Die zunehmende Verbreitung unsachgemäß oder illegal entsorgten Elektroschrotts führt vor allem in Entwicklungsländern zu gesundheitlichen Belastungen und Entwicklungsstörungen bei Kindern. Zu diesem Ergebnis kommt der WHO-Report „Children and digital dumpsites: e-waste exposure and child health“, mitfinanziert durch das Bundesumweltministerium. Die Ergebnisse unterstreichen, wie dringlich ein weltweit abgestimmtes Vorgehen für einen sicheren und nachhaltigen Umgang mit Chemikalien ist. Auf Einladung von Bundesministerin Schulze diskutieren daher im „Berlin Forum zu Chemikalien und Nachhaltigkeit: Ambitionen und Aktionen bis 2030“ Minister*innen sowie hochrangige Vertreter*innen internationaler Organisationen, der Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft aus 33 Ländern darüber, wie die Gesundheit von Mensch und Umwelt besser vor gefährlichen Chemikalien und Abfällen geschützt werden kann.
Das Berlin Forum findet heute (ab 13 Uhr) und morgen virtuell statt. UN-Generalsekretär António Guterres, EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius und Bundeskanzlerin Angela Merkel werden die Konferenz mit Reden eröffnen. Ziel des Berlin Forums ist es, den verantwortungsvollen Umgang mit Chemikalien und Abfällen stärker in den Fokus der Politik zu rücken. Anlässlich des Berlin Forums stellt Deutschland dem UN-Umweltprogramm UNEP eine Million Euro zur Verfügung, um Entwicklungsländer beim Aufbau von Strukturen für mehr Chemikaliensicherheit zu unterstützen.
Bundesumweltministerin Schulze: „Wir müssen dafür sorgen, dass Chemikalien so hergestellt und genutzt werden, dass von ihnen keine Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt ausgehen. Angesichts der fortschreitenden Globalisierung von Produktion und Handel können wir dies nicht alleine auf nationaler oder regionaler Ebene leisten. Chemikalien kennen keine Grenzen. Es ist deshalb wichtig, dass wir uns dieser Herausforderung auch auf internationaler Ebene stellen und gemeinsam Lösungen finden, die den gesamten Lebensweg von Chemikalien und den daraus hergestellten Produkten – also von der Wiege bis zur Bahre – umfassen. Die konsequente Einführung der international anerkannten Gefahrenstoffkennzeichnung durch wirklich alle Staaten wäre dafür ein erster geeigneter Schritt.“
WHO-Direktorin Maria Neira: „Kinder und Jugendliche haben das Recht, in einer gesunden Umgebung aufzuwachsen und zu lernen, und die Belastung durch Elektroschrott und seine vielen giftigen Bestandteile beeinträchtigt zweifellos dieses Recht. Der Gesundheitssektor muss eine Führungsrolle dabei übernehmen, diese unhaltbaren Verhältnisse anzusprechen, weitere Forschung zu betreiben, Einfluss auf politische Entscheidungsträger und Wirtschaft auszuüben und lokale Gemeinschaften bei der Bewältigung dieser Probleme einzubinden. Schließlich geht es darum, zu fordern, dass gesundheitliche Belange in den Mittelpunkt der Abfallpolitik rücken, insbesondere im Zusammenhang mit Elektroschrott. Deshalb ist es wichtig, dass die Aktivitäten der Vereinten Nationen für mehr Chemikaliensicherheit und ein nachhaltiges Chemikalienmanagement aus der internationalen Staatengemeinschaft deutlich mehr Rückenwind erhalten. Das Berlin Forum bietet dafür eine ausgezeichnete Gelegenheit.“
Kinder, die selbst oder deren Eltern Elektroschrott behandeln, sind aufgrund ihrer geringeren Größe, ihrer weniger entwickelten Organe und ihres schnellen Wachstums besonders anfällig für die darin enthaltenen giftigen Chemikalien. Sie sind in ihrer Entwicklungssituation besonders empfindlich für Schadstoffe und sind weniger in der Lage, giftige Substanzen zu verstoffwechseln oder aus ihrem Körper auszuscheiden. Dies kann sich unter anderem auf die Atemwege und die Atmung oder die Schilddrüsenfunktion negativ auswirken oder DNA-Schäden verursachen.
