Die Europäische Kommission hat das Pharmaunternehmen Teva von ihrer vorläufigen Auffassung in Kenntnis gesetzt, dass das Unternehmen gegen die EU-Kartellvorschriften verstoßen hat. Das Unternehmen habe Praktiken angewandt, die darauf abzielten, den Wettbewerb mit seinem Blockbuster-Medikament Copaxone zu verzögern. Diese Praktiken bestanden darin, den Patentschutz für Copaxone künstlich zu verlängern und systematisch irreführende Informationen über ein Konkurrenzprodukt zu verbreiten, um dessen Markteintritt und -akzeptanz zu behindern.
Die für Wettbewerbspolitik zuständige Vizepräsidentin der Kommission, Margrethe Vestager, erklärte dazu: „Bis heute gibt es noch keine Behandlung für die chronische Krankheit Multiple Sklerose. Daher können innovative Arzneimittel die Lebensqualität der Patienten erheblich verbessern.“ Ein wirksamer Schutz des geistigen Eigentums sei der Schlüssel zu wissenschaftlichem Fortschritt. „Unsere Sorge ist, dass Teva das Patentsystem missbraucht haben könnte, um sich vor der Konkurrenz zu schützen.“
Teva ist ein globales Pharmaunternehmen mit Hauptsitz in Israel, das über mehrere Tochtergesellschaften im Europäischen Wirtschaftsraum tätig ist. Das Blockbuster-Medikament von Teva, Copaxone, wird häufig zur Behandlung von Multipler Sklerose eingesetzt. Es enthält den pharmazeutischen Wirkstoff Glatirameracetat, auf den Teva bis 2015 ein Basispatent hielt.
Beschwerdepunkte zu den missbräuchlichen Praktiken von Teva
Die Kommission stellt vorläufig fest, dass Teva seine beherrschende Stellung auf den Märkten für Glatirameracetat in Belgien, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Polen, Spanien und Tschechien missbraucht hat.
Die Kommission befürchtet, dass Teva zwei Arten von missbräuchlichen Verhaltensweisen an den Tag gelegt hat. Deren übergeordnetes Ziel war es, die Exklusivität von Copaxone künstlich zu verlängern, indem der Markteintritt und die Akzeptanz konkurrierender Glatirameracetat-Arzneimittel behindert wurden.
Insbesondere stellte die Kommission vorläufig fest, dass Teva seit Februar 2015 bis heute:
- Patentverfahren missbraucht hat: Nach Ablauf des ursprünglichen Basispatents verlängerte Teva den Basispatentschutz von Glatirameracetat künstlich, indem es Sekundärpatentanträge einreichte und wieder zurückzog und so seine Wettbewerber zwang, jedes Mal neue langwierige Rechtsmittel einzulegen. Dieses Vorgehen wird manchmal als „Divisionals Game“ bezeichnet. Der Grund dafür ist, dass diese Strategie die Anmeldung so genannter „Teilungspatente“ beinhaltet, d. h. Patente, die von einem früheren Sekundärpatent abgeleitet sind und deren Gegenstand bereits in dem früheren Patent enthalten ist. Auf diese Weise wird die Rechtsunsicherheit zugunsten des Patentinhabers künstlich verlängert, und der Markteintritt von Generika oder generikaähnlichen Arzneimitteln kann effektiv blockiert oder verzögert werden.
- eine systematische Verleumdungskampagne durchgeführt hat. Sie richtete sich an Angehörige der Gesundheitsberufe und weckte Zweifel an der Sicherheit und Wirksamkeit eines konkurrierenden Glatirameracetat-Arzneimittels und seiner therapeutischen Gleichwertigkeit mit Copaxone.
Sollte sich die vorläufige Auffassung der Kommission bestätigen, würde das Verhalten von Teva gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoßen, der den Missbrauch einer beherrschenden Stellung verbietet. Sollte sich das Verhalten von Teva bestätigen, würde es nicht nur Wettbewerbern und Patienten schaden, sondern auch die Ausgaben des öffentlichen Gesundheitswesens für bestimmte Multiple-Sklerose-Behandlungen in die Höhe treiben, die sich allein für Copaxone in der EU auf bis zu 500 Millionen Euro pro Jahr belaufen.
Die Übermittlung einer Mitteilung der Beschwerdepunkte greift dem Ergebnis der Untersuchung nicht vor.
EU-Kommission / 10.10.2022
Foto: EU-Kommission