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Innenministerium muss Visa-Erleichterung umsetzen

Deutschland / Russland

Reporter ohne Grenzen (RSF)

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat gegenüber dem Spiegel die Vergabe humanitärer Visa für bedrohte russische Journalistinnen und Journalisten angekündigt.

„Wir begrüßen diesen längst überfälligen Schritt“, erklärt Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen (RSF). „Wir setzen uns bereits seit Wochen für eine entsprechende Lösung für Medienschaffende ein, die in ihrer Heimat bedroht und schikaniert werden.“ Gefährdete Journalistinnen und Journalisten könnten somit künftig mit humanitären Visa kurzfristig aus Russland geholt werden – und erhielten in Deutschland eine längerfristige Perspektive und Arbeitserlaubnis. „Der Ankündigung müssen nun aber Taten folgen und das Ministerium muss schleunigst liefern“, fordert Christian Mihr. „Zudem darf es keine starren Obergrenzen für die Zahl bedrohter Journalistinnen und Journalisten geben, die Schutz in Deutschland suchen.“

Gesetzliche Grundlage für den Schritt ist Paragraf 22 (2) des Aufenthaltsgesetzes. Dieser ermöglicht die Vergabe von Visa aufgrund „dringender humanitärer Gründe“ mit einer Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung von bis zu drei Jahren. Davon würden vor allem Schutzbedürftige profitieren, die es noch nicht nach Deutschland geschafft haben: Neben Journalistinnen und Journalisten, die noch in Russland ausharren, könnten auch Medienschaffende humanitären Schutzstatus erhalten, welche nach ihrer Flucht aus Russland in Ländern wie Georgien, Armenien oder der Türkei ohne längerfristige Aufenthaltsperspektive feststecken. Ebenso bekämen Redakteure und Redakteurinnen eine Bleibeperspektive in Deutschland, welche sich derzeit mit ablaufenden Schengen-Visa in EU-Drittstaaten aufhalten.

Regelung für Fachkräfte hilft zu wenigen

Im Spiegel-Interview legte die Innenministerin zudem nahe, das Fachkräfteeinwanderungsgesetz so zu vereinfachen, dass russische Journalistinnen und Journalisten als besonders qualifizierte Fachkräfte leichter ein Visum erhalten könnten. Stark gemacht hatte sich für diese Möglichkeit nach Paragraf 18 des Aufenthaltsgesetzes in der vergangenen Woche auch die Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Der Vorstoß wird von RSF zwar grundsätzlich begrüßt. Jedoch erreicht er vor allem eine Gruppe Medienschaffender, die sich seit Moskaus Überfall der Ukraine bereits mit einem touristischen Schengenvisum in Deutschland aufhält. Nicht alle künftig einreisenden Journalistinnen und Journalisten werden jedoch in der Lage sein, die hohen Hürden für eine Anerkennung als Fachkraft in Deutschland zu überwinden. Ihnen bietet die Fachkräfteregelung somit keine sichere Bleibeperspektive. Fachkräftezuwanderung ist keine Lösung für den Großteil der schutzbedürftigen russischen Medienschaffenden und darf nicht als Ersatz für humanitäre Aufnahme akut gefährdeter Medienschaffender funktionieren.

Für russische Medienschaffende, die sich mit einem Schengen-Visum in Deutschland aufhalten, empfiehlt RSF zunächst eine unbürokratische Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Denn die ersten der für 90 Tage gültigen Schengen-Visa laufen bereits Ende Mai ab. Theoretisch müssten die Journalistinnen und Journalisten daher in wenigen Tagen wieder ausreisen: Schengen-Visa können üblicherweise nur in einer deutschen Auslandsvertretung in Russland neu beantragt werden. Dabei riskieren die Medienschaffenden jedoch ihre Verhaftung. Allerdings kann die Verlängerung der Schengen-Visa nur eine Übergangslösung sein: Perspektivisch empfiehlt RSF für die Journalistinnen und Journalisten die Vergabe eines humanitären Visums.

Asylverfahren ist keine Alternative

Vom Bundesinnenministerium zuvor ins Spiel gebrachte reguläre Asylverfahren gehen aus Sicht von RSF an den Bedürfnissen russischer Medienschaffender vorbei: Während der oft langwierigen Verfahren dürften die Journalistinnen und Journalisten ihren Beruf nicht ausüben. Zudem wäre es nicht erlaubt, den Wohnsitz frei zu wählen. Redaktionen könnten so nicht weiter zusammenarbeiten. Asylverfahren widersprechen daher der Position der Bundesregierung, die eine zeitnahe Fortsetzung der Berichterstattung russischer Exilmedien unterstützt.

Reporter ohne Grenzen (RSF) / 20.05.2022

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