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Türkisches Justizministerium will den Prozess im Mord an Jamal Khashoggi einstellen

Türkei / Saudi-Arabien

Reporter ohne Grenzen (RSF)

Reporter ohne Grenzen (RSF) ist zutiefst besorgt über die Ankündigung des türkischen Justizministers, das Gerichtsverfahren im Mord am saudi-arabischen Kolumnisten Jamal Khashoggi einzustellen und den Fall an Saudi-Arabien zu übergeben. Khashoggi war im Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul bestialisch ermordet worden. Sollte die türkische Justiz diesen Schritt tatsächlich vollziehen, wären alle noch verbliebenen Hoffnungen auf eine strafrechtliche Verfolgung dahin.

„Dass die Türkei den Prozess in der Türkei nach 21 Monaten beenden will, ist enttäuschend und ein schwerer Schlag für die Suche nach Gerechtigkeit“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Wir fordern Justizminister Bekir Bozdağ und die türkischen Gerichte auf, ihren Teil zur Bekämpfung der Straflosigkeit für dieses schreckliche Verbrechen beizutragen und den Fall zu Ende zu bringen.“

Im Istanbuler Çağlayan-Gericht verfolgte RSF-Vertreter Erol Önderoğlu die bislang letzte Anhörung am Donnerstag (31.03.). In dieser gab der Staatsanwalt überraschend bekannt, dass Saudi-Arabien offiziell die Übernahme des Falles beantragt hat, dass er diesen Antrag unterstützen werde und den Abschluss des türkischen Verfahrens fordere. Am Freitag (01.04.) sagte Justizminister Bekir Bozdağ, die türkische Regierung werde dem Çağlayan-Gericht empfehlen, den Prozess einzustellen. Die nächste Anhörung war ursprünglich für den 7. April angesetzt.

Zwar sagte Justizminister Bozdağ weiter, die türkische Justiz werde das zu erwartende Urteil im Prozess in Saudi-Arabien „bewerten“ und behalte sich vor, gegebenenfalls die Ermittlungen wiederaufzunehmen. Dennoch steht zu befürchten, dass eine solche Ankündigung eher unter politischen Gesichtspunkten zu verstehen ist denn als verlässliche Information.

RSF hat das Verfahren an allen Prozesstagen in Istanbul beobachtet

RSF ist die einzige Nichtregierungsorganisation, die das gesamte Verfahren in Istanbul beobachtet hat. Seit Juli 2020 wurden 26 Angeklagte, allesamt saudi-arabische Staatsangehörige, in Abwesenheit vor Gericht gestellt. Sie wurden von der Istanbuler Anwaltskammer anwaltlich vertreten. RSF hatte beantragt, als Zivilpartei zu dem Verfahren zugelassen zu werden; dieser Antrag wurde vom Gericht im November 2020 abgelehnt. Im März 2021 lehnte das Gericht den Antrag von Khashoggis Verlobter Hatice Cengiz ab, den kurz zuvor veröffentlichten Bericht des US-Geheimdienstes CIA als Beweismittel zuzulassen. In diesem wird der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman als Verantwortlicher für die Ermordung Khashoggis genannt.

In Saudi-Arabien selbst wurden für das Verbrechen inzwischen acht nicht identifizierte Männer rechtskräftig zu sieben bis 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Drei weitere Angeklagte wurden freigesprochen. Das Verfahren fand jedoch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und entsprach rechtsstaatlichen Anforderungen in keiner Weise. Drei weitere Angeklagte, darunter hochrangige saudi-arabische Beamte, wurden freigesprochen.

Reporter ohne Grenzen hat von Anfang an eine umfassende Aufklärung des Mordes an Jamal Khashoggi gefordert. Mit der Schließung des Prozesses in der Türkei werden andere Verfahren umso bedeutsamer, etwa nach dem Weltrechtsprinzip. Anfang März 2021 hatte RSF beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe Strafanzeige gegen Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman und vier weitere hochrangige Vertreter des Königreichs wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingereicht. Wegen des Mordes an Jamal Khashoggi und der unrechtmäßigen Inhaftierung von 34 Journalistinnen und Journalisten in Saudi-Arabien wirft RSF ihnen vor, Medienschaffende anhaltend und systematisch zu verfolgen.

Insgesamt ist die Situation der Pressefreiheit in dem Land nach wie vor düster: 28 Journalistinnen und Journalisten wurden im Zusammenhang mit ihrer Arbeit inhaftiert. Der Blogger Raif Badawi wurde, nachdem er vor kurzem nach Ablauf einer zehnjährigen Haftstrafe aus dem Gefängnis entlassen wurde, mit einem ebenso langen Reiseverbot belegt.

Reporter ohne Grenzen (RSF) / 01.04.2022

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