Im Vorfeld der Wahlen hat die türkische Justiz am frühen Dienstagmorgen eine Festnahmeoperation gegen Oppositionelle in 21 Provinzen des Landes durchgeführt. Neben Ankara, Istanbul, Bursa, Osmaniye, Mersin und Izmir wurden Wohnungen und Arbeitsplätze in den überwiegend kurdisch besiedelten Provinzen Amed, Mêrdîn, Sêrt, Çêwlîg, Wan, Şirnex, Êlih, Dîlok, Riha, Mûş, Bedlîs, Colemêrg, Sêwas, Meletî und Semsûr durchsucht. Laut ersten Einschätzungen kam es zu über hundert Festnahmen.
Unter den Festgenommenen befinden sich elf Journalist:innen: Abdurrahman Gök (Redakteur der Nachrichtenagentur Mezopotamya Ajansı, MA), die MA-Korrespondenten Ahmet Kanbal und Mehmet Şah Oruç, Osman Akın (Redakteur der Tageszeitung Yeni Yaşam), Kadri Esen (Konzessionsinhaber der kurdischsprachigen Zeitung Xwebûn und Geschäftsführer der Journalistenvereinigung DFG), Beritan Canözer (Korrespondentin der Frauennachrichtenagentur JinNews) sowie die Journalisten Mehmet Yalçın, Mikail Barut, Salih Keleş, Remzi Akkaya und Arif Akkaya.
Den Journalist:innen wird Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation vorgeworfen, gemeint ist die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die Festgenommenen sollen auf die Polizeidirektion Diyarbakır (ku. Amed) gebracht werden. Ein Rechtsbeistand wird ihnen für zunächst 24 Stunden verweigert. Die Incommunicado-Haft ist ein gängiges Mittel in Verfahren mit angeblichem Terrorismusbezug.
DFG: Wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen!
Die Journalistenvereinigung Dicle Firat (DFG) erklärte zu den Festnahmen, dass das Ziel darin bestehe, kurdische Medien zum Schweigen zu bringen: „Bei Razzien in 21 Provinzen mit Schwerpunkt in Diyarbakır wurden mehr als 100 Personen festgenommen. Bei der Operation wurden zahlreiche Personen – von Journalist:innen über Politiker:innen und Anwält:innen bis hin zu Kunstschaffenden – festgenommen und ihre Einrichtungen durchsucht. Es wurde eine 24-stündige Kontaktsperre angeordnet. Zu den Festgenommenen gehörten Kadri Esen, Geschäftsführer unserer Vereinigung und Konzessionär der Zeitung Xwebûn, sowie die Journalist:innen Abdurrahman Gök, Ahmet Kanbal, Mikail Barut, Mehmet Yalçın, Osman Akın, Mehmet Şah Oruç, Beritan Canözer, Mehmet Yalçın, Salih Keleş, Remzi Akkaya und Arif Akkaya.“
Die Journalistenvereinigung weist darauf hin, dass in den letzten zehn Monaten 27 Kolleginnen und Kollegen bei Operationen gegen kurdische Medien festgenommen und verhaftet wurden: „Wir wissen, dass diese Operation eine Fortsetzung der Operationen ist, die darauf abzielen, die freie Presse und kurdische Journalist:innen zum Schweigen zu bringen.“
Bei den Massenfestnahmen handele es sich eindeutig um eine Maßnahme im Zusammenhang mit den Wahlen am 14. Mai. Die DFG erklärt dazu: „Die freie Presse hat sich seit mehr als 30 Jahren nicht von Bombenangriffen, Massakern und Verhaftungsaktionen unterkriegen lassen und wird sich auch heute nicht unterkriegen lassen! Diese Versuche, die freie Presse zum Schweigen zu bringen, sind sinnlos. Wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen!“
Eingriff in den Wahlkampf
Die Massenfestnahmen werden auch von der Demokratischen Partei der Völker (HDP) als Eingriff der von der Erdogan-Regierung gelenkten Justiz in den Wahlkampf interpretiert. Der Mediengewerkschafter Faruk Eren hat Anfang des Monats vor einer massiven Repressionswelle gegen die Presse im Vorfeld der Wahlen gewarnt und erklärt, dass die Medien in der Türkei mit dem verabschiedeten Zensurgesetz mundtot gemacht werden sollen. Im vergangenen Jahr sind mit zwei großen Operationen in Amed und Ankara 25 Mitarbeiter:innen kurdischer Medieneinrichtungen festgenommen worden, auch ihnen wird PKK-Mitgliedschaft vorgeworfen.