Während der Chef der myanmarischen Militärjunta am „Tag der Streitkräfte“ angekündigt hat, jede Form von Opposition „endgültig auszulöschen“, erleben Journalistinnen und Journalisten verschärfte juristische Verfolgung. Angesichts der Entwicklungen der vergangenen drei Wochen wiederholt Reporter ohne Grenzen (RSF) die Forderung, alle in Myanmar inhaftierten Medienschaffenden sofort und bedingungslos freizulassen.
„Mit mehr als 60 Inhaftierten ist Myanmar für Medienschaffende einer der schlimmsten Orte der Welt“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Vom Norden bis zum Süden, in den Städten und auf dem Land jagt der repressive Militärapparat Myanmars Journalistinnen und Journalisten“, so Mihr weiter. „Wir fordern die internationale Gemeinschaft auf, härtere, gezielte Sanktionen gegen die Verantwortlichen des myanmarischen Regimes zu verhängen. Sie verfolgen die Zivilgesellschaft nicht nur unerbittlich, sondern stellen dies auch noch schamlos zur Schau.“
„Opposition endgültig auslöschen“
Der Oberbefehlshaber der Armee und de-facto-Machthaber Myanmars, General Min Aung Hlaing, schwor am 27. März in einer Rede vor 8.000 Soldaten, die sich, am sogenannten Tag der Streitkräfte zu einer Militärparade in der Hauptstadt Naypyidaw versammelt hatten, alle Formen von Opposition „endgültig auszulöschen“. Zugleich verschärfte die Junta ein weiteres Mal ihr Vorgehen gegen die Pressefreiheit.
Die Liste der Verhaftungen und Verurteilungen scheint kein Ende zu nehmen. Nach von RSF verifizierten Informationen wurde Nay Naw am 28. März in Myawaddy, einer südöstlichen Stadt an der Grenze zu Thailand, festgenommen. Der Journalist, der auch unter dem Namen Myo Naung Naung Zaw bekannt ist, arbeitet als Redakteur für das Karen Information Centre und als Reporter für Bloomberg Business. Der freie Journalist Naung Yoe, der bereits am 9. April 2021 verhaftet worden war, wurde in der abgelegenen Stadt Hpakant im nördlichen Bundesstaat Kachin zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt.
In beiden Fällen beriefen sich die Behörden auf Paragraf 505a des Strafgesetzbuches. Dieser bestraft „jeden Versuch, Angst zu verursachen, falsche Nachrichten zu verbreiten, direkt oder indirekt zu einer Straftat gegen Regierungsbeamte aufzurufen“ oder jede Handlung, die „Hass, Ungehorsam oder Illoyalität gegenüber dem Militär und der Regierung“ hervorruft.
Neue Welle der Verfolgung: Rückblick der letzten drei Wochen
Allein in den vergangenen drei Wochen mussten die folgenden Journalistinnen und Journalisten juristische Schikanen über sich ergehen lassen:
23. März: Zwei Verurteilungen innerhalb von 12 Stunden
Ye Yint Tun, ein Reporter der Nachrichten-Website Myanmar Than Taw Sint (oder Myanmar Herald), wurde von einem Sondergericht in der südwestlichen Stadt Pathein zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Er war festgenommen worden, als er am 28. Februar 2021 über einen Protest berichtete.Aung Zaw Zaw, ein Videoredakteur der Nachrichtenagentur Mandalay Free Press, wurde am selben Tag von einem Gericht in der Gemeinde Kantbalu im Norden Myanmars ebenfalls zu zwei Jahren Haft verurteilt. Er war am Abend des 16. Januar 2022 im Haus seines Vaters im nahegelegenen Dorf Tauk Ka Shat festgenommen worden. Beide Journalisten wurden auf Grundlage von Paragraf 505a des Strafgesetzbuches inhaftiert.
22. März: Haftstrafe für Mizzima News-Redakteur
Nach mehr als einem Jahr Haft wurde Than Htike Aung, ein ehemaliger Redakteur von Mizzima News, einem Medium, das eine historische Rolle im Kampf für eine freie Presse in Myanmar gespielt hat, zu zwei Jahren Haft verurteilt. RSF hat erfahren, dass er nicht beabsichtigt, Berufung einzulegen, da er befürchtet, dass seine Strafe erhöht werden könnte. Er wurde in das Yamethin-Gefängnis in der Metropole Mandalay im Norden des Landes verlegt, wo er den Rest seiner Haftzeit absitzen wird.
