Ein vielschichtiger dokumentarischer Blick auf den Alltag einer schwarzen Frauen-Antiwilderer-Einheit im Krüger Nationalpark in Südafrika – ehrlich, klug und reflektiert.
Die „Black Mambas“ werden als rein weibliche Einheit im Kampf gegen die Wilderer im Krüger Nationalpark eingesetzt. Der Dokumentarfilm in der Regie von Lena Karbe begleitet die schwarzen Frauen, die sich dieser Einheit anschließen, in ihrem Arbeits- und Lebensalltag und zeigt die Probleme auf, mit denen die Frauen konfrontiert sind. Mit der Vielfalt und der hohen Relevanz der Themen macht der Dokumentarfilm ein großes Spannungsfeld auf und liefert lohnenswerte Einblicke in eine fremde, ungeschminkt authentische Lebensrealität.
Nach und nach lernt man die Frauen kennen, die Lene Karbe und ihr Team in ihrem Film über einen Zeitraum von über zwei Jahren begleitet haben. Dabei sieht man die jungen Frauen nicht nur im Rahmen ihrer Arbeit für die „Black Mambas“. Karbe interviewt sie zu Hause, bei ihrer Familie, in ihrem Alltag. Und gerade hier offenbart sich, wie viel die Frauen in Südafrika generell zu schultern haben. Die große Arbeitslosigkeit der Männer, die hohe Verantwortung der alleinverdienenden Frauen für die Familie – das alles entpuppt sich als Last. Dass sie von dem Begründer der Black Mambas, der den Kolonialismus kritisiert und sich mit seinen Äußerungen oftmals selbst als kolonialistischer Weißer mit großem Macht- und Herrschaftsbewusstsein offenbart, schlecht und herablassend behandelt werden, ist ein kluger und subtiler Kommentar auf den alltäglichen Rassismus im eigenen Land, der sich auch in den scheinbar „eigenen Reihen“ versteckt. Der Krüger Nationalpark liefert eine wunderbare Kulisse für großartige und beeindruckende Bilder, die sich aber fernhalten von verkitschten Postereindrücken und die ein authentisches Gefühl für das echte Südafrika vermitteln. Eine dokumentarische Leistung, die gerade als Langfilmdebüt mehr als beeindruckt.
Jury-Begründung / Prädikat besonders wertvoll
Wir sehen zunächst ein Schild an einem Zaun, der ein Gebiet abgrenzt: „Black Mambas – Abstand halten“. Eine Warnung vor Giftschlangen? Junge Südafrikanerinnen, Angehörige der schwarzen Bevölkerung, patrouillieren am Grenzzaun. Es geht darum, Wilderer aus einem Wildtierpark fernzuhalten. Überhaupt sehen wir viele Grenzzäune in diesem Film. Die jungen Frauen werden ausgebildet, von Weißen, mit militärischem Drill. Eine der Frauen wird portraitiert. In ihrem ersten Statement in häuslicher Umgebung betont sie die Unabhängigkeit, die ihr der Job verschafft. Es gibt viel Arbeitslosigkeit rund um den Kruger-Nationalpark, sehr viel. Zurück im Park. Der Gründer der Black Mambas – wir wissen jetzt, es handelt sich um eine weibliche Anti-Wilderei-Einheit – testet seine ‚Schützlinge‘ mit Schüssen in der Nacht. Prompt erfolgt die Meldung: Alles richtig gemacht. Der zweite Ausbilder, ein älterer, weißer Südafrikaner, spricht von den Wilderern, die angeblich das Verbrechen im Herzen tragen…
Lena Karbes Film lenkt den Zuschauer von Beginn an zu einer Einordnung des Gezeigten. Klare, auf den Punkt gebrachte Situationen und Bilder beschreiben uns die Umstände bezüglich der in den vergangenen Jahren sich zuspitzenden Wilderei im Kruger-Nationalpark. Doch sehr bald wird uns bewusst, das Problem und seine Eindämmung hat zahlreiche Facetten. Es umfasst übergeordnet die mangelnde Teilhabe der schwarzen Bevölkerung, hier mit dem Augenmerk auf die Einwohner rund um den Park, die auf der anderen Seite des Zauns leben und zu keiner Zeit angemessen von den Einnahmen des Parks profitieren konnten. Ein Tierschutzprojekt aus Kolonial- bzw. Apartheidszeiten, das sich – so offenbart es der Film mehr und mehr – noch nicht in die heutige Zeit transformiert hat, muss fast zwangsläufig mit den Ansprüchen der bisher Ausgeschlossenen kollidieren. Allein das rührt am Verständnis von Artenschutz des westlich sozialisierten Zuschauers. Doch im eigentlichen Fokus dieser Dokumentation stehen die Frauen, die sich in dieser Verflochtenheit in einem quasi verstärkten Dilemma wiederfinden.
