Wie die NGO Ärzte Ohne Grenzen (MSF) am Samstagabend mitteilte, sind über 90 Migrant:innen vor der libyschen Küste ertrunken. Das Boot habe Libyen vergangene Woche verlassen. Der Tanker Alegria I konnte vier Überlebende retten. Die Geretteten berichten, ihr Boot sei mit etwa 100 Menschen besetzt gewesen, als es sank.
Rechtswidrige Ausschiffung nach Libyen
Trotz Hinweisen von einem Rettungsschiff von MSF, dass eine Ausschiffung der Geretteten nach Libyen völkerrechtswidrig sei und gegen internationale Konventionen verstoße, da die Situation in Libyen das Land zu keinem „sicheren Hafen“ mache, wurden die vier Überlebenden in Libyen von Bord gebracht. MSF erklärte via Twitter: „Nachdem sie tagelang auf dem Meer getrieben sind, den Tod ihrer Mitfahrer:innen miterlebt und ihr Leben riskiert haben, brauchen die vier Überlebenden mit Sicherheit medizinische und psychologische Hilfe.” MSF warnt: „Sie werden mit ziemlicher Sicherheit inhaftiert, misshandelt und missbraucht werden.“ Die NGO forderte Italien und Malta auf, „den Überlebenden einen sicheren Ort zuzuweisen, bevor es zu spät ist“. Von Frontex und den anderen EU-Institutionen fordern sie, Stellung zu dem Fall zu nehmen. Im Jahr 2021 wurden mindestens 32.425 Migrant:innen aufgegriffen und nach Libyen zurückgebracht.
Verbrechen gegen die Menschlichkeit an Schutzsuchenden in Libyen
Von der obersten Menschenrechtsorganisation der Vereinten Nationen beauftragte Ermittler haben Beweise für mögliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit gefunden, die in Libyen an dort inhaftierten Migrant:innen begangen wurden. Nach jahrelanger Hochrüstung der sogenannten libyschen Küstenwache durch die Bundesregierung hat Deutschland seine Ausbildungsmission der kriminellen Miliz gestrichen. Grund sei „das wiederholt inakzeptable Verhalten einzelner Einheiten der libyschen Küstenwache gegenüber Flüchtlingen und Migranten und auch gegenüber Nichtregierungsorganisationen“, sagte dazu eine Sprecherin des Auswärtigen Amts.
EU-Abschottung kostet Tausenden das Leben
Nach Angaben der IOM sind im vergangenen Jahr vermutlich mindestens 1.871 Schutzsuchende auf der zentralen Mittelmeerroute ertrunken. Ohne die aktuellen Todesfälle sind bis 31. März 318 Tote bereits auf der zentralen Mittelmeerroute in diesem Jahr von der IOM registriert worden. Die Dunkelziffer dürfte weit höher werden, da viele Boote unregistriert aufbrechen und im Mittelmeer verschwinden. Der UN-Flüchtlingskommissar reagierte am Sonntag mit einem Tweet auf die Nachricht: „Mehr als 90 Menschen sind in einer weiteren Tragödie im Mittelmeer gestorben. Europa hat bewiesen, dass es in der Lage ist, 4 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine großzügig und effektiv aufzunehmen. Europa muss jetzt dringend darüber nachdenken, wie dies auf andere Flüchtlinge und Migranten angewendet kann, die in Not vor seinen Toren stehen.“ (ANF)