Anlässlich des Welt-Roma-Tages gratuliert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma zum 40-jährigen Bestehen. „In dieser Zeit gab es beachtliche Fortschritte in der Anerkennung des Leides dieser Volksgruppen. Sie werden jedoch weiterhin diskriminiert und stehen in weiten Teilen Europas vor großen Herausforderungen“, erinnert Jasna Causevic, GfbV-Referentin für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung. „Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine wirft heute ein besonderes Schlaglicht auf die etwa 400.000 Roma in diesem Land.“
Etwa 20 Prozent der ukrainischen Roma besäßen keinerlei offizielle Dokumente, was die Flucht erheblich erschwere. „Dazu kommt rassistische Diskriminierung entlang der Fluchtrouten. Es häufen sich verstörende Berichte, dass Roma nicht in Autos mitgenommen werden und Busunternehmen sie abweisen“, berichtet Causevic. Ohne Papiere hätten sie zudem kaum Chancen, als Flüchtlinge in der EU anerkannt zu werden. Stattdessen müssten sie nach Moldawien gehen, wo sie an die Grenze zu Rumänien gebracht und dort wiederum abgewiesen würden. Das Roma Center Göttingen und andere Roma-Organisationen weisen darauf hin, dass Roma in den Ankunftsorten aus unerfindlichen Gründen von anderen ukrainischen Flüchtlingen separiert werden.
In Südosteuropa, insbesondere in Bosnien und Herzegowina, ist die Lage der Roma derzeit vielleicht schwieriger als je zuvor nach dem Krieg (1992-1995). Die regelmäßig berichteten Fortschritte in der Situation der größten ethnischen Minderheit im Land sind in der Praxis kaum zu erkennen. Die meisten der 40.000 bis 100.000 Roma im Land haben kein regelmäßiges Einkommen, leben in desolaten Wohnverhältnissen und finden kaum Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung. Viele Roma sind nicht im Geburtenregister verzeichnet und haben daher keine offiziellen Dokumente. Verfassungsrechtlich sind Roma in Bosnien und Herzegowina noch immer diskriminiert. Sie werden nicht als Minderheit anerkannt. Nur Bosniaken, Kroaten und Serben dürfen nach geltendem Recht für Positionen im Präsidium des Staates oder als Vertreter in der Völkerkammer des Staatsparlamentes kandidieren – ein Umstand, den der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits 2009 für unzulässig erklärt hatte.
Die GfbV setzt sich bereits seit den 1970er Jahren für die Rechte der Sinti und Roma ein. 1979 gab ihr Gründer Tilmann Zülch in der Reihe „rororo aktuell“ die Dokumentation „In Auschwitz vergast, bis heute verfolgt- Zur Situation der Roma in Deutschland und Europa“ heraus. 1981 organisierte sie in Göttingen den dritten Welt-Roma-Kongress. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma wurde am 6. Februar 1982 gegründet. Der Welt-Roma-Tag ist am 8. April.
Im März 2022 berief die Bundesregierung Mehmet Daimagüler als ersten Beauftragten gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Roma in Deutschland.
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) / 07.04.2022