Der Anteil von Menschen mit Energieschulden in der Sozialberatung der Caritas hat sich innerhalb von drei Jahren verdoppelt. Auch Mietschulden, Wohnprobleme und finanzielle Schwierigkeiten kommen als Grund für die Beratung häufiger vor – Wohnprobleme betreffen dieses Jahr nahezu einen Drittel der Ratsuchenden und „finanzielle Schwierigkeiten“ knapp die Hälfte (46%). Das ergab eine Erhebung in den Beratungsstellen der Allgemeinen Sozialberatung, die jedes Jahr an einem bestimmten Tag im September durchgeführt wird.
„Die 478 Bratungsstellen der Allgemeinen Sozialberatung sind die erste Anlaufstelle für Menschen, die soziale Probleme haben und mit irgendetwas nicht zurechtkommen. Sie sind ein verlässlicher Seismograph der Probleme und Notlagen im Land“, kommentiert Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. „Viele Probleme sind ‚alte Bekannte‘, etwa Schulden oder Probleme mit dem Jobcenter. Aber die Bedeutung anderer Probleme nimmt zu: Die Wohnsituation, belastend hohe Mieten und Heizkosten bringen immer mehr Menschen in Bedrängnis. Energieschulden kommen immer häufiger vor – ein Trend, der bereits vor Februar 2022 einsetzte, durch die geopolitisch beeinflussten Energiepreisentwicklungen aber an Tempo gewonnen hat.“
Im Jahr 2019 waren am Stichtag Energieschulden für 4,8% der Ratsuchenden ein Grund für den Besuch der Beratungsstelle, in diesem Jahr lag der Anteil bei 10,8%. Mietschulden waren in diesem Jahr bei 9,6% der Klientinnen und Klienten ein Beratungsgrund. „Wohnprobleme“ sind in 30,8% der Beratungsfälle Thema, etwa Konflikte mit dem Vermieter oder eine Wohnung, die aufgrund ihrer Größe oder mangelnder Barrierefreiheit nicht mehr bedarfsgerecht ist.
Behördensprache für viele unverständlich
Mit 42% ist die Zahl der Ratsuchenden, die wegen „Sprachprobleme im Umgang mit den Behörden“ in die Beratung kommen, auffällig hoch. Das kann bei einigen daran liegen, dass sie (noch) nicht über genug Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen. Da aber nur 22% der Klientinnen und Klienten „Sprachprobleme im Alltag“ haben, ist die Differenz auf die lebensweltferne Sprache zurückzuführen, die Behörden verwenden. Für viele Menschen, egal welcher Herkunft und Nationalität, ist diese schlichtweg unverständlich.
„Der Staat kann die Menschen nicht gut unterstützen, sie weder fördern noch fordern, wenn er eine Sprache spricht oder schreibt, die sie nicht verstehen“, so die Caritas-Präsidentin. Responsivität als Anforderung der Vereinten Nationen an „gute Verwaltung“ setze aber voraus, dass sich Verwaltungshandeln am Empfängerhorizont orientiert.
Nutzung des 9-Euro-Tickets
Die Erhebung der Caritas-Sozialberatung hat 2022 auch erhoben, welcher Anteil der Ratsuchenden im Sommer das Angebot des 9-Euro-Tickets genutzt hat. Knapp 55% haben sich das Ticket besorgt, 33% haben berichtet, dass sie das „nicht brauchen“. Für 11% der Ratsuchenden hat sich das Ticket nicht gelohnt, „weil der ÖPNV zu schlecht ist“.
„Mehr als die Hälfte der Menschen in unseren Sozialberatungsstellen hat das 9-Euro-Ticket erworben. Das ist ein Riesenerfolg und verweist auf die Attraktivität öffentlichen Nahverkehrs gerade auch für Menschen, die mit dem Alltag zu kämpfen haben“, kommentiert die Caritas-Präsidentin. „Mobilität ist eine Grundvoraussetzung für Teilhabe, eine gute ÖPNV-Infrastruktur und ein attraktives Tarifsystem sind daher heute elementar wichtig für eine soziale Politik.“