Die Anstellung ist für die drei in dem Film portraitierten ‚Black Mambas‘ nicht bloß ein Job, er bringt sie mehrheitlich in die Situation, ihre Familien zu ernähren. Das zerrt gewaltig an den überkommenen Rollenbildern. Trotz wirtschaftlicher Not, die meisten Männer sind arbeitslos, gibt es eine Art Rechtfertigungszwang, sich über den Job mehr für ihr eigenes Leben zu erhoffen und dabei auch noch die Sinnhaftigkeit des Tierschutzes zu vermitteln. Die Pandemie und mit ihr die ausbleibenden Touristen im Park schafft zusätzlichen wirtschaftlichen Druck und trägt auch nicht zur Entschärfung der Gegensätze bei.
In den täglichen Auseinandersetzungen mit den weißen Vorgesetzten und Gründern der Black Mambas-Einheit wird die ganze Widersprüchlichkeit von Hautfarbe-bezogenen Machtverhältnissen, anachronistischem Geschlechter-Rollenverständnis, akutem Eigeninteresse und andererseits zaghaften Ansätzen, die Frauen (aus der Umgebung) im besten Sinne zu empowern, besonders deutlich.
Eine Situation bereits gegen Ende der Dokumentation wirkt vor diesem Hintergrund wie eine herausragend arrangierte Szene in einem bestechenden Film-Drama: Als der Gründer der Gruppe die für eine der Frauen langersehnte Beförderung zur Tour-Guide-Ausbildung verkündet, lässt er die ganze Truppe in der Hitze militärischen Drill spüren, von der man sich als Zuschauer schon die ganze Zeit fragt, was, außer Macht-demonstration, soll dieser Drill bei dieser Einheit bewirken? Im Mittelpunkt steht jedoch das pathetische Andenken an einen vor Jahren umgekommenen Mitarbeiter, einem Hund. Alle müssen zeigen, dass sie diesem gleichwertigen Ex-‚Kollegen‘ ihre Wertschätzung entgegenbringen. Erst dann gibt es zur ‚Belohnung‘ zweier Frauen und zum Ansporn der anderen die Ankündigung, wer in den Kern des Nationalparks vordringen darf, um reichen weißen Touristen die Tierwelt nahezubringen, noch dazu inmitten ausschließlich weißer KollegInnen.
Aus einem althergebrachten Rollenverständnis heraus sollen die Frauen ‚Werte‘ in den Park einbringen, mehr gedacht als Signal an die Wilderer da draußen, die von derselben Seite des Zauns stammen wie die Frauen und sich zweimal überlegen sollen, ob sie auf die Unbewaffneten schießen. Ob dieses Modell bei Ausklammerung wachsender Verantwortlichkeit der Frauen zu einem wirklich nachhaltigen Empowerment führen kann, ist eine der drängenden Fragen, mit der der Zuschauer aus dem Film entlassen wird. Bei den ‚Black Mambas‘ liegt jedenfalls eine gewisse Enttäuschung in der Luft. Sinnbildlich hierbei: Arbeitet die Einheit zu erfolgreich – hinsichtlich der Nashorn-Wilderei zeichnet sich dies bereits ab, den bedrohten Großwildtieren wird kaum noch nachgestellt – droht ihrer Einheit die Abschaffung aufgrund nachlassenden Interesses der Öffentlichkeit.
Strukturiert anhand der Portraits von drei Angehörigen der ‚Black Mambas‘ – jede mit etwas unterschiedlichen Ansprüchen und Nöten außerhalb des Jobs – ergibt sich ein sehr vielschichtiges Bild mit einem Geflecht an Werte-Fragen, die weit über den Film hinausreichen. Dabei wird es dem Zuschauer nie schwer gemacht, dem Geschehen und den Motiven zu folgen. Der dezente Einsatz von Musik unterstreicht diesen Eindruck. Die Protagonistinnen sind sehr gut ausgewählt, über sie erfahren wir unglaublich viel – bis hin zu der Erkenntnis, dass infolge des Ignorierens lang bestehender Probleme der Tierschutz bisweilen wichtiger als der Schutz der Menschen genommen wird. Dass diese Erfahrung ausgerechnet von einem der Wilderer vorgetragen wird, macht es nicht unglaubwürdiger, im Gegenteil.
Angesichts der Offenheit der vielen unterschiedlichen Akteure vor der Kamera kann das Einfühlungsvermögen und die intensive Vorarbeit der Regisseurin und ihres Teams – noch dazu während der Pandemie – gar nicht genug hervorgehoben werden.
Über den deutlich kontextbezogenen Blick auf das Leben afrikanischer Frauen, erhält der Dokumentarfilm eine große Relevanz. Pikanterweise dürfte dem Film das Interesse nicht nur durch die eigene Reflexion des Zuschauers zu grundsätzlichen Fragen des Tierschutzes und der Selbstermächtigung unter den Bedingungen post-kolonialer Ausbeutung zufallen, sondern zuvorderst aus der Exotik eines weltbekannten Tierparks.
Die Jury zeichnet den Dokumentarfilm im Anschluss an eine spannende Diskussion gerne mit dem höchsten Prädikat aus.
Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) / 14.11.2022
Bildschirmfoto: FBW