Deutschland setzt sich seit vielen Jahren weltweit für eine sichere Entsorgung von Elektroaltgeräten ein. Ein Großteil des Elektroschrotts verbleibt in Entwicklungsländern. Daher setzt sich Deutschland auch für die Bekämpfung des illegalen Exports von Elektroaltgeräten ein. Wichtige Schritte auf diesem Weg waren Verschärfungen der europäischen WEEE-Richtlinie, die in Deutschland im Elektro- und Elektronikgerätegesetz umgesetzt wurde, sowie der europäischen Verordnung über die Verbringung von Abfällen. Zudem hat Deutschland die Vorschriften für Entsorgungsunternehmen bei der Verwertung von Elektroaltgeräten weiterentwickelt, um die Verbreitung von Schadstoffen zu verhindern. So wird in der kürzlich erlassenen Behandlungsverordnung festgelegt, welche schadstoffhaltigen Bauteile zu welchem Zeitpunkt des Behandlungsprozesses zu entfernen sind. Elemente wie Batterien oder Kältemittel müssen nunmehr vor einer mechanischen Zerkleinerung ausgebaut werden. Daneben wird die verbrauchernahe Erfassung von Elektroaltgeräten weiter gestärkt. So hat der Einzelhandel ab einer Größe von 800 m² Verkaufsfläche ab dem Jahr 2022 die Pflicht, kleinere ausgediente Elektroaltgeräte unabhängig vom Neukauf eines Produkts zurückzunehmen. Größere Altgeräte wie Wasch- oder Spülmaschinen können beim Kauf eines entsprechenden, neuen Artikels kostenlos abgegeben werden. Diese Stärkung der verbrauchernahen Erfassungswege kann einen weiteren Beitrag zur Eindämmung von illegalen Elektroaltgeräten-Exporten beitragen. Diese Regelungen gilt es konsequent umzusetzen und wo nötig weiterzuentwickeln.
Um weltweit für einen sicheren Umgang mit Chemikalien zu sorgen, hat die internationale Staatengemeinschaft unter dem Dach der Vereinten Nationen den strategische Ansatz für ein internationales Chemikalienmanagement (SAICM) entwickelt. Dieser Rahmen wird momentan neu verhandelt. Ziel der Verhandlungen ist es, dass die Kapazitäten für Chemikaliensicherheit tatsächlich überall auf der Welt geschaffen und dabei besonders drängende Themen bearbeitet werden können. Die 5. Internationale Konferenz zum Chemikalienmanagement (ICCM5) wird unter deutschem Vorsitz diesen Verhandlungsprozess abschließen und die Weichenstellung für das künftige internationale Chemikalienmanagement vornehmen. Mit dem Berlin Forum will das Bundesumweltministerium zu einem ambitionierten Verhandlungsergebnis von ICCM5 beitragen.
Wie Lösungen aussehen können, die Menschen und Umwelt vor gefährlichen Chemikalien weltweit schützen, zeigten gestern die Gewinner des Future Policy Award 2021. Der diesjährige Preis zeichnet vorbildliche Gesetzgebungen zum Schutz von Umwelt und Gesundheit vor gefährlichen Chemikalien aus. Eines von sechs Gewinnerländern ist Kolumbien. Das Land wurde mit dem Sonderpreis in der Kategorie „Arzneimittelrückstände in der Umwelt“ ausgezeichnet, weil es mit der Resolution Nr. 371 das erste erfolgreiche Programm zur obligatorischen Medikamenten-Entsorgung in Lateinamerika schuf. Die Gewinner-Gesetze zeigen, wie Rechtsetzung zum Schutz von Mensch und Umwelt auch unter schwierigen Rahmenbedingungen gelingen kann.
BMU / 07.07.2021