in , , ,

Protestaktion der Kolumbianer in Hamburg

Interview

Kolumbianer sahen nicht stilschweigend zu, was in ihrem Land zur Zeit geschieht

Kolumbianer protestieren in Hamburg gegen die Polizeigewalt und solidarisieren sich mit dem Generalstreik in ihrer Heimat.

ALMANYALILAR – Am Samstag Nachmittag trafen sich etwa 200 Kolumbianer auf dem Goethe Platz um gegen die Polizeigewalt in ihrem Land zu protestieren und um die Aufmerksamkeit der deutschen Bevölkerung zu bitten. Während der Einkaufs-Rushhour sahen Stadtteilbewohner plötzlich bunte Flaggen, schrillen Krach und Lateinamerikanische Musik und versuchten erstmals zu verstehen was passiert.

Goetheplatz war überfüllt mit Protestlern

Seit etwa zwei Wochen sind die schrecklichen Bilder über das was in Kolumbien los ist für die ganze Welt sichtbar. In sozialen Medien wurden tausende Posts veröffentlicht, welche die brutale Polizeigewalt des Landes vor der Weltbevölkerung vorzeigten. Dennoch sagte der Präsident des Landes alles wären Lügen, Fakenews, Propaganda und Terrorismus.

Weltweit gingen Kolumbianer auf die Straßen

Auf der ganzen Welt gingen Kolumbianer seit Tagen auf die Straße. Wir begegneten einer dieser Aktionen am Wochenende in Hamburg, Altona.

Als ALMANYALILAR fragten wir Carlos, einen der Mitorganisatoren der Veranstaltung (Name von der Redaktion geändert) warum, wieso, weshalb sie zusammengekommen sind und was sie vorhaben:

Protestaktion war so bunt und lebendig

Almanyalılar – Warum sind Sie heute hier, aus welchem Grund haben Sie sich heute hier getroffen?

Mitorganisator Carlos: Heute sind wir aus zwei wichtigen Gründen hier zusammengekommen. Erstens wollen wir unsere Solidarität in unserem Heimatland mit dem beginnenden Nationalen Generalstreik zum Ausdruck bringen. Zweitens protestieren wir die fürchterliche und tagtäglich zunehmende Polizeigewalt auf den Straßen von Kolumbien. Sowie in der drittgrößten Stadt des Landes Cali, die zu diesem Zeitpunkt praktisch von der Polizei völlig belagert ist.

Seit 28 April gibt es einen Generalstreik in Kolumbien

Können Sie uns über den Generalstreik vielleicht was sagen? Wie und warum das alles so angefangen hat?

Offiziell hat der Nationale Generalstreik am 28. April angefangen. Anlass dafür war eine Steuerreform, die zu einem sehr schwierigen Zeitpunkt in Kolumbien ankam. Man kann sich auch vorstellen, dass in dieser schwierigen Pandemiezeit auch die Covidzahlen sehr hoch und extrem schlechte Zustände vorhanden waren. Auf dem Land nehmen die Covidzahlen rasend zu, die Kapazitäten in den Krankenhäusern sind ausgeschöpft und Familienkatastrophen sind zu verzeichnen. Auf der anderen Seite kann man es als politische Katastrophen bezeichnen.

Es wurde eine große Aufmerksamkeit der Passanten verzeichnet

Wie man in den Medien auch sehen und erfahren kann, zeigen die Bilder und Informationen anschaulich wie gewalttätig die Polizei mit den Protestlern selbst bei den friedlichen Demos umgeht. Berichten zufolge hört man von Todesfällen, Verschwundene wurden gemeldet und willkürliche Festnahmen und Ermordungen sind an der Tagesordnung. Wie zuverlässig sind solche Berichte und Quellenangaben? Was für Informationen haben Sie darüber?

Zu diesem Zeitpunkt kommen die Informationen auf einer Seite aus den offiziellen Angaben, also städtischen Seiten bzw. dem Verteidigungsministerium. Auf der anderen Seite verbreiten sich auch die Angaben aus den verschiedenen unabhängigen Netzwerken, von verschiedenen Organisationen und Strukturen, die diese Polizeigewalt beobachten und natürlich auch als Opfer miterlebt haben. Diese verzeichnen, registrieren und denunzieren die Fälle auch. Wir haben bis zum 6. Mai über 1200 Fälle von Polizeigewalt registriert.

