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Die Taliban scheren sich nicht um geltendes Recht

Afghanistan

Reporter ohne Grenzen (RSF)

Drei Festnahmen an einem Tag, stundenlange Verhöre, Missachtung geltenden Rechts: Obwohl die Taliban ein System zum Schutz afghanischer Medienschaffender angekündigt haben, ließen sie in den vergangenen beiden Monaten mindestens zwölf Journalistinnen und Reporter verhaften. Reporter ohne Grenzen (RSF) verurteilt diese willkürlichen Verhaftungen und fordert die Taliban-Regierung auf, ihre Versprechen einzuhalten, Medienschaffende zu schützen und das Pressegesetz zu achten.

„Die Taliban wollen die durchaus vielfältige Medienlandschaft, die in Afghanistan der vergangenen 20 Jahre entstanden ist, ausradieren“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Auch heute noch, zehn Monate nach dem Fall von Kabul, reißen die Hilferufe der Journalistinnen und Reporter nicht ab. Umso wichtiger ist es, dass das Aufnahmeprogramm der deutschen Bundesregierung endlich sinnvoll umgesetzt wird. Wir begrüßen, dass die Regierung nun endlich das angeht, was sie sich im Koalitionsvertrag vorgenommen hat und hoffen, dass eine neu ausgerichtete Afghanistanpolitik möglichst vielen Medienschaffenden konkret hilft. Wir setzen uns dafür ein, dass der Untersuchungsausschuss des Bundestages die katastrophale Lage im Land auch mit Blick auf den Journalismus aufarbeitet.“

Während einer Veranstaltung zur Pressefreiheit am 19. Mai machten Vertreterinnen und Vertreter lokaler Verbände die Schwierigkeiten deutlich, mit denen Redaktionen und Verlage in Afghanistan konfrontiert sind. Die Medienschaffenden verwiesen insbesondere auf den mangelnden Zugang zu Informationen, die fehlende Meinungsfreiheit, die wirtschaftlichen Probleme der afghanischen Medienunternehmen und das aggressive Verhalten der Sicherheitskräfte des Islamischen Emirats gegenüber Journalistinnen und Reportern. Die Veranstaltung wurde von der neuen afghanischen Journalisten- und Medienvereinigung und dem Informations- und Kulturministerium organisiert.

Zabihullah Mudschahid, Sprecher des Emirats und zugleich als stellvertretender Minister im Informations- und Kulturministerium für Veröffentlichungen zuständig, kündigte an, „sofort“ eine Kommission zur Informationsfreiheit und eine weitere zur Überprüfung von Medienverstößen einzusetzen. Letztere einzurichten war eine Vorgabe des unter der vorherigen Regierung verabschiedeten Pressegesetzes. Afghanische Journalistinnen und Journalisten haben wiederholt die Einrichtung einer solchen Kommission gefordert, von der sie sich besseren Schutz erhoffen – vorausgesetzt, sie könnten unabhängig arbeiten und das Pressegesetz würde ordnungsgemäß umgesetzt. Gemäß dem Pressegesetz sollen Beschwerden gegen Medienschaffende und Medienunternehmen von der Kommission zur Überprüfung von Medienverstößen bearbeitet werden. Verstöße würden nur dann vor Gericht landen, wenn diese Kommission dies beschließt.

Zwölf Medienschaffende inhaftiert

Bislang wurde sie jedoch noch nicht eingesetzt. Im Gegenteil: Zwischen dem 28. März und dem 29. Mai wurden insgesamt zwölf Medienschaffende festgenommen, vier von ihnen befinden sich noch immer in Haft:

  • Khalid Qaderi, ein Dichter und Journalist von Radio Norroz, wurde am 7. Mai von einem Militärgericht in der westlichen Stadt Herat zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.
  • Mirza Hassani, Leiter des Radio Sedai Aftab, ist seit 22. Mai ebenfalls in Herat wegen angeblicher Kollaboration mit der Widerstandsfront vorläufig inhaftiert.
  • Jamaluddin Deldar, Journalist von Radio Gardiz, wurde am 24. Mai offenbar in Zusammenhang mit den politischen Ansichten seines Vaters verhaftet.
  • Khan Mohammad Sayal, Journalist von Payvasouton TV, wurde am 10. Mai in der zentral gelegenen Provinz Urusgan in einer angeblichen, nicht näher beschriebenen Privatangelegenheit verhaftet wurde. Keiner der Fälle wurde von der Kommission zur Überprüfung von Medienverstößen bearbeitet, wie es das Gesetz vorschreibt.

In der nördlichen Provinz Faryab wurden am 28. Mai drei Medienschaffende – Basireh Mosamam, Ologh Big Ghafori und Firouz Ghafori – verhaftet, nachdem der örtliche Direktor des Ministeriums für Information und Kultur Anzeige erstattet hatte. Die drei hatten seine korrupten Praktiken aufgedeckt, als er noch der örtliche Direktor des nationalen Bildungsministeriums war. Nachdem sie sieben Stunden lang festgehalten worden waren, wurden sie gegen Kaution bis zur Verhandlung freigelassen.

Jawad Etemad, Journalist der Nachrichtenagentur Asvaka, wurde am 13. Mai vom Istichbarat (Geheimdienst) verhaftet und zwei Tage lang festgehalten. Er hatte über einen Bombenanschlag in einer Moschee in Kabul berichtet.

Ebenfalls vom Istichbarat wurde der Journalist Aliakbar Khairkhawa festgehalten. Er kam erst nach fünf Tagen wieder frei. Am selben Tag wurden der Journalist Roman Karimi, ein als Samiollah identifizierter Reporter von Salam Watandar sowie ein Fotograf der New York Times, der unter dem Namen Farzad identifiziert wurde, verhaftet. Sie hatten über einen Protest von Frauen in Kabul berichtet. Nach einem siebenstündigen Verhör wurden sie wieder freigelassen.

Reporter ohne Grenzen (RSF) / 14.06.2022

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