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Das Regime wirft besonders viele Journalistinnen ins Gefängnis / RSF startet Helpdesk

Iran

Reporter ohne Grenzen (RSF)

Das iranische Regime geht unvermindert hart gegen die landesweiten Proteste vor, die durch den Tod von Mahsa Amini ausgelöst wurden. Fast die Hälfte aller neu inhaftierten Medienschaffenden sind Frauen, zwei von ihnen droht die Todesstrafe. Reporter ohne Grenzen (RSF) appelliert an die iranischen Behörden, sie sofort und bedingungslos freizulassen.

„Dass immer mehr Journalistinnen inhaftiert werden, zeigt das Vorhaben des iranischen Regimes: Es will die Stimmen von Frauen systematisch unterdrücken“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Wir sind zutiefst besorgt über das Schicksal dieser mutigen Journalistinnen. Sie gehen ein hohes Risiko ein und nehmen sogar die Todesstrafe in Kauf, um die Wahrheit ans Licht zu bringen, die das Regime mit aller Macht zu verbergen versucht.“

Seit dem Beginn der landesweiten Proteste als Reaktion auf den gewaltsamen Tod von Mahsa Amini am 16. September wurden mindestens 42 Journalistinnen und Journalisten in allen Landesteilen des Iran inhaftiert. Zum jetzigen Stand wurden 8 von ihnen freigelassen. 34 sind noch immer in Haft, 15 von ihnen sind Frauen. Damit sind nun fünfmal mehr Journalistinnen inhaftiert als vor Beginn der Proteste. Die Zahl der inhaftierten Journalistinnen ist höher als jemals zuvor – ein trauriger Rekord. Sogar während der landesweiten Proteste von 2019 im Iran waren nur 4 der insgesamt 10 inhaftierten Journalisten Frauen.

„Frauen sind Vorreiterinnen im revolutionären Kampf für die Gleichberechtigung der Geschlechter und stehen beim Übergang von der Theokratie zu einer säkularen Demokratie an vorderster Front. Sie haben keine Angst vor der Gefahr der Inhaftierung, der Folter oder sogar des Todes, und berichten sofort über alles Neue, was sie erfahren“, sagte die iranische Journalistin und Frauenrechtlerin Nazila Golestan. Sie lebt in Paris.

Zwei Fälle sind besonders besorgniserregend: Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi, die beiden Journalistinnen, die als erstes öffentlich auf den Tod von Mahsa Amini aufmerksam gemacht haben, sind seit mehr als einem Monat in Haft. Mittlerweile werden sie der „Propaganda gegen das System und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ beschuldigt, Vorwürfe, die zur Todesstrafe führen könnten. Mehr als 500 Journalistinnen, Journalisten und Medienaktivisten im Iran verfassten daraufhin einen Aufruf für die Freilassung ihrer inhaftierten Kolleginnen und Kollegen – in der aktuellen Situation ein enorm mutiger Schritt.

Nilufar Hamedi berichtete für die Zeitung Shargh aus dem Krankenhaus, in dem Mahsa Amini vor ihrem Tod im Koma lag. Die Journalistin wurde am 20. September inhaftiert. Elahe Mohammadi, Journalistin der Zeitung Ham Mihan, berichtete über Mahsa Aminis Beerdigung in ihrer Heimatstadt Saqez im Nordwesten der iranischen Region Kurdistan. Die Beerdigung entwickelte sich zu einer der ersten Protestaktionen. Am 29. September wurde Hamedi inhaftiert.

Am 4. November wurde eine weitere Journalistin ins Gefängnis gesteckt, die versuchte, die Wahrheit über Mahsa Aminis Tod ans Licht zu bringen: Nazila Maroufian, eine Reporterin für die Nachrichtenseite Rouydad24, veröffentlichte auf der Nachrichtenseite Mostaghel ein Interview mit Aminis Vater. Darin bestritt dieser, dass seine Tochter unter Gesundheitsproblemen gelitten hatte. Das Interview trug den Titel: „Sie lügen.“ Auch wenn es später offline genommen wurde, nahmen die Behörden Nazila Maroufian fest und brachten sie in das berüchtigte Evin-Gefängnis.

Bereits vor der neuen Welle an Protesten und Unterdrückungen durch das iranische Regime waren drei Journalistinnen inhaftiert, darunter Narges Mohammadi, die seit dem 16. November 2021 wegen angeblicher Propaganda und Verleumdung in Haft ist.

Mit insgesamt 48 inhaftierten Journalistinnen und Journalisten, darunter 18 Frauen, steht der Iran nach China und Myanmar auf Platz 3 der Länder mit den meisten inhaftierten Medienschaffenden.

RSF startet Iran Media Help Desk

Reporter ohne Grenzen reagiert in Zusammenarbeit mit der Friedensnobelpreisträgerin Dr. Schirin Ebadi mit eibnem persischsprachigen Helpdesk auf diese Besorgnis erregenden Entwicklungen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Unterstützung von Journalistinnen und Journalisten und Medien, die durch ihre Berichterstattung über die Ereignisse im Land gefährdet sind, im Bereich der digitalen Sicherheit.

Der Helpdesk stellt unter anderem zügig sichere VPN-Zugänge bereit. Außerdem hilft er Medienunternehmen bei der Umgehung von Zensur, indem geblockte Seiten im Rahmen des RSF-Projekts Collateral Freedom wieder zugänglich gemacht werden. Zudem wird RSF iranische Medien innerhalb und außerhalb des Landes in Notfällen finanziell unterstützen.

Hilfesuchende iranische Medienvertreterinnen und -vertreter können sich über RSFIran@rsfsecure.org oder iran@rsf.org sicher an den Helpdesk wenden.

„In dieser heiklen Situation sind iranische Medienschaffende und ihre Arbeit bei der Berichterstattung über die Geschehnisse im Iran unverzichtbar“, sagte Schirin Ebadi. „Sie riskieren ihr Leben, um die Stimme des Volkes zu sein. Mehrere wurden bereits verhaftet, wie die mutige Journalistin Nilufar Hamedi. Die Unterstützung von Journalistinnen und Journalisten in Iran bedeutet, die Stimme der Freiheit zu unterstützen.“

Reporter ohne Grenzen (RSF) / 10.11.2022

Logo: RSF

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