Benjamin Adrion (42) war früher Fußballprofi, bekannt vor allem durch seine Einsätze für St. Pauli. Inzwischen preisgekrönter Sozialunternehmer ist er in erster Linie ein leidenschaftlicher Verfechter für den weltweiten Zugang zu sauberem Trinkwasser. „Wasser ist elementar für jedes Leben im Universum – vom Menschen bis zum Bakterium – Wasser verbindet uns alle.“ Mit seiner Organisation Viva con Agua setzt er sich für den Zugang zu sauberem Trinkwasser, Sanitärversorgung und Hygiene weltweit ein, mit positivem Aktivismus und durch die universellen Sprachen Musik, Sport und Kunst. Dafür zeichneten die Partner des Deutschen Gründerpreises – stern, Sparkassen, ZDF und Porsche – die Organisation Viva con Agua und ihren Initiator gestern [12.09.2023] im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin mit dem Sonderpreis der Partner des Deutschen Gründerpreises aus.
Die wichtigste Reise seines Lebens begann für Benjamin Adrion in Kuba. Das Trainingslager im Januar 2005 sollte sein Leben verändern. Nach Stationen beim VfB Stuttgart und Eintracht Braunschweig und zuletzt bei St. Pauli sah Adrion das Ende seiner Fußball-Karriere nahen. In Kuba legte Adrion den Grundstein für Viva con Agua. In Zusammenarbeit mit der Welthungerhilfe realisierte er dort das erste Wasserprojekt der Initiative: Trinkwasserspender für 153 Kindergärten. Heute ist das Engagement für Wasserversorgung nicht mehr nur auf Wasser selbst beschränkt, sondern hat weitreichende positive Auswirkungen auf andere Aspekte des Lebens wie Gesundheit, Bildung und allgemeine Entwicklung.
Entsprechend vielseitig und zeitgemäß konzipiert hat der Sozialunternehmer die von ihm ins Leben gerufene Organisation Viva con Agua: Im Juli 2006 wurde der Verein Viva con Agua de Sankt Pauli e.V. in Hamburg offiziell gegründet. Adrion forcierte die Gründung des ersten internationalen Ablegers von Viva con Agua in der Schweiz und gründete 2010 die Viva con Agua Wasser GmbH, das erste Sozialunternehmen der Organisation. Seit 2019 ist Adrion Vorstandsvorsitzender der Viva con Agua Stiftung und war in dieser Funktion an der Gründung der Viva con Agua Arts gGmbH sowie der Goldeimer gGmbH beteiligt. Seit Oktober 2018 ist er Geschäftsführer der Villa Viva Holding und hat das jüngste Social Business von Viva con Agua gestartet – Villa Viva. Nach der Villa Viva Cape Town eröffnet nach 7-jähriger Vorbereitungszeit am 16. November 2023 die Villa Viva Hamburg. „Ich mache das seit 18 Jahren und ich halte kein einziges Prozent an irgendeinem Unternehmen. Andere haben in kürzerer Zeit Unternehmen aufgebaut und verkauft, machen einen Exit und haben ausgesorgt. Bei uns ist das nicht denkbar.“
Die dezentrale Struktur erlaubt der Viva con Agua-Organisation, global zu agieren und gleichzeitig lokal verwurzelt zu bleiben. Verfolgt wird damit ein Ansatz, der sich von anderen Hilfsorganisationen unterscheidet: Während viele sich auf Katastrophen und Krisenhilfe konzentrieren, setzt Viva con Agua auf nachhaltige Arbeit, Verbindung und Gemeinschaftlichkeit. Trotz der ständig wachsenden Probleme und des „Wasser-Stress“, der durch den Klimawandel verschärft wird, sieht Adrion positive Entwicklungen im Bereich des Zugangs zu sauberem Trinkwasser. Die Zahl der Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser etwa ist seit der Gründung von Viva con Agua gesunken – ein ermutigender Trend.
Um für die Ziele von Viva con Agua Aufmerksamkeit zu erzeugen, nutzt der Träger des Bundesverdienstkreuzes verschiedenste Medienplattformen, darunter die MTV-Serie „Pimp My Fahrrad“, die ARD-Quizshow „Ich weiß alles!“, die ProSieben-Doku „Ein Milliardenspiel“ oder auch verschiedene Podcasts.
