Die Europäische Kommission hat beschlossen, Malta wegen seiner Staatsbürgerschaftsregelung für Investoren („goldene Pässe“) vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen. Die Kommission ist der Auffassung, dass die Gewährung der Unionsbürgerschaft als Gegenleistung für vorab festgelegte Zahlungen oder Investitionen ohne wirklichen Bezug zu dem betreffenden Mitgliedstaat nicht mit dem in Artikel 4 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit und dem Konzept der Unionsbürgerschaft gemäß Artikel 20 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vereinbar ist.
Am 20. Oktober 2020 hatte die Kommission ein Aufforderungsschreiben an Malta gerichtet. Darin ermahnt sie das Land, seine Staatsbürgerschaftsregelung für Investoren abzuschaffen. Nach der Einführung einer neuen Regelung Ende 2020 ließ die Kommission Malta am 9. Juni 2021 ein ergänzendes Aufforderungsschreiben zukommen.
Aufgrund des Krieges Russlands gegen die Ukraine setzte Malta diese neue Regelung für russische und belarussische Staatsangehörige aus. Zwar war dies ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch wendet Malta die Regelung weiterhin für alle anderen Staatsangehörigen an und hat nicht die Absicht bekundet, sie aufzuheben.
Am 6. April 2022 übermittelte die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Malta. Maltas Antwort räumte die von der Kommission geäußerten Bedenken nicht in zufriedenstellender Weise aus. Malta ist der einzige Mitgliedstaat, der eine solche Regelung noch anwendet.
Daher hat die Kommission beschlossen, gemäß Artikel 258 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage gegen Malta zu erheben.
Hintergrund
Die Unionsbürgerschaft und die damit verbundenen Rechte sind das Herzstück der EU. Wer die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaats besitzt, ist zugleich auch Unionsbürger. Mit der Unionsbürgerschaft geht automatisch das Recht auf Freizügigkeit, der Zugang zum EU-Binnenmarkt sowie das aktive und passive Wahlrecht bei Europa- und Kommunalwahlen einher. Aus diesen Gründen müssen die Bedingungen für die Erlangung und den Verlust einer Staatsbürgerschaft, die durch die nationalen Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten geregelt werden, mit dem EU-Recht in Einklang stehen.
Durch Staatsbürgerschaftsregelungen für Investoren können Personen auf der Grundlage von vorab festgelegten Zahlungen oder Investitionen und ohne echten Bezug zu dem einbürgernden Land (z. B. durch einen langfristigen Aufenthalt) eine neue Staatsbürgerschaft erlangen. Diese Regelungen unterscheiden sich von Aufenthaltsregelungen für Investoren (auch „goldene Visa“ genannt), durch die Drittstaatsangehörige unter bestimmten Voraussetzungen eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten, um in einem EU-Land leben zu können. Beide Arten von Regelungen bergen insbesondere in Bezug auf Sicherheit, Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Korruption ernsthafte Risiken.
Die Kommission verfolgt auch die Staatsbürgerschaftsregelungen für Investoren in anderen Mitgliedstaaten aufmerksam.
Im Oktober 2020 leitete die Kommission auch gegen Zypern ein Vertragsverletzungsverfahren aufgrund seiner Staatsbürgerschaftsregelung für Investoren ein. Zypern setzte seine Regelung aus und akzeptierte ab dem 1. November 2020 keine neuen Anträge mehr. Da Zypern jedoch die Bearbeitung anhängiger Anträge fortsetzte, beschloss die Kommission am 9. Juni 2022, eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Zypern zu richten. Zypern schloss die Bearbeitung aller anhängigen Anträge im Juli 2021 ab. Die Kommission analysiert die Lage genau, bevor sie über die nächsten Schritte entscheidet.
Die Kommission stand wegen der Staatsbürgerschaftsregelung für Investoren auch in Kontakt mit Bulgarien. Zum 5. April 2022 hob Bulgarien seine Regelung auf.
Seit der Einführung der ersten Regelung („Einzelinvestorenprogramm“) im Jahr 2014 bürgerte Malta mehrere tausend Investoren und deren Familienangehörige ein. Ende 2020 führte Malta eine neue Regelung („Maltese Citizenship by Naturalisation for Exceptional Services by Direct Investment“) ein, nachdem im Rahmen der ursprünglichen Regelung beinahe die Obergrenze von 1800 erfolgreichen Hauptantragstellern erreicht worden war. Mit der neuen Regelung wird der Grundsatz beibehalten, dass die Staatsbürgerschaft systematisch gegen vorab festgelegte Zahlungen verliehen werden kann, ohne dass die antragstellende Person einen echten Bezug zu Malta aufweisen muss. Am 2. März 2022 gab Malta bekannt, dass die Bearbeitung von Anträgen russischer und belarussischer Staatsangehöriger bis auf Weiteres ausgesetzt worden sei.
EU-Kommission / 29.09.2022
Foto: EU-Kommission