Etwa 12.000 ukrainische und ausländische Journalistinnen und Journalisten haben seit dem 24. Februar 2022 eine Akkreditierung erhalten, um über den Krieg in der Ukraine zu berichten. Viele von ihnen riskierten ihr Leben, um die Geschehnisse zu dokumentieren. Sie berichteten aus stark umkämpften Gebieten, manche wurden gezielt von russischen Streitkräften angegriffen. Ukrainische Medien wurden massiv in ihrer Arbeit eingeschränkt. Besonders alarmierend ist die Situation für Medienschaffende in den von Russland besetzten Gebieten. Ein Jahr nach Beginn des groß angelegten Angriffs auf die Ukraine haben Reporter ohne Grenzen (RSF) und die ukrainische Partnerorganisation Institute of Mass Information (IMI) die Gewalt gegen Medienschaffende und die Anstrengungen zu ihrer Unterstützung in Zahlen gefasst.
8 Medienschaffende getötet
Acht Medienschaffende wurden seit Beginn des groß angelegten Angriffskrieges in der Ukraine bei der Ausübung ihrer Arbeit getötet – und zwar vor allem in den ersten drei Monaten des Krieges. Die meisten von ihnen starben bei Schusswechseln oder erlagen den dabei erlittenen Verletzungen. Zu ihnen gehört der französische Journalist Frédéric Leclerc-Imhoff, der in einem Lastwagen unterwegs war, als dieser von russischen Streitkräften beschossen wurde. Andere, wie der ukrainische Fotojournalist Maxim Lewin oder die russische Journalistin Oksana Baulina, wurden gezielt ermordet. Einige Fälle, darunter der des litauischen Dokumentarfilmers Mantas Kvedaravicius, der Anfang April in Mariupol tot aufgefunden wurde, sind nach wie vor nicht aufgeklärt.
26 Medienschaffende gezielt beschossen
Seit dem 24. Februar 2022 registrierte RSF insgesamt 50 Fälle, in denen Medienschaffende unter Gewehr- oder Artilleriebeschuss gerieten. Mehr als die Hälfte, mindestens 26 von ihnen, wurde gezielt beschossen.
19 Medienschaffende verletzt
19 ukrainische und ausländische Journalistinnen und Journalisten wurden seit dem 24. Februar 2022 verwundet, mindestens vier von ihnen schwer. Die meisten wurden Opfer von russischem Artilleriebeschuss oder von Raketeneinschlägen, andere wurden gezielt beschossen. Zu ihnen gehören die dänischen Journalisten Stefan Weichert und Emil Filtenborg Mikkelsen, die am 26. Februar 2022 im Nordosten der Ukraine von einem bisher nicht identifizierten Scharfschützen ins Visier genommen wurden.
16 Fernsehtürme aus der Luft angegriffen
Bevorzugte Ziele der russischen Streitkräfte sind Infrastruktur und Gebäude, die der Übertragung von Nachrichten und Informationen dienen. RSF und IMI zählten im vergangenen Jahr insgesamt 16 Angriffe auf Fernsehtürme, fast die Hälfte davon in den ersten Kriegstagen Anfang März 2022.
Auch Repeater-Antennen und andere Infrastruktur, die für die Übertragung von Nachrichten genutzt wird, nahmen die russischen Streitkräfte ins Visier. Als russische Soldaten in die Stadt Melitopol im Süden der Region Saporischschja eindrangen, übernahmen sie die Kontrolle über die zentrale Fernsehantenne und unterbrachen die Ausstrahlung ukrainischer Fernsehprogramme. Dreimal wurde das Satellitensignal von UA Perschiy, einem Kanal der öffentlich-rechtlichen Rundfunkgruppe Suspilne, unterbrochen. Zudem brachten die russischen Streitkräfte die Internet- und Mobilfunkanbieter in den besetzten Gebieten unter ihre Kontrolle und schnitten die Bevölkerung so von unabhängigen Nachrichten und Informationen ab.
