) des Strafgesetzbuchs. Der Zusatz stellte Kommentare, die „Angst auslösen“ oder „Fake News“ verbreiten, mit drei Jahren Gefängnis unter Strafe. Der SAC veröffentlichte zudem ein Dekret, dass die Nutzung der Begriffe „Coup“, „Junta“ und „Regime“ verbietet.

26.-28. Februar: Die Polizei nahm bei Razzien 17 Journalistinnen und Journalisten fest, manche von ihnen in ihren eigenen Wohnungen oder Häusern.

März und April 2021: Einschüchterung

Viele Journalistinnen und Journalisten standen vor einem Dilemma. Auf der einen Seite wollten sie über die Konsequenzen des Putsches berichten, vor allem über die historische Welle an Protesten, die der Coup auslöste. Auf der anderen Seite stand sehr bald fest, dass die Sicherheitskräfte sie für den bloßen Fakt, dass sie als Berichterstattende arbeiteten, ins Gefängnis bringen können. Viele von ihnen begannen deshalb, im Geheimen zu arbeiten, manche gingen ins Exil.

8. März: Die Junta entzog fünf Medien die Lizenz, die für ihre unabhängige redaktionelle Linie bekannt waren. Democratic Voice of Burma, 7 Day News, Khit Thit News, Mizzima und Myanmar Now verloren die Erlaubnis, nachrichtliche Beiträge zu veröffentlichen oder Inhalte in den sozialen Medien zu posten. Nach und nach ereilte alle anderen Medien, die sich nicht der von den Generälen vorgegebenen Linie beugen wollten, das gleiche Schicksal.

15. März: Die Polizei zwang festgenommene Journalistinnen und Journalisten, schriftlich zu versichern, dass sie nicht mehr über die Demonstrationen berichten würden.

17. März: Die Junta veröffentlichte ein neues Dekret, das für insgesamt 23 Straftatbestände die Todesstrafe vorsieht, darunter für „Verletzung des Mediengesetzes“ und „Verbreitung von Fake News“. Möglichkeiten, dagegen Einspruch zu erheben, gibt es nicht.

4. April: Von nun an wurde in den Staatsmedien täglich eine schwarze Liste von Journalistinnen und Journalisten veröffentlicht, die wegen der Verbreitung von Nachrichten über die Pro-Demokratie-Bewegung gesucht wurden. Das Militär appellierte an die Bevölkerung, Informationen über die Gesuchten weiterzugeben. Auch der bekannte Journalist Mratt Kyaw Thu war davon betroffen. Nach seiner Flucht saß er mehrere Wochen in Deutschland fest.

Mai, Juni, Juli 2021: Konsolidierung

Mit der Gleichschaltung aller unabhängigen Medien und der Inhaftierung dutzender Journalistinnen und Journalisten hatte die Militärjunta ihr ursprüngliches Ziel erreicht, Schrecken zu verbreiten. Swe Win, leitender Journalist bei Myanmar Now, drückte es gegenüber RSF so aus: „Wir sind mittlerweile an einem Punkt, an dem wir riskieren, ins Gefängnis geworfen oder umgebracht zu werden, wenn wir weiter unseren Job machen.“

12. Mai: Min Nyo, Journalist bei Democratic Voice of Burma, wurde unter Bezug auf Artikel 505(a) des Strafgesetzbuchs zu drei Jahren Haft verurteilt. Er war der erste Journalist seit dem Putsch vom 1. Februar, der von einem Militärgericht verurteilt wurde.

24. Mai: Der US-Bürger Danny Fenster, Geschäftsführer des Nachrichtenmagazins Frontier Myanmar, wurde aus unklaren Gründen vorübergehend am Flughafen Yangon festgehalten, als er das Land verlassen wollte. Seine willkürliche Verhaftung diente als Warnung an alle ausländischen Journalistinnen und Journalisten, die planten, aus Myanmar zu berichten.

2. Juni: Aung Kyaw, Reporter für DVB, und Zaw Zaw, freier Journalist für Mizzima News, wurden von einem Militärgericht in der im Süden Myanmars gelegenen Stadt Myeik verurteilt. Beide bekamen zwei Jahre Haft unter Berufung auf Artikel 505(a) des Strafgesetzbuchs.

30. Juni: Die Junta ließ über das Staatsfernsehen bekanntgeben, mehrere hundert Gefangene zu entlassen. Unter ihnen waren auch sechs Journalisten, die während ihrer Berichterstattung über die Proteste inhaftiert worden waren. Dass dies vor allem dazu diente, das internationale Image der Militärregierung zu verbessern, zeigte sich nicht einmal zwei Wochen später, als einige dieser Journalisten erneut festgenommen wurden. Unter ihnen war Aung Mya Than, Reporter für die Ayeyarwady Times, der am 10. Juli erneut ins Gefängnis kam.

20. Juli: In Taunggyi, Hauptstadt der östlichen Provinz Shan, inhaftierte die Polizei drei Journalistinnen. Sie wurden verdächtigt, heimlich ein Magazin namens Than Lwin Thway Chin herauszugeben. Im ganzen Land hat das Militärregime solche kleinen Medien unterdrückt und aufgelöst.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit belegt Myanmar Rang 140 von 180 Plätzen.

RSF / 30.07.2021

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