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Dachbegrünung: das Zukunftsthema!

Wohin wird die Reise gehen?

Städte müssen die maximierten Ökosystemleistungen von Dachbegrünungen besser ausschöpfen – vieles wäre heute möglich.

Zum Leben braucht der Mensch intakte Ökosysteme. Die Flutkatastrophe des Sommers 2021 in Deutschland ist eine der schmerzhaftesten Erfahrungen, die das Umdenken in Politik und Gesellschaft beschleunigen werden. Und dafür ist es allerhöchste Zeit. Entscheidende Maßnahmen zur Klimaanpassung durch die Schaffung lebenswerter grüner und blauer Infrastruktur sind längst überfällig – und die technischen Mittel und Wege sind da. In Bezug auf die Einbindung der Dachbegrünung hierbei stellt ZinCo allerdings fest: oft herrscht Unkenntnis über die heute vorhandenen Möglichkeiten von Begrünungssystemen.

Wer wie ZinCo vor rund 50 Jahren als Pionier mit Dachbegrünung angefangen hat, blickt auf eine lange Entwicklung zurück, in der sich Dachbegrünung ihren Weg in die Popularität gebahnt hat. Sieht ja schön aus, ist auch mancherorts schon vorgeschrieben, aber zuweilen hartnäckig von Vorurteilen begleitet. Mancher Bauherr hat immer noch Angst vor Wasser auf dem Dach und ignoriert dabei die Tatsache, dass die Begrünung die Lebensdauer des Flachdaches um ein Vielfaches erhöht. Das mag neben den Zusatzkosten einer der Gründe sein, warum bislang nicht mehr Dächer begrünt worden sind. Das Potenzial wäre doch so viel größer, wie der aktuelle Marktreport des Bundesverbandes GebäudeGrün erneut belegt. Demnach sind 2020 in Deutschland lediglich 8 % der neu entstandenen Flachdächer begrünt worden. Ähnlich ist die Situation im Bereich der Bestandsflächen, das sagen zumindest die Gründachpotential-Kataster. Die Dächer sind also da – wie fahrlässig ist es dann angesichts der drängenden Klimaprobleme, die hohen Ökosystemleistungen der Dachbegrünungen ungenutzt zu lassen!

Ökosystemleistungen von Dachbegrünungen

Unter den Gründach-begeisterten Planern und Verarbeitern heißt es meist: „ZinCo? Kennen wir und machen ja seit langem alles: von der extensiven Begrünung auf Flach- und Schrägdächern, über tolle Dachgärten bis hin zu Tiefgaragenbegrünungen“. Genauer nachgefragt wissen allerdings viele nicht, dass es in der konkreten Umsetzung inzwischen um viel mehr geht, nämlich um die Steigerung der Ökosystemleistungen von Dachbegrünungen im Hinblick auf ihr Wasserrückhaltevermögen, ihre Verdunstungsleistung und ihre Biodiversität. Wir bewegen uns mit den heutigen Begrünungssystemen also weit über die bislang oft praktizierte Minimalbegrünung hinaus. Technisch ist genau das die Zukunft! Und dieses Wissen muss nicht nur bei den Fachleuten ankommen, sondern auch in der Politik und der gesamten Gesellschaft.

Auch Aufgabe der Politik

Die grün-schwarze Landesregierung von Baden-Württemberg geht mit ihrem Koalitionsvertrag einen guten Schritt voran und will „Gebäudedächer, Grünflächen, aber auch Straßenräume zukunftsfähig gestalten, beispielsweise durch Nutzbarkeit als Retentionsflächen“. In mehreren Modellregionen will die sie die „Klimaresilienz von Städten und Gemeinden erhöhen und dabei tragfähige Lösungen zur Retention, Entsiegelung, Versickerung und Verdunstung erproben.“ Auch Gewerbegebiete sollen „flächensparsam und möglichst naturnah gestaltet werden und Pflanzen und Tiere Lebensräume auf Außenanlagen, Dachflächen und an Fassaden finden.“ Diese vertragliche Festschreibung ist ein wichtiger und richtiger Schritt. Aber weitere Schritte müssen folgen, um blaue und grüne Infrastruktur zügig und breit zu implementieren.

