Im EU-Parlament gibt es keine Mehrheit dafür, lebensrettende Antibiotika-Gruppen offiziell als sogenannte Reserveantibiotika einzustufen, wie am heutigen Donnerstag bekannt wurde. Diese Medikamente sind gemäß der Weltgesundheitsorganisation von kritischer Bedeutung sowie höchster Priorität und sollten deshalb für die Behandlung des Menschen vorbehalten sein – und nicht bei Tieren eingesetzt werden. Die neuen Regeln sollten Resistenzen gegen Antibiotika verhindern.
Tiemo Wölken, gesundheitspolitischer Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion und Ko-Initiator der Resolution:
„Die Zurückweisung dieses Einspruchs gegen die EU-Kommission ist ein Lobby-Sieg und eine Niederlage für den Schutz menschlicher Gesundheit. Schon heute sterben jedes Jahr mehr als 1,3 Millionen Menschen an Infektionen, die aufgrund von Antibiotikaresistenzen nicht mehr erfolgreich behandelt werden können.
Ziel des Appells war es, den massiven Einsatz von Antibiotika, einschließlich Reserveantibiotika, in der kommerziellen Tierhaltung einzudämmen, um das Risiko von Antibiotikaresistenz zu minimieren.
Antibiotikaresistente Keime sind eine ständig wachsende Bedrohung. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation gehören sie zu den zehn größten Bedrohungen für die globale Gesundheit und haben das Potenzial, bis 2050 jährlich 10 Millionen Menschen zu töten. Daher müssen bestimmte Antibiotika, die gegen resistente Keime noch wirksam sind und das letzte Mittel im Kampf gegen Infektionen darstellen, der Behandlung von Menschen vorbehalten bleiben. Ich bin entsetzt, dass eine größtenteils konservative Mehrheit im Parlament nun den Weg für die unambitionierte Liste der Kommission mit antimikrobiellen Mitteln geebnet hat, die nur für die Behandlung bestimmter Infektionen beim Menschen reserviert sind.
Als sozialdemokratische Fraktion hatten wir unsere Unzufriedenheit mit der vorgeschlagenen Liste klar zum Ausdruck gebracht. Der einzige Zweck dieses Vorhabens war es, dringend benötigte Antibiotika nur für den menschlichen Gebrauch zu reservieren. Die Liste enthält jedoch kein einziges antimikrobielles Mittel, das derzeit für die Verwendung in der Tiermedizin zugelassen ist, und ist somit äußerst unambitioniert, da sie keine Änderungen vornimmt und den Status quo beibehält. Wenn wir den Kampf gegen die Antibiotikaresistenz ernst nehmen wollen, müssen wir jetzt handeln. Diese Liste ist nicht zielführend und lässt den Eindruck entstehen, dass Geschäftsinteressen Vorrang vor der Gesundheit von Mensch und Tier haben.“
Der gescheiterte Einspruch bedeutet, dass die Kommission grünes Licht für ihre Antibiotika-Auflistung hat und die Industrie die vorliegende Liste nun als gesetzte EU-Vorgabe betrachten kann. Wichtige Antiobiotika können also weiterhin auch Tieren verabreicht werden.
S&D-Fraktion / EU Parlament / 23.06.2022