Die Polizeigewalt wurde scharf verurteilt

Laut Berichten sind nicht nur die Polizei, sondern auch die Armeeangehörigen, Soldaten und Ex-paramilitärische Kräften tätig? Was sind Ihre Informationen?

Das Hauptproblem ist zur Zeit die Polizei. Als Hauptsicherheitskraft wurde die Polizei beauftragt. Bei den friedlichen Demonstrationen waren sie immer wieder tätig. Wir beobachten mehr die Polizei, die Demos gestoppt und angegriffen haben. Der Staatspräsident Iván Duque hat letztens die sogenannte militärische Justizvereinbarung getroffen, was bedeutet, dass die Straßen zu militarisieren sind. Man hat die Befürchtung, dass bald danach der Ausnahmezustand kommen kann. Offiziell ist kein Ausnahmezustand vorgesehen, allerdings nehmen die Gerüchte in diese Richtung immer zu.

Es war wie ein Festtag in Altona

Laut letzter Informationen soll der Präsident Duque sich jetzt doch auf einmal mit den Vertretern der Gewerkschaftler treffen wollen, was er vorher bzw. bis jetzt immer wieder abgelehnt haben soll. Hat er doch vor diese Eskalation einzudämmen, weil der Druck vom Ausland wegen so viel Gewalt und Todesfällen nicht mehr erträglich ist?

Bis zum 5. Mai gab es keine richtigen Gespräche mit den Vertretern des Nationalen Generalstreiks. Erst gestern, wenn ich mich nicht irre, soll irgendein politischer Prozess angefangen haben. Eins muss man sagen, was zur Zeit los ist, ist undurchsichtig. Es gab keine richtigen Gespräche. Viele Kolumbianer wissen auch selber nicht was noch unterwegs ist und was auf sie noch zukommt. Es gibt auch viel Desinformation, nachdem was wir in der Vergangenheit erlebt haben und wissen.

Es kann auch sein, dass die Regierung vor hat diese Pause auszunutzen, um die legitimen Anforderungen der Streikenden nicht zu beachten und um ein bisschen Zeit zu gewinnen, damit sie den Nationalen Generalstreik umlenken oder beenden können.

Die politische Lage in Kolumbien sehr bitter und ernst

Um wieder auf das hier und heute zu kommen, was bezwecken Sie heute hier und wer sind Sie, also wer hat diese Veranstaltung warum organisiert?

Gut. Also, die heutige Veranstaltung hier auf dem Goethe Platz in Hamburg wurde vom „Colombia Solidaria“ organisiert. Es ist ein Kollektiv, eine zivile Gesellschaftsorganisation, bestehend aus den Kolumbianern die in Hamburg angesiedelt sind. Wir haben folgende drei Ziele: Erstens die Kolumbianische Community in Hamburg zu unterstützen. Zweitens politische Aktion und letztens politische Bildung zu betätigen. Wir wollen auf unsere Umgebung einen politischen Einfluss haben, informieren, aufklären was in unserem Land los ist und was genau dort passiert. Natürlich haben wir auch Freunde aus den anderen Lateinamerikanischen Ländern, die mitmachen und heute auch hier sind.

Tagtäglich sterben Menschen durch die Polizei

Was wollen Sie heute an die Bevölkerung hier mitteilen? Was ist Ihre Botschaft? Oder war diese Veranstaltung von Kolumbianern für Kolumbianer gedacht?

Appell an die deutsche Bevölkerung ist, hört uns mal zu! Wir brauchen Unterstützung. Auch den internationalen Druck auf die kolumbianische Regierung. Im Moment ist die allgemeine Lage weder gut, noch schön. Es herrscht Gewalt im Land. Die Friedensverhandlungen von 2016 mit den FARC Guerillas muss fortgesetzt werden. Die dafür notwendige Voraussetzungen müssen geschaffen werden. Was richtiges hier im Lande zu sagen wäre: Druck ausüben, integrale Durchsetzung des Friedensabkommens verlangen, einen nachhaltigen Ausweg für den Frieden in Kolumbien zu verlangen.

Man braucht mehr Solidarität und sensible Aufmerksamkeit der Bevölkerung

Danke sehr.

08.05.2021

What do you think?

10k Points
Upvote Downvote

Grundstein für den Einstieg in die Transformation der Stahlindustrie gelegt

Pandemiebedingt ausgesetzte Nachtfahrten