Die von der EU und Großbritannien gemeinsam beschlossenen Regeln zu Nordirland müssen eingehalten werden. Das hat EU-Kommissionsvizepräsident Maroš Šefčovič gestern bekräftigt, nachdem die britische Regierung einen Gesetzesentwurf vorgelegt hatte, um zentrale Elemente des Protokolls zu Irland und Nordirland außer Kraft zu setzen. Šefčovič erklärte, die Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich „müssen auf der uneingeschränkten Einhaltung der rechtsverbindlichen Verpflichtungen beruhen, die wir einander gegenüber eingegangen sind.“ Er forderte die britische Regierung auf, gemeinsam mit der Kommission nach flexiblen Lösungen zur Anwendung des Protokolls zu suchen. Das Protokoll ist Teil des Austrittsabkommens mit dem Vereinigten Königreich. Es wurde als stabile und dauerhafte Lösung konzipiert und sichert das Karfreitagsabkommen und somit den Frieden auf der irischen Insel. Eine Neuverhandlung des Protokoll sei unrealistisch, sagte Šefčovič weiter.
„Nach unzähligen Stunden intensiver Verhandlungen war das Protokoll die einzige Lösung, die wir gemeinsam finden konnten, um die hart erarbeiteten Errungenschaften des Friedensprozesses in Nordirland zu schützen und gleichzeitig die durch den Brexit entstandenen Herausforderungen und die von der britischen Regierung gewählte Art des Brexit zu bewältige.“ Für dieses heikle, seit langem ausgehandelte Gleichgewicht sei keine praktikable Alternativlösung gefunden worden.
In der Erklärung heißt es weiter: „Jede Neuverhandlung würde lediglich weitere Rechtsunsicherheit für die Menschen und Unternehmen in Nordirland mit sich bringen. Aus diesen Gründen wird die Europäische Union das Protokoll nicht neu verhandeln. Die EU hat jedoch von Anfang an Verständnis für die praktischen Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Protokolls gezeigt.
Mit politischem Willen und Engagement sollte das volle Potenzial der vorgeschlagenen Flexibilitäten ausgelotet werden – und die Europäische Kommission ist nach wie vor daran interessiert, dies mit der britischen Regierung so bald wie möglich zu tun. Nur gemeinsame Lösungen würden die Rechtssicherheit schaffen, die die Menschen und Unternehmen in Nordirland verdienen.
Mit großer Besorgnis haben wir die heutige Entscheidung der britischen Regierung zur Kenntnis genommen, ein Gesetz vorzulegen, mit dem zentrale Elemente des Protokolls außer Kraft gesetzt werden. Einseitige Maßnahmen sind dem gegenseitigen Vertrauen abträglich. Die Kommission wird nun den britischen Gesetzesentwurf prüfen.“
Nächste Schritte
In einem ersten Schritt wird die Kommission prüfen, ob sie das im März 2021 gegen die britische Regierung eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren fortsetzen wird. Das Verfahren wurde im September 2021 im Sinne einer konstruktiven Zusammenarbeit ausgesetzt, um Raum für die Suche nach gemeinsamen Lösungen zu schaffen. Die Kommission wird auch die Einleitung neuer Vertragsverletzungsverfahren in Erwägung ziehen, um den EU-Binnenmarkt vor den Risiken zu schützen, die die Verletzung des Protokolls für die EU-Unternehmen sowie für die Gesundheit und Sicherheit der EU-Bürger mit sich bringt.
Parallel dazu wird die Kommission in Kürze ein Modell für die flexible Umsetzung des Protokolls, das auf dauerhaften Lösungen innerhalb des Protokolls beruht, genauer vorstellen.
EU-Kommission / 14.06.2022
Foto: EU-Kommission