Die EU hat bei der Welthandelsorganisation beantragt, dass WTO-Panels zur Regelung von zwei Handelsstreitigkeiten mit China eingesetzt werden. Die erste Streitigkeit betrifft Handelsbeschränkungen, die China im Dezember 2021 gegen Ausfuhren aus Litauen und gegen Ausfuhren aus der EU mit litauischen Bestandteilen eingeführt hat. Gegenstand der zweiten Streitigkeit ist eine Maßnahme Chinas, durch die europäische Inhaber von High-Tech-Patenten daran gehindert werden, bei Gerichten in der EU ihre Rechte wirksam zu schützen und durchzusetzen. Der Schaden, der für europäische Unternehmen aufgrund der von China verhängten Maßnahmen entsteht, ist in beiden Fällen enorm. Ein Versuch der EU, die Streitigkeiten im Rahmen eines Konsultationsprozesses zu lösen, war nicht erfolgreich.
Valdis Dombrovskis, Exekutiv-Vizepräsident und Handelskommissar sagte: „China ist ein wichtiger Handelspartner der EU und beide Seiten ziehen aus dieser Partnerschaft einen eindeutigen wirtschaftlichen Nutzen. Gute Partner gehen miteinander respektvoll um und sollten die Spielregeln einhalten. Wir müssen daher für unsere Rechte eintreten, wenn China gegen globale Handelsregeln verstößt oder einem EU-Mitgliedstaat gegenüber wirtschaftlichen Druck ausübt und dadurch den Binnenmarkt in Mitleidenschaft zieht. Wir hätten diese wichtigen und für das System bezeichnenden Streitigkeiten lieber im Rahmen eines Konsultationsprozesses beigelegt und haben dafür – vergeblich – viel Zeit aufgewendet. Daher bleibt uns keine andere Wahl, als die Einsetzung dieser WTO-Panels zu beantragen.“
Die diskriminierenden chinesischen Maßnahmen gegenüber Litauen beeinträchtigen den Handel und die Lieferketten innerhalb der EU und wirken sich – unter anderem durch erzwungene Marktanpassungen – negativ auf das Funktionieren des EU-Binnenmarkts aus. Die Aufhebung dieser Maßnahmen liegt sowohl im wirtschaftlichen als auch im strategischen Interesse der EU.
Handel zwischen Litauen und China aufgrund der chinesischen Maßnahmen um 80 Prozent zurückgegangen
Seit Dezember 2021 wendet China gegen Ausfuhren aus Litauen sowie bei Ausfuhren von EU-Waren mit litauischen Bestandteilen diskriminierende Maßnahmen und auch Zwangsmaßnahmen an. Dementsprechend wurden Einfuhren aus Litauen von den chinesischen Zollbehörden abgewiesen, Einfuhrbeschränkungen für multinationale Unternehmen, die Inputs aus Litauen nutzen, eingeführt und die chinesischen Ausfuhren nach Litauen reduziert. Außerdem hat China im Rahmen derselben Maßnahmen unerwartet die Einfuhr von Alkohol, Rindfleisch, Milchprodukten, Holzstämmen und Torf aus Litauen vollkommen verboten und hierfür pflanzenschutzrechtliche Gründe ins Treffen geführt. China wurde um weitere Erläuterungen ersucht, konnte aber nicht belegen, dass diese Verbote gerechtfertigt waren. Aus den chinesischen Zollstatistiken geht hervor, dass der Handel zwischen Litauen und China zwischen Januar und Oktober 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 80 Prozent zurückgegangen ist.
Durch die Beantragung der Einsetzung eines WTO-Panels verteidigt die EU ihre Mitgliedstaaten gegen die diskriminierenden Maßnahmen Chinas, die nach Auffassung der EU gegen die WTO-Regeln verstoßen.
Chinesische Prozessführungsverbote als „Maulkorb“ für Inhaber von High-Tech-Patenten
Im August 2020 haben chinesische Gerichte damit begonnen, sogenannte Prozessführungsverbote auszusprechen. So werden Unternehmen, die High-Tech-Patente („standardessenzielle Patente“) besitzen, daran gehindert, zum wirksamen Schutz ihrer Technologien Gerichte außerhalb Chinas anzurufen, etwa Gerichte in der EU. Dadurch ist die Möglichkeit von Inhabern von High-Tech-Patenten (zum Beispiel eines europäischen Unternehmens, das Mobiltelefontechnologie besitzt), sich zwecks Beilegung eines Rechtsstreits mit einem möglichen Lizenznehmer (etwa einem chinesischen Mobiltelefonhersteller) an ein Gericht der EU zu wenden, in unzulässiger Weise eingeschränkt. Ein Verstoß gegen diese Prozessführungsverbote kann Geldbußen von bis zu 130 000 Euro pro Tag nach sich ziehen.
Europäische Unternehmen besitzen eine Reihe von High-Tech-Patenten, die der EU einen technologischen Vorsprung verschaffen. Die chinesische Maßnahme nimmt europäischen High-Tech-Unternehmen de facto die Möglichkeit, ihre Patentrechte innerhalb der EU oder vor einem anderen Gericht außerhalb Chinas auszuüben und durchzusetzen. Bei Fragen zu EU-Patentrechten sollten die Gerichte der EU entscheiden. Chinesische Hersteller haben ihrerseits die Einführung dieser Prozessführungsverbote gefordert, um Patentinhaber dazu zu drängen, ihnen einen günstigeren Zugang zu europäischer Technologie zu gewähren.
Die EU ist der Auffassung, dass die chinesischen Maßnahmen nicht mit dem WTO-Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Übereinkommen) vereinbar sind. Mit diesen Prozessführungsverboten begünstigt China die eigenen Unternehmen einseitig, was sich nachteilig auf das multilaterale System der WTO zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums auswirkt. Durch die Beantragung der Einsetzung eines WTO-Panels möchte die EU sicherstellen, dass die High-Tech-Industrie in der EU ihre Patentrechte wirksam wahrnehmen kann, um Investitionen in Innovationen zu schützen.
EU-Kommission / 07.12.2022
Foto: EU-Kommission