Gipfeltreffen der Arabischen Liga:
- Assad-Regime musste für Wiederaufnahme keinerlei Zugeständnisse machen
- Keine Alternativen zu Assad nach Zerschlagung der Demokratiebewegung
- Mehrheit lehnt islamistische Angebote Erdogans und der Muslimbruderschaft ab
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) bedauert die Wiederaufnahme Syriens in die Liga der Arabischen Staaten. Das Assad-Regime musste dafür keinerlei Zugeständnisse machen. Vor genau zwölf Jahren sind die Menschen in Syrien für Demokratie, Meinungs- und Pressefreiheit auf die Straße gegangen. Stattdessen erhielten sie ein zerstörtes Land: „Etwa 600.000 Menschen wurden getötet, 80 Prozent der Bevölkerung leben in Armut und 12 Millionen Menschen sind innerhalb und außerhalb des Landes auf der Flucht. Hinzu kamen und kommen schreckliche Verbrechen an der Bevölkerung, für die das Regime und seine Verbündeten in Russland und Iran verantwortlich sind“, berichtet der GfbV-Nahostexperte Dr. Kamal Sido am heutigen Mittwoch in Göttingen. „Zahlreiche Kriegsverbrechen gehen auf das Konto des türkischen Autokraten Erdogan und islamistischen Milizen aller Couleur, die von den arabischen Golfstaaten, insbesondere von Katar, der Türkei und einigen anderen NATO-Regierungen finanziert und bewaffnet werden.“
Die Rückkehr des Assad-Regimes sei eine logische Entwicklung der syrischen Krise. Denn Erdogan, die islamistischen Milizen und die NATO-Regierungen waren zu keinem Zeitpunkt bereit, der Mehrheit der syrischen Bevölkerung eine bessere Alternative zu Assad zu bieten. „Insbesondere die Minderheiten in der multiethnischen und multireligiösen syrischen Gesellschaft haben unter der Gewalt gelitten. Die christlichen, drusischen, ismailitischen, schiitischen, yezidischen, alevitischen und die sunnitisch-arabische sowie die kurdische Bevölkerungsmehrheit wollten und wollen ein von Erdogan und der syrischen Muslimbruderschaft propagiertes islamistisches Regime nicht akzeptieren“, so Sido. „Die Alternative zur Assad-Diktatur, ein demokratisches Syrien, in dem alle Ethnien und Religionsgemeinschaften, alle Bürgerinnen und Bürger vergleichsweise frei und gleichberechtigt leben können, war nur in den kurdischen Autonomiegebieten Realität.“ Die Bekämpfung dieser Bestrebungen wurde im sogenannten „Astana-Format“ organisiert, wo Russland, die Türkei, der Iran und zuletzt auch das Assad-Regime ihre Politik vor allem gegen die kurdischen Autonomieforderungen koordinieren und nach dem völkerrechtswidrigen türkischen Einmarsch und der Besetzung Afrins eine vollständige Zerschlagung der autonomen Selbstverwaltung in Nordsyrien durchsetzen wollen. „Ich war vom 15. April bis zum 6. Mai dort in Nordsyrien. Ich habe mit Menschen verschiedener Ethnien und Religionen gesprochen, in Hassakeh, Raqqa oder in Teilen von Aleppo. Alle diese Menschen sind des Krieges müde und wollen Ruhe und Frieden für ihr Land. Am besten ohne Assad. Erdogan und die Islamisten als Alternative wollen sie aber auf keinen Fall“.
In einer Erklärung der Arabischen Liga vom 14. Mai erklärten die arabischen Außenminister ihre Bereitschaft, „Syrien wieder auf seinen Sitz in der Arabischen Liga zu bringen“. Diese Entscheidung fällt nach elfjähriger Abwesenheit vor dem Hintergrund der syrischen Proteste von 2011. Dabei könnte das verheerende Erdbeben in Syrien und der benachbarten Türkei im Februar 2023 den Prozess der Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen Damaskus und seiner regionalen Umgebung beschleunigt haben.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) / 17.05.23
Logo: GfbV