Zudem scheint in vielen Köpfen Konkurrenzdenken vorzuherrschen, zum Beispiel zwischen den Themen Solar und Grün. Dabei geht beides in Kombination und bringt noch dazu Synergieeffekte, weil die Begrünung durch eine vergleichsweise geringere Umgebungstemperatur den Ertrag der Photovoltaikanlage messbar steigert. Diese Kombination schreibt die Politik aber leider noch nicht vor, noch nicht einmal im grün-schwarz regierten Baden-Württemberg. Es gilt seit der vergangenen Legislaturperiode für gewerblich genutzte Neubauten eine Solarpflicht, also die Vorgabe, eine Photovoltaikanlage zu installieren. Und nach dem novellierten Klimaschutzgesetz kommt zum 1.5.2022 nun auch die Solarpflicht für Wohngebäude. Wunderbar, ein toller Schritt und doch brauchen wir mehr! Gerade die großen Dachflächen von Einkaufsmärkten, Bürogebäuden und Schulen können eben nicht nur Solar, sondern können und brauchen auch Grün! Und auch die Kombinationen mit Retentions-Gründächern sind beim Neubau problemlos möglich, weil die Statik von vornherein darauf ausgelegt wird.

Natürlicher Wasserhaushalt

Der natürliche Wasserhaushalt weist einen Verdunstungsanteil von mehr als 50% des natürlichen Niederschlags auf. Dieser Verdunstungsvorgang entzieht der Umgebung Wärme, was in der Folge die Aufheizung der Städte minimiert. Weniger Aufheizung bedeutet dann auch weniger intensive Niederschlagsereignisse. Starkregen hängt nämlich mit der Tatsache zusammen, dass warme Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann. Wenn feuchtwarme Luft aufsteigt und sich währenddessen abkühlt, bildet sich Wasserdampf (konvektive Wolken). Dieser kondensiert zu Wasser und setzt dabei Wärme frei, welche den Auftrieb verstärkt. Solch konvektive Wolken treten lokal auf und entladen sich rasch – häufig mit Gewitter und Hagel.

Nun sieht die Realität in Großstädten leider so aus, dass der Versiegelungsgrad immens ist und täglich kommen in Deutschland weitere ca. 60 Hektar Siedlungs- und Verkehrsflächen (Graue Infrastruktur) hinzu. Die Versiegelung führt per se zu mehr Aufheizung und gleichzeitig dazu, dass Niederschlagswasser größtenteils über die Kanalisation abfließt und nicht mehr für die natürliche Verdunstung zur Verfügung steht. Die normalen Wasserkreisläufe sind zunichte.
Durch den Klimawandel gibt es immer häufiger Starkregen, die Kanalnetze sind gefährlich überlastet und die urbanen Sturzfluten vorprogrammiert. Städte brauchen dringend bepflanzte Bereiche (Grüne Infrastruktur), also Gebäudebegrünung, Parkanlagen, öffentliche und private Gärten, Straßenbegleitgrün und Begrünungen von Lärmschutzwänden. Jeder Quadratmeter Grün vermag Wasser zu speichern und dann zu verdunsten – und heutige Dachbegrünungstechnik maximiert genau diese Vorgänge.

Zum Schutz vor Hochwasser

Bereits vor knapp zehn Jahren hat ZinCo gemeinsam mit der HafenCity Universität Hamburg (HCU) die Ablaufcharakteristik von begrünten Dächern untersucht. Das war der Start zur Produktentwicklung des „Retentions-Gründachs“ mit seinen sogenannten Spacer-Elementen, die zum Beispiel 60 l/m² Regenwasser zusätzlich speichern und erst zeitversetzt über ein Drosselelement abfließen lassen, um die Kanalsysteme zu entlasten. Selbst vielfache Wassermengen sind möglich, je nach Modifikation der Spacer-Elemente. Diese Speichermengen kommen also zusätzlich zur Speicherleistung der eigentlichen Begrünung hinzu. Diese liegt bei einer gewöhnlichen Extensivbegrünung zwischen 20 und 40 l/m² Wasser und bei einer Intensivbegrünung zwischen 50 und 100 l/m². Im Neubau kann die Statik vorab problemlos darauf ausgelegt werden, denken wir nur an Tiefgaragendecken. Es wäre also vieles machbar, wenn Politik und Bauherren dieses Ziel verfolgen. Hierher gehört die Idee der „Schwammstadt“, welche Regenwasser dort zwischenspeichern will, wo es anfällt – dank Gründächer, Grünflächen, versickerungsfähiger Verkehrsflächen, Mulden, Rigolen und Gewässer (Blaue Infrastruktur). Das ist nicht nur Hochwasserschutz, sondern dient auch der Stadtklimatisierung.

