Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die brutale Niederschlagung friedlicher Demonstrationen im Iran, wütende Massenproteste in Sri Lanka, zunehmende Gewalt von Drogenkartellen in Mexiko oder Terrormilizen in Nigeria und Mali: 2022 war kein gutes Jahr die für die Pressefreiheit.
Doch „Wegsehen ist Verrat am Journalismus“, schreibt Niddal Salah-Eldin, Kuratoriumsmitglied von Reporter ohne Grenzen. Die Fotografen und Autorinnen des neuen Bandes „Fotos für die Pressefreiheit 2023“ von Reporter ohne Grenzen, der am 3. Mai erscheint, haben ganz genau hingesehen. In bewegenden Bildern und tiefgreifenden Fotoreportagen erzählen sie, wie Menschen mit Krisen leben oder Ausnahmesituationen meistern müssen, aber dennoch nicht die Hoffnung verlieren.
Der einleitende Faktenteil des Buches beschreibt die Situation in Ländern, in denen die Meinungs- und Pressefreiheit 2022 besonders gefährdet war. Etwa im Iran, in Afghanistan und Brasilien, aber auch in China, in Griechenland und der Türkei. Einen positiven Lichtblick stellt die Entwicklung in Gambia dar, wo dank zahlreicher Reformen wieder mehr Freiräume für Medien sowie Journalistinnen und Journalisten geschaffen wurden.
Die längeren Fotostrecken werden von acht Essays begleitet, in denen Autorinnen und Autoren aus der Ich-Perspektive darüber schreiben, was Fotografinnen und Fotografen bei ihrer Arbeit motiviert, und wie sie auch in schwierigen Situationen ihre Professionalität bewahren.
Der ukrainische Fotojournalist Evgeniy Maloletka dokumentierte 2022 wochenlang die dramatische Lage in der belagerten Hafenstadt Mariupol. Für seine erschütternden Bilder erhielt er den Press Freedom Award 2022 von Reporter ohne Grenzen; sein Bild einer verletzten Schwangeren wurde jüngst zum World Press Photo of the Year gekürt. Die ebenfalls preisgekrönte deutsche Fotografin Nanna Heitmann ist eine von ganz wenigen ausländischen Fotografinnen, die noch in Russland arbeiten. Für ihre Reportage reiste sie nach Dagestan, wo fast jede Familie um einen Angehörigen an der Front bangt.
Der indische Dokumentarfotograf Atul Loke verfolgte intensiv die Wirtschaftskrise im Inselstaat Sri Lanka. Als sich die Wut der Bevölkerung gegen ihre Regierung in gewaltsamen Massenprotesten entlud, war er mittendrin. Im Norden Nigerias wagte sich der Fotojournalist Sodiq Adelakun in Regionen seiner Heimat, in denen massenhafte Entführungen von Schülerinnen und Schülern durch Kriminelle oder Terrorgruppen traurige Realität sind. In seinen Bildern zeigt er das Leid der Eltern, die sich vom Staat allein gelassen fühlen.
In Mexiko terrorisieren konkurrierende Drogenkartelle die Bevölkerung. Der Fotograf Luis Antonio Rojas nähert sich der alltäglichen Gewalt in seinem Land in metaphorischen Bildern an. Sein Kollege Mitar Simikic begleitete über Jahre eine verarmte Familie in seiner Heimat Bosnien und Herzegowina, die vom Müllsammeln lebt. Vor allem erzählt er die Geschichte von Tochter Mila, die für ein besseres Leben kämpft.
Mit der Identität von Kasachstan setzt sich der französische Dokumentarfotograf Frederic Noy auseinander. Über drei Jahre reiste er durch das riesige Land und zeigt eine Gesellschaft zwischen Moderne und Vergangenheit. In ebenfalls sehr kontrastreichen Bildern von futuristischer Architektur und traditionellem Leben stellt der italienische Fotograf Matteo de Mayda die Widersprüche des Lebens in Katar dar, das als Gastgeberland der Fußballweltmeisterschaft sehr umstritten war.
Insgesamt 21 Fotografinnen und Fotografen haben Reporter ohne Grenzen ihre Werke für diese 29. Ausgabe des Bildbandes zur Verfügung gestellt. Reporter ohne Grenzen finanziert sich neben Spenden und Mitgliedsbeiträgen auch durch den Verkauf des Fotobuchs. Der Erlös fließt vollständig in die Pressearbeit und Nothilfe, so wie Anwaltskosten und medizinische Hilfe für verfolgte Journalistinnen und Journalisten.
Reporter ohne Grenzen e.V. (RSF) / 27.04.2023
Foto: RSF