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Bazîd: Angeblicher Suizid in Polizeizelle

Tod in Haft

Ein dreifacher Vater aus Bazîd streitet vor einer Moschee mit einem Imam und wird aufs Revier gebracht. Kurz darauf ist er tot. Offiziell soll sich der Kurde mit seiner Strickjacke selbst stranguliert haben. Die Familie glaubt nicht an die Suizidtheorie.

Ein 37-Jähriger aus der Stadt Bazîd (tr. Doğubayazıt) in der kurdischen Provinz Agirî streitet vor einer Moschee mit einem Imam. Die hinzugerufene Polizei bringt beide Männer auf das örtliche Polizeipräsidium. Dort geht die Diskussion weiter. Der Mann landet in einer Gewahrsamszelle, weil er dem Geistlichen eine Ohrfeige verpasst haben soll. Kurz darauf ist er tot. Er soll sich mit seiner Strickjacke selbst stranguliert haben – so jedenfalls die offizielle Version.

Der Fall, den die Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) öffentlicht machte, ereignete sich am Freitag. Bei dem Toten handelt es sich um Ahmet Bugrur, Vater von drei Kindern. Sein Bruder Resul Bugrur schilderte gegenüber MA: „Wir wissen nicht, was den vermeintlichen Streit mit dem Imam ausgelöst haben könnte. Gegen 8 Uhr erhielt ich einen Anruf aus dem Präsidium. Man teilte mir mit, dass Ahmet in Gewahrsam genommen worden sei. Umgehend begab ich mich dorthin, aber kein einziger der Beamten gab mir Auskunft. Um etwa 10 Uhr trafen weitere Familienmitglieder und Verwandte vor dem Präsidium ein. Wir warteten auf Informationen zu den Festnahmegründen meines Bruders. Rund 30 Minuten vergingen, dann fuhr ein Krankenwagen vor. Eine weitere halbe Stunde später traf ein Leichenwagen ein. Kurz darauf erhielten wir die Auskunft, dass Ahmet sich mit seiner Strickjacke erhängt hätte.“

Die Angehörigen von Bugrur verlangten daraufhin, mit den diensthabenden Beamten zu sprechen und Aufnahmen der Überwachungskameras im Revier sowie Gewahrsamsbereich zu sichten. „Die Polizei gab an, dass in dem Bereich zum Zeitpunkt des Vorfalls keine Beamten im Dienst gewesen seien“, sagt Resul Bugrur. Die Einsicht in die Videoaufnahmen sei ohne Angabe von Gründen abgelehnt worden. „Ein Sanitäter, mit dem wir sprechen konnten, sagte uns lediglich, dass Ahmet schon tot war, als der Rettungswagen eintraf. Zudem konnten wir erfahren, dass eine Person, die sich zum Zeitpunkt des Vorfalls in der benachbarten Zelle befunden haben soll, Hals über Kopf weggebracht wurde.“ Um wen es sich dabei handelt, ist unklar.

Die Gewahrsamszelle, in der sich Ahmet Bugrur das Leben genommen haben soll, wurde „nach dem Auffinden des Opfers“ durch die Spurensicherung untersucht, hieß es von Seiten des Polizeipräsidiums in Bazîd. Der Leichnam des Kurden wurde zwecks Obduktion in die Gerichtsmedizin des Lehr- und Forschungskrankenhauses der Provinzhauptstadt Agirî gebracht. „Auch wenn Prellungen und Blutergüsse am Hals festgestellt worden sind, konnte keine eindeutige Todesursache ermittelt werden“, heißt es im vorläufigen Autopsiebericht, den MA einsehen konnte. Für die Klärung des Sterbegrunds soll nun das Institut für Rechtsmedizin in Amed (Diyarbakır) sorgen.

Ahmet Bugrur wurde gestern Abend auf dem Koçkıran-Friedhof in Bazîd beigesetzt. Seine Familie, die nicht an die präsentierte Selbstmordthese glaubt, hat indes Anzeige gegen die türkische Polizei erstattet. „Selbst wenn mein Bruder Suizid begangen hat – was niemand aus unserer Familie glauben mag – ist es unbestritten, dass die Beamten gemäß ihrer Fürsorgepflicht dazu verpflichtet gewesen wären, den Selbstmord, sofern er denn stattgefunden hat, verhindern.“

Mindestens 435 Todesfälle in 25 Jahren durch Polizei

Die Stiftung Baran Tursun, eine gemeinnützige Organisation mit Sitz im westtürkischen Izmir, hat seit 2007 hunderte Todesfälle in Gewahrsam beziehungsweise durch Polizeigewalt dokumentiert. Ahmet Bugrur ist laut ihrer Statistik „Fall Nummer 435“. Die Stiftung vermutet allerdings eine weit höhere Dunkelziffer, da nicht alle Fälle bekannt werden.

ANF

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