7 Klagen wegen Kriegsverbrechen
RSF hat beim Internationalen Strafgerichtshof und beim ukrainischen Generalstaatsanwalt sieben Klagen wegen Kriegsverbrechen eingereicht, und zwar wegen insgesamt 44 Gewalttaten und Übergriffen gegen mehr als 100 Medienschaffende sowie elf Radio- und Fernsehtürme in der Ukraine. Diese Verbrechen zeigen, dass die russischen Streitkräfte ihren Krieg auch gegen die freie Verbreitung von Nachrichten und Informationen führen.
42 Cyber-Straftaten gegen Medien
Der Informationskrieg wurde auch online geführt, mit Cyberangriffen, Hacks, Drohungen in den sozialen Medien und Angriffen auf Medienseiten. Im vergangenen Jahr registrierte das Institute of Mass Information (IMI) mindestens 42 Cyber-Straftaten. Beim jüngsten Cyberangriff auf die Website der ukrainischen Nachrichtenagentur Ukrinform Mitte Januar wurden Hacker verdächtigt, die mit dem russischen Militärgeheimdienst GRU in Verbindung stehen.
217 Medien geschlossen
Insgesamt 217 ukrainische Medien mussten seit dem 24. Februar 2022 ihre Arbeit einstellen, unter anderem wegen Versorgungsproblemen, dem Verlust von Abonnentinnen und Werbekunden, weil Redaktionen zerstört wurden oder weil Personal fehlte, nachdem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Ausland geflohen oder zur Armee eingezogen worden waren. Laut einer Umfrage von IMI, der Partnerorganisation von RSF in der Ukraine, wurden 15 Prozent aller Medienschaffenden entlassen oder arbeiten derzeit ohne Bezahlung.
Umfassende Unterstützung unabhängiger Medien
750 Medienschaffende mit Schutzausrüstung ausgestattet
Bereits wenige Tage nach Beginn der russischen Invasion eröffneten RSF, das IMI, die Nationale Journalistenunion der Ukraine (NUJU) und weitere lokale Organisationen am 11. März 2022 ein Zentrum für Pressefreiheit im westukrainischen Lwiw. Wenig später folgte ein weiteres Zentrum zur Unterstützung in- und ausländischer Medienschaffender in Kyjiw. An beiden Orten wurden seither fast 750 Journalistinnen und Journalisten aus 36 Ländern (hauptsächlich aus der Ukraine) mit individueller Schutzausrüstung ausgestattet, darunter kugelsichere Westen, Helme und Erste-Hilfe-Kästen.
91 Medien mit Stromquellen versorgt
Um den durch russische Angriffe auf die Energieinfrastruktur verursachten Strommangel auszugleichen, versorgte RSF 91 Medien in 14 Regionen der Ukraine mit Generatoren und anderen Stromversorgungsgeräten, damit sie ihren Betrieb aufrechterhalten können.
Finanzhilfe für 28 Medien
Damit sie ihre Arbeit fortsetzen können, wurden 28 unabhängige ukrainische Medien, deren Arbeit durch den Krieg sehr stark eingeschränkt wurde, mit finanziellen Zuschüssen unterstützt.
288 Medienschaffende geschult
Insgesamt wurden bisher 288 Journalistinnen und Journalisten in physischer und psychischer Sicherheit sowie in Erster Hilfe geschult. Ein Sicherheitsleitfaden für Medienschaffende wurde ins Ukrainische übersetzt. Tausende gedruckter Exemplare wurden verteilt, die ukrainische Version ist weiterhin online abrufbar. Laut einer IMI-Umfrage vom Dezember 2022 leiden nicht weniger als 90 Prozent der ukrainischen Journalistinnen und Journalisten unter Stresssymptomen.
129 Medienschaffende finanziell unterstützt
In Zusammenarbeit mit lokalen Partnern hat RSF 129 ukrainische Medienschaffende, darunter 86 Frauen, individuell finanziell unterstützt. Reporter ohne Grenzen wird diese Unterstützung auch im kommenden Jahr fortsetzen.
Die Arbeit der Pressefreiheitszentren in Lwiw und Kyjiw wird unterstützt von der Europäischen Kommission, der Tides Foundation, der Vertretung von Taipeh in Frankreich, der Open Society Foundations, der Fondation de France, dem Institute of Mass Information (IMI), dem Rathaus von Lwiw, dem Medienzentrum der Ukraine und von Bioport Humanitarian Logistics.
Reporter ohne Grenzen (RSF) / 21.02.2023
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