Rechtsextreme und islamistische Gruppierungen wie die IHH [„Stiftung für Menschenrechte, Freiheiten und Humanitäre Hilfe“] bekommen über die angebliche Erdbebenhilfe durch das Regime Zugriff auf Waisen in der Türkei und Nordkurdistan. Das türkische Ministerium für Familie und Soziales unterstrich, die Erdbebenwaisen befänden sich in „sicheren Händen“. Recherchen von Halk TV zufolge sind sie in Gebäuden der den Grauen Wölfen nahestehenden islamistischen Stiftung IHH untergebracht.
Ministerium: „Die Kinder sind in sicheren Händen“
Den Recherchen waren Berichte vorausgegangen, dass Erdbebenwaisen auf dem Weg ins Krankenhaus bzw. nach ihrer Behandlung „entführt“ worden seien. Daraufhin erklärte das Ministerium für Familie und Soziales am 13. Februar: „Unser Ministerium ist die einzige verantwortliche Einrichtung für unbegleitete Minderjährige, deren Familien in der Erdbebenregion bisher nicht erreicht werden konnten. Die Kinder sind in sicheren Händen.“ Der Verein „Kinder und Frauen zuerst“ erhielt jedoch weitere Berichte, die den Aussagen des Ministeriums widersprechen. Demnach wurden Erdbebenwaisen oder Kinder, deren Eltern bisher nicht gefunden wurden, in religiösen Orden oder islamistischen Sekten untergebracht. Bei diesen Sekten handelt es sich, obwohl sie de facto Fortsätze des Regimes sind, um keine staatlichen Einrichtungen. Weiterhin wurde bekannt, dass 60 Kinder in Unterkünften im Viertel Çavuşbaşı im Istanbuler Stadtteil Beykoz untergebracht wurden.
Verein erstattet Anzeige
Am Mittwoch reichte der Verein „Kinder und Frauen zuerst“ bei der Generalstaatsanwaltschaft Antalya eine Strafanzeige wegen „Entführung und Festhalten von Kindern“ und „Entziehung der persönlichen Freiheit“ ein. Die Anzeige wurde an die Generalstaatsanwaltschaft Istanbul-Beykoz weitergeleitet. Der Verein untermauert seine Anzeige mit Videobeweisen. Die Vereinigung Progressiver Jurist:innen teilte außerdem mit, dass ihr eine Anzeige vorliege, die den ernsthaften Verdacht nahelege, dass Erdbebenopfer und Waisenkinder an eine Vereinigung übergeben worden seien, die möglicherweise mit Sekten in Verbindung stehe.
Kinder in IHH-Wohnungen untergebracht
Im Anschluss an die Strafanzeige und die an das Ministerium gerichteten Beschwerden suchte das Ministerium für Familie und Soziales zusammen mit Polizeieinheiten ein Gebäude in Istanbul-Beykoz auf. Dabei stellte sich heraus, dass das Gebäude der IHH gehört, die für ihre engen Beziehungen zur Regierung bekannt ist und wegen der Lieferung von Waffen an paramilitärische Gruppen, unter anderem an den IS in Syrien, in die Schlagzeilen geraten ist. Die IHH hatte die Lieferung von Waffen an den IS für den türkischen Geheimdienst MIT übernommen.
Ministerium: Unterbringung bei IHH kein Problem
Anschließendwurde erklärt, dass 20 erdbebenbetroffene Kinder und sieben Mütter aus dem Bezirk Kırıkhan in Hatay dort untergebracht seien und das Ministerium für Familie und soziale Dienste die Kinder regelmäßig besuche. Das Ministerium erklärte, dass die Kinder aus Syrien stammten und es kein Problem gebe. Das Vorgehen der Regierung weckt jedoch düstere Erinnerungen. So wurden in systematischen Assimilationskampagnen seit den 1930er Jahren immer wieder Kinder aus kurdischen und alevitischen Familien verschleppt und an türkisch-nationalistische Familien zur Umerziehung übergeben. Viele dieser Verschleppten wissen bis heute nicht, was ihnen angetan wurde.
Dschihadistenhelfer der IHH unterrichten in Berlin Islamkunde und sammeln Geld
Die IHH gehört zur islamistischen Milli-Görüş-Bewegung, die unter anderen in Bundesländern wie Berlin an Schulen Islamkunde-Unterricht anbietet und eine Synthese aus den rechtsextremen Grauen Wölfen und islamistischen Strömungen darstellt. In vielen Gebieten in Deutschland sammelt die Organisation Spenden.
Zuletzt war die IHH durch ihre Befreiungsversuche von IS-Dschihadistinnen aus dem Internierungslager Camp Hol in Nordsyrien in die Schlagzeilen geraten. Immer wieder berichten internierte IS-Dschihadisten, wie sie mit Hilfe der IHH rekrutiert wurden. Besonders bekannt wurde die IHH, als eine Waffenlieferung an den IS aufflog. Im Januar 2014 ließ die Staatsanwaltschaft der Provinz Hatay einen Hilfsgütertransport Richtung Syrien stoppen. Es lagen Hinweise auf Waffenschmuggel vor. Der Provinzgouverneur schaltete sich persönlich ein und untersagte die Durchsuchung der LKW. Die Lastwagen waren jedoch bereits geöffnet und ein Blick auf die Ladung verriet, dass hier schwere Waffen, Raketen und Mörsergranaten in die vom IS kontrollierten Gebiete transportiert werden sollten. Ein Agent des türkischen Geheimdienstes MIT, der das Fahrzeug zusammen mit dem zuständigen IHH-Regionalmanager begleitete, verbot die weitere Durchsuchung.