21. März: Zwei Jahre Zwangsarbeit für Kamayut Media-Mitbegründer
Der Mitbegründer der Nachrichtenagentur Kamayut Media, Han Thar Nyein, wurde von einem Militärgericht im Insein-Gefängnis in einem Vorort von Yangon, der größten Stadt Myanmars, wegen Verbreitung „falscher Nachrichten“ zu zwei Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Er war im März 2021 zusammen mit seinem US-Kollegen Nathan Maung verhaftet worden, der nach seiner Freilassung am 14. Juni 2021 in die Vereinigten Staaten flüchten konnte.Maung sagte gegenüber RSF, dass er befürchte, dass sein Kollege auch wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Gesetz über den elektronischen Zahlungsverkehr vor Gericht gestellt werden könnte, was gemäß Paragraf 33b eine 15-jährige Gefängnisstrafe nach sich ziehen kann. Er sagte, der Gedanke mache ihn traurig, dass „er mit Ketten an Händen und Füßen als Gefangener mit neuen Anklagen vor Gericht gebracht werden könnte“.
15. März: Freiberufler Aung Win Htay verhaftet
Da Reporter in ganz Myanmar zunehmend gezwungen sind, im Verborgenen zu arbeiten, wurde der freie Journalist Aung Win Htay von einer Militäreinheit in Mong Ton, einem Dorf nahe der thailändischen Grenze im nordöstlichen Shan-Staat, festgenommen. Einige Stunden später inhaftierte die Polizei ihn offiziell gemäß Paragraf 505a des Strafgesetzbuches, da er die Junta auf Facebook kritisiert haben soll. Er hatte in der Vergangenheit für die Democratic Voice of Burma gearbeitet, einer Protagonistin im historischen Kampf für eine unabhängige Presse in Myanmar und Empfängerin des RSF-Preises für Pressefreiheit im Jahr 2007.
14. März: Die Journalistinnen von Kanbawza Tai News sind rechtskräftig verurteilt
Die Herausgeberin von Kanbawza Tai News, Nann Nann Tai, auch bekannt als Nann Nway Nway Hlaing, und eine ihrer Reporterinnen, Nang Win Yi, wurden in einem Berufungsverfahren zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Die beiden Journalistinnen, die am 24. März 2021 in Taunggyi verhaftet worden waren, waren im vergangenen Dezember auf der Grundlage des Allzweckparagrafen 505a verurteilt worden. Kanbawza Tai News ist ein Medium mit Sitz in Taunggyi, der Hauptstadt des nordöstlichen Shan-Staates.
11. März: 11 Jahre Gefängnis für Reporter von Bago Weekly
Nyein Chan Wai, ein Reporter der Bago Weekly mit Sitz in Tharrawaddy, einer Stadt nördlich von Yangon, wurde wegen „Aufwiegelung zur Unzufriedenheit mit der Regierung“ gemäß Paragraf 124 Strafgesetzbuch zu einer äußerst harten Strafe von acht Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Diese kommt zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe noch hinzu, die er bereits am 16. Dezember gemäß Paragraf 505a erhalten hatte. Er wird nun mehr als elf Jahre im Gefängnis verbringen müssen.
10. März: Journalist verhaftet, begnadigt, freigelassen… und wieder verhaftet
Nachdem der in Yangon lebende freiberuflich arbeitende Reporter Soe Yarzar Tun von Soldaten entführt worden war, musste seine Familie sechs Tage warten, bis die Polizei ihnen endlich mitteilte, dass er auf dem Polizeirevier Hlegu Myoma festgehalten wird. Dies ist schon das zweite Mal, dass er verhaftet wurde. Bereits wenige Wochen nach dem Staatsstreich vom Februar 2021 verbrachte er vier Monate im Gefängnis von Insein, bis er am 30. Juni 2021 begnadigt wurde. Für ihn, wie für viele Medienschaffende in Myanmar, geht der Albtraum nun weiter.
Reporter ohne Grenzen (RSF) / 05.04.2022
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