Deutschlands Fokus auf bilaterale Beziehung schwächt Menschenrechte
Der Weltkongress der Uiguren (WUC), die Tibet Initiative Deutschland (TID), Freiheit für Hongkong e.V. und die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) haben sich am Freitag kritisch zur China-Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz geäußert. Bei der Pressekonferenz von Scholz und Chinas Premierminister Li Keqiang hatten die anwesenden Journalistinnen und Journalisten keine Gelegenheit, Fragen zu stellen. „Bereits in unserem Brief an den Bundeskanzler hatten wir kritisiert, dass er es versäumt hat, sich mit seinen europäischen Partnern abzustimmen, anstatt fast direkt nach der Krönung Xi Jinpings nach Peking zu fliegen. Abgestimmt mit ihnen zu fahren, hätte das Peking signalisiert, dass Deutschland sich von seinem Fokus auf bilaterale Beziehungen löst. Chinas Führung kann weiter nach dem Prinzip ‚teile und herrsche‘ in der EU agieren. Dabei müsste Europa gerade in Menschenrechtsfragen geeinter auftreten. Hier hätte Scholz ein wichtiges Signal setzen können, und das hat der Kanzler versäumt”, sagte Hanno Schedler, GfbV-Referent für Genozidprävention und Schutzverantwortung am heutigen Freitag in Göttingen.
Im Vorfeld der Chinareise wurde bereits kritisiert, dass Scholz zu seinem Treffen mit Xi Jinping ausschließlich Wirtschaftsdelegierte mitgenommen hat. Die Zivilgesellschaft musste zu Hause bleiben. Auch während der Pressekonferenz wurde das Thema der Menschenrechte nur kurz angeschnitten. „Den Genozid an den Uigur*innen als unterschiedliche Auffassung von Menschenrechten abzutun ist äußerst enttäuschend. Deutschland muss nun mit seinen internationalen Partnern Maßnahmen ergreifen, um die chinesische Regierung zur Verantwortung zu ziehen“, so Dolkun Isa, Präsident des Weltkongresses der Uiguren.
Im Statement des Bundeskanzlers kamen weder die Menschenrechtsverletzungen in Tibet, noch in Hongkong zur Sprache. „Es ist eine Enttäuschung, dass der Kanzler in seinem öffentlichen Statement nicht die Chance genutzt hat, sich für Menschenrechts- und Demokratieengagierte stark zu machen. Zu Menschenrechtsverbrechen mit China im Gespräch zu bleiben ist zu wenig. Über 800.000 tibetische Kinder sitzen in kolonialen Internaten, in denen sie zu folgsamen Han umerzogen werden, damit die tibetische Identität ausgelöscht wird”, sagte Tenzyn Zöchbauer, Geschäftsführerin der Tibet Initiative Deutschland (TID). Amy Siu, Generalsekretärin von Freiheit für Hongkong e.V. sagte dazu, „Wir sind zudem überaus enttäuscht, dass der Kanzler sich nicht zu Hongkong geäußert hat. Auf die Menschenrechtsverletzungen in Hongkong und anderen Regionen müssen endlich konkrete Konsequenzen folgen. ‚Im Gespräch [zu] bleiben‘ erlaubt der chinesischen Regierung, sich der Konsequenzen ihres Handelns zu entziehen.”
Die Organisationen forderten, dass die bald erscheinende China-Strategie der Bundesregierung eine Verlagerung der deutschen zu einer europäischen China-Politik beinhalten muss, welche einen stärkeren Fokus auf Menschenrechte legt. Bundeskanzler Olaf Scholz muss sich in den kommenden Wochen mit Vertreter*innen von Uigur*innen, Tibeter*innen, Hongkonger*innen und der chinesischen Demokratiebewegung treffen, die wegen der Verfolgung durch die Kommunistische Partei nach Deutschland geflüchtet sind.
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) / 04.11.2022