Die Etablierung von Viva con Agua als Sozialunternehmen bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich. „Dazu zählt etwa die schlechte Bezahlung, die gute Leute davon abhält, in sozialen Unternehmen oder Organisationen zu arbeiten“, so Adrion. Er legt großen Wert darauf, dass Viva con Agua trotz der vielseitigen unternehmerischen Tätigkeiten einen starken gemeinnützigen Kern hat: „Die soziale Rendite steht im Vordergrund!“ Das Sozialunternehmen habe zwar verschiedene Geschäftsfelder, darunter Mineralwasser und das Gästehaus „Villa Viva“, der Großteil der Einnahmen stamme aber weiterhin aus Spenden. „Eigentümer der verschiedenen Unternehmen sind jeweils gemeinnützige Organisationen“ erläutert Adrion. „Deshalb ist alles, was unternehmerisch stattfindet, entweder direkt gemeinnützig oder indirekt über eine GmbH, deren Gewinne über die Shareholder-Struktur gemeinnützig verwendet werden.“
Das Viva con Agua so breit aufgestellt agieren kann, hat auch viel mit Personal Leadership zu tun. „Die Bereitschaft, Kontrolle zur Schaffung flacher Hierarchien abzugeben, ist dafür essenziell“, so Benjamin Adrion. „Eine wirkliche kulturelle Transformation muss von den Führungskräften nachhaltig und über einen längeren Zeitraum vorgelebt werden“.
Das Konzept des Teamwork verinnerlichte Adrion bereits auf körperlicher Ebene seit er ein Kind ist – das bringt der Mannschaftssport Fußball mit sich. Mit der Zeit wichtiger wurde aber auch, sich als Führungsspieler zu positionieren. Weitere Parallelen zwischen dem Sport und der Führung eines (Sozial-) Unternehmen sind zudem Performanceorientierung, gepaart mit dem Willen zur Leistung und einem Ehrgeiz, sich den Notwendigkeiten des Marktes anzupassen.
Benjamin Adrions Tipp für Unternehmer oder Manager, die in Sachen moderner Teamführung Nachholbedarf haben: das Buch „Leading from the Emerging Future: From Ego-System to Eco-System Economies“ von Otto Scharmer. Der Senior Lecturer am MIT Massachusetts Institute of Technology beschreibt einen Lösungsansatz für Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit und eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich: Die Entwicklung wirtschaftlicher Logik und ihres „Betriebssystems“ vom veralteten „Ego-System“, das ausschließlich auf das Wohl des Einzelnen ausgerichtet ist, hin zu einem Ökosystem-Bewusstsein, welches das Wohl des Ganzen betont.
Was ursprünglich als Weltreise nach der Karriere als Profifußballer geplant war, entwickelte sich durch Benjamin Adrions Engagement für Viva con Agua in eine „lebenslange soziale Weltreise“ in die verschiedenen Länder, in denen die Organisation tätig ist: überall dort, wo es großen Bedarf an Wasser und sanitärer Versorgung gibt. Viva con Agua fördert vor allem in Afrika und Asien, darunter Uganda, Äthiopien, Südafrika und Nepal, nicht nur Wasserprojekte, sondern vielmehr ein „Ökosystem“ lokaler Netzwerke. Dabei setzen Adrion und sein Team auf die Einbeziehung junger Menschen und die Verwendung universeller Sprachen wie Musik, Kunst und Sport, um Verhaltensänderungen zu inspirieren. „Konfrontation versuchen wir zu vermeiden. Wir setzen auf Kooperation!“
Die Partnervertreter von stern, Sparkassen, ZDF und Porsche würdigen dieses außergewöhnliche Engagement mit dem Sonderpreis des Deutschen Gründerpreises. „Benjamin Adrions Spendensammler-Phantasie kennt keine Grenzen. Er organisiert Charity-Events, Kunst-Events und Wasser-Märsche durch Europa“, so die Jury: „Viva con Agua ist ein Lifestyle-Imperium geworden, bei dem sich Spenden nicht wie Spenden anfühlt, sondern wie Leben, wie Freude.“
Über den Deutschen Gründerpreis:
Der Deutsche Gründerpreis ist die bedeutendste Auszeichnung für herausragende Unternehmer:innen und einer der renommiertesten Wirtschaftspreise in Deutschland. Er wird 2023 bereits zum 21. Mal vergeben. Ziel der Initiative ist es, erfolgreiche Gründer:innen und ihre Unternehmen sichtbar zu machen und durch die vielfältige Unterstützung noch erfolgreicher. Der Preis wird jährlich in den Kategorien Schüler, StartUp, Aufsteiger und Lebenswerk verliehen. Außergewöhnliche Unternehmerleistungen können mit einem Sonderpreis gewürdigt werden. Ausgelobt wird der Deutsche Gründerpreis von den Partnern stern, Sparkassen, ZDF und Porsche, die sich bereits seit 1997 für die Förderung des Unternehmertums und der Gründungskultur engagieren. Der Deutsche Gründerpreis wird durch ein hochkarätiges Kuratorium unterstützt, das Patenschaften für die Finalistinnen und Finalisten und Preisträger:innen übernimmt. Förderer des Deutschen Gründerpreises sind die Bertelsmann SE & Co. KGaA, die Gruner + Jahr GmbH, die Süddeutsche Zeitung und die Versicherungen der Sparkassen. Kooperationspartner ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
Deutscher Gründerpreis / 13.09.2023
Foto: Franziska Krug für Deutscher Gründerpreis