Die Europäische Kommission hat Mittwoch beschlossen, die Europäische Bürgerinitiative „Hochwertige Kleidung, faire Löhne“ („Good Clothes, Fair Pay“) zu registrieren. Die Organisatoren der Bürgerinitiative fordern die Kommission auf, Rechtsvorschriften vorzuschlagen, mit denen Unternehmen der Bekleidungs- und Schuhindustrie verpflichtet werden, in ihren Lieferketten auf existenzsichernde Löhne zu achten. Nach Auffassung der Kommission hat die Initiative die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt und ist somit rechtlich zulässig. Eine inhaltliche Prüfung der Initiative hat die Kommission zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht vorgenommen. Morgen feiert die Europäische Bürgerinitiative (EBI) ihr 10-jähriges Bestehen. Seitdem haben sich mehr als 16 Millionen Bürger an 90 Initiativen beteiligt.
Die Organisatoren der Bürgerinitiative „Hochwertige Kleidung, faire Löhne“ wollen die Textilindustrie auf sechs Sorgfaltspflichten festlegen, darunter: Aufdeckung und Vermeidung von Menschenrechtsverstößen und Entschädigung für Opfer, Verringerung der Armut in der EU und weltweit unter besonderer Berücksichtigung der Situation von Frauen, Migranten und Arbeitnehmern mit prekären Arbeitsverträgen sowie der Notwendigkeit, Kinderarbeit zu bekämpfen, Verbot unlauterer Handelspraktiken, Recht der Verbraucher auf Information und mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht für Unternehmen in der Bekleidungs- und Schuhindustrie. Die vorgeschlagenen Rechtsvorschriften würden den „EU-Rahmen für nachhaltige Unternehmensführung“ und die „EU-Richtlinie über angemessene Mindestlöhne“ ergänzen und darauf aufbauen.
Nächste Schritte
Nach der heutigen Registrierung verfügen die Organisatoren über eine Frist von sechs Monaten, um mit der Sammlung von Unterschriften beginnen. Wenn eine Europäische Bürgerinitiative innerhalb eines Jahres eine Million Unterstützungsbekundungen aus mindestens sieben verschiedenen Mitgliedstaaten erhält, muss die Kommission darauf reagieren. Sie kann dann selbst entscheiden, ob sie der Initiative nachkommen will oder nicht, muss ihre Entscheidung aber in jedem Fall begründen.
10 Jahre Europäische Bürgerinitiative
Morgen feiert die Europäische Bürgerinitiative (EBI) ihr 10-jähriges Bestehen. In diesen Jahren haben sich mehr als 16 Millionen Bürger an 90 Initiativen beteiligt. Bisher haben sechs Initiativen erfolgreich die Schwelle von einer Million Unterstützern erreicht und vier weitere sind auf dem Weg dorthin. Drei Initiativen haben zu Änderungen des EU-Rechts geführt: Die neuen Vorschriften infolge der Initiativen „Recht auf Wasser“ und „Verbot von Glyphosat“ sind seit 2021 in Kraft. Zur Initiative „Ende des Käfigzeitalters“ wird die Kommission 2023 einen Legislativvorschlag vorlegen. Derzeit sammeln 17 europäische Bürgerinitiativen Unterschriften und vier weitere sind auf dem Weg, eine Million Unterstützer zu finden.
Kommissionsvizepräsidentin Věra Jourová betonte: „In den vergangenen zehn Jahren war die Europäische Bürgerinitiative ein Schlüsselelement der europäischen partizipativen Demokratie, das es den EU-Bürgern ermöglicht hat, auf Themen aufmerksam zu machen, die ihnen am Herzen liegen, und sie den politischen Entscheidungsträgern nahe zu bringen. Wir hören genau auf die Stimme der Bürger, wir haben EU-Gesetze geändert und werden dies auch weiterhin tun. Die Zukunft sieht vielversprechend aus: Vier Initiativen sind auf dem Weg, 1 Million Unterschriften zu sammeln. Wir werden auch unsere Arbeit fortsetzen, um dieses einzigartige Instrument der partizipativen Demokratie bei allen unseren Bürgern bekannter zu machen.“
Hintergrund
Die Europäische Bürgerinitiative (eine Art Bürgerbegehren auf europäischer Ebene) wurde mit dem Vertrag von Lissabon als Instrument eingeführt, mit dem die Bürgerinnen und Bürger Europas Einfluss auf die politische Tagesordnung nehmen können. Sie wurde im April 2012 offiziell eingeführt. Ist eine Europäische Bürgerinitiative formal registriert, so können eine Million Bürgerinnen und Bürger aus mindestens sieben EU-Mitgliedsstaaten die Europäische Kommission auffordern, im Rahmen ihrer Befugnisse Rechtsakte vorzulegen. Zulässig ist eine Initiative, wenn die geplanten Maßnahmen 1) nicht offenkundig außerhalb der Befugnis der Kommission liegen, einen Vorschlag für einen Rechtsakt vorzulegen, 2) nicht offenkundig missbräuchlich, unseriös oder schikanös sind und 3) nicht offenkundig gegen die Werte der Union verstoßen.
EU-Kommission / 01.06.2022
Foto: EU-Kommission