Beitrag zur Stadtklimatisierung

Hierzu erst ein paar Richtwerte: 300 Liter verdunstetes Wasser pro Tag vermögen das Luftvolumen eines Würfels von 100 m x 100 m x 100 m  um etwa 3-5 °C abzukühlen. Nun kann ein ausgewachsener, gut mit Wasser versorgter Stadtbaum an einem heißen Sommertag bis zu 300 – 500 Liter Wasser verdunsten. Eine 100 m² große, klassische Extensivbegrünung kann das auch, allerdings nicht bei lang anhaltender Trockenheit. Dann reduziert sich die Verdunstungsrate auf etwa ein Zehntel. Mit dem speziellen „verdunstungsmaximierten“ ZinCo-Systemaufbau „Klima-Gründach“ lässt sich die Verdunstungsrate auf etwa 700 – 1000 Liter pro Tag und 100 m² Dachfläche steigern und auch in Trockenperioden aufrecht erhalten. Das gelingt durch eine besondere Pflanzengemeinschaft und einer bedarfsgerechten Bewässerung mittels Grauwasser. Dieser Systemaufbau basiert auf Forschungen, die schon 2012 mit der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf starteten. Die Begrünungstechnik ist also da! Und das Thema Grauwasser sollte dringend in allen Lebensbereichen in den Mittelpunkt rücken, weil der Wasserbedarf der Menschen die Trinkwasser-Ressourcen erschöpft.

Grauwasser-Nutzung braucht Infrastruktur, die jedenfalls bei Neubauten vorgegeben sein muss, indem Schmutzwasser – ausgenommen aus der Toilette – getrennt abgeführt und gesammelt wird. Grauwasser steht kontinuierlich bereit, was ein erheblicher Vorteil gegenüber Wasser aus Speichervolumen ist. Bezieht sich die Nutzung von Grauwasser auf das eigene Gebäude, so gibt es für die Quartiers-Ebene zusätzlich den Ansatz, das Wasser, das am Ende einer Kläranlage anfällt, für Bewässerung zu nutzen. Und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine Kleinkläranlage oder eine große kommunale Kläranlage handelt. Ein Pilotprojekt dazu läuft aktuell mit einigen Partnern bei der ZinCo GmbH, darunter der Universität Stuttgart, die über das größte Forschungsklärwerk Europas verfügt.

Erhalt der Biodiversität

Dachbegrünungen leisten auch einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt von Fauna und Flora, sofern sie entsprechend angelegt sind: mit einer reichen Auswahl von Futterpflanzen für Insekten und Vögel, mit Totholz, Sandlinsen, Kiesbeeten als Unterschlupf und kleinen Wasserflächen als Tränke. Auch Insektenhotels und Hummelnistkästen sind sehr positiv und lassen sich wie die anderen „Biodiversitäts-Module“ ebenso auf bereits existierenden Begrünungen implementieren, um artenreiche Biotope zu schaffen. Das sollte das Ziel jeder Begrünung sein.

Urbane Lebensqualität

Urbane Sturzfluten, lange Trockenperioden, Aufheizung der Städte, hohe Feinstaubwerte, Insektensterben – zu deren Abmilderung kann und muss Dachbegrünung ihren Beitrag leisten. In Zeiten fortwährender Urbanisierung und Nachverdichtung geht es neben allen beschriebenen klimatologischen und ökologischen Zusammenhängen auch um die grundsätzliche Bedeutung von Grün für die Gesundheit des Menschen. Grün schafft Wohlbefinden, stärkt das Immunsystem und reduziert Stress. Ob Parklandschaft über Tiefgaragen, ob eigener Dachgarten oder einfach der Blick auf das begrünte Nachbargebäude, alles Grün bedeutet ein Plus an Lebensqualität.

Autor: Dieter Schenk, Geschäftsführer der ZinCo GmbH

ZinCo GmbH / 03.02.2022

Foto: ZinCo GmbH

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