in ,

Das Hinweisgeberschutzgesetz ist enttäuschend

Deutschland

Reporter ohne Grenzen (RSF)

Der Bundestag verabschiedet heute (30.03.) mit den Stimmen der Ampel-Fraktionen ein längst überfälliges Hinweisgeberschutzgesetz zur Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie. (*) Leider verbessert es nur die rechtliche Situation von denjenigen Whistleblowerinnen und Whistleblowern, die bestimmte Rechtsverstöße an eine (organisations-) interne oder an eine externe (staatliche) Meldestelle melden wollen. Der Bedeutung für den Journalismus und damit für die Demokratie wird das Gesetz nicht gerecht.

„Das Gesetz genügt weder dem Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit für Whistleblower noch dem Informations- und Partizipationsanspruch einer demokratischen Gesellschaft“, sagte die Vorsitzende von Whistleblower-Netzwerk, Annegret Falter. „So als seien NSA-Skandal, Missbrauch in der katholischen Kirche, Vernachlässigungen in der Altenpflege oder systematische Steuerhinterziehungsmodelle nicht allein durch Whistleblowing öffentlich verhandelbar geworden.“

Die Ampel-Fraktion will öffentliches Whistleblowing nur in Ausnahmefällen schützen, wenn nicht-öffentliche Meldekanäle nicht reagieren oder wenn eine „unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses“ droht (§32 HinSchG). Hinweise zu Fehlverhalten oder erheblichen Missständen unterhalb der Schwelle eindeutiger Rechtsverstöße fallen, anders als im Koalitionsvertrag vereinbart, nicht in den Schutzbereich des Gesetzes.

„Mit diesem Gesetz scheitert die Ampel-Koalition an ihrem Anspruch, eine Vorreiterrolle beim Schutz von Freiheitsrechten, insbesondere der Pressefreiheit, einzunehmen“, kritisierte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die Regierung hat im Koalitionsvertrag versprochen, dass das besondere öffentliche Interesse ausschlaggebend für den Schutz von Hinweisgebenden sein würde – von diesem Anspruch ist das Hinweisgeberschutzgesetz in seiner aktuellen Form weit entfernt.“

Gesetz ermuntert Unternehmen, sich gegen Whistleblowing zu immunisieren

Erschwerend hinzu kommen die weitgehenden pauschalen Ausschlusstatbestände für den Geheimschutzbereich. Bei Verschlusssachen soll geschütztes Whistleblowing allenfalls intern erfolgen dürfen, Angelegenheiten der nationalen Sicherheit sind vollständig vom Schutzbereich des Gesetzes ausgenommen. Die vorgesehene Regelung schafft damit einen Anreiz, strittige und illegitime Dinge zur Verschlusssache oder Angelegenheit der nationalen Sicherheit zu erklären und so gegen Whistleblowing zu „immunisieren“. Bereits jetzt werden in Ermangelung klarer Vorgaben und unabhängiger Kontrollen unverhältnismäßig viele Informationen als Verschlusssache eingestuft und so der journalistischen und öffentlichen Kontrolle entzogen.

Dabei geben Whistleblowerinnen und Whistleblower oft den Anstoß zu kritischen Recherchen. Durch ihre Zusammenarbeit mit Journalistinnen und Journalisten erfährt die Gesellschaft oft erst von politischen und wirtschaftlichen Skandalen, Machtmissbrauch und staatlichem Kontrollversagen. Sie enthüllen, wo Regelungslücken bestehen und wo geltendes Recht technischen, sozialen und politischen Entwicklungen hinterherhinkt. Whistleblowerinnen und Journalisten stärken so den öffentlichen Diskurs und ermöglichen es, Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen und Missstände abzustellen. Auch der Europäische Menschengerichtshof (EGMR) hat dies erkannt und in seiner bahnbrechenden Entscheidung im Fall des LuxLeaks-Whistleblowers Raphaël Halet am 14. Februar 2023 das erhebliche öffentliche Interesse an der Offenlegung derartiger Informationen betont.

Whistleblower-Netzwerk und Reporter ohne Grenzen hoffen, dass auch nach der Verabschiedung des Hinweisgeberschutzgesetzes das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Der Bundestag hat die Bundesregierung in seinem Beschluss vom 16. Dezember 2022 aufgefordert, weitere Aspekte des Hinweisgeberschutzes in einem neuen Gesetzgebungsprozess aufzugreifen. Dies böte, ebenso wie die von EU-Richtlinie vorgesehene Evaluation der nationalen Umsetzungsgesetze (Art. 27 HinSch-RL), die Möglichkeit, die Mängel des Hinweisgeberschutzgesetzes zu beheben und für einen wirklich umfassenden Whistleblowerschutz zu sorgen.

(*) : Für heute angesetzte Verabschiedung des Gesetzes ist durch den Bundestag kurzfristig von der Tagesordnung der heutigen Sitzung gestrichen worden.

Reporter ohne Grenzen e.V. / 30.03.2023

Logo: RSF

What do you think?

10k Points
Upvote Downvote

Uzmanından Depremzede Çocuklar için ‚Psikolojik Destek‘ Önerileri

Milas-Bodrum Havalimanı, sezonun ilk dış hat uçuşunu karşıladı