Reporter ohne Grenzen (RSF) hat am Mittwoch (16.03.) zum zweiten Mal Strafanzeige gegen Russland beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) eingereicht. In dieser fordert RSF den IStGH-Chefankläger Karim Khan auf, die von den russischen Streitkräften im Zuge des Krieges in der Ukraine begangenen Verbrechen gegen Medienschaffende zu untersuchen. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine sind mindestens acht Journalistinnen, Journalisten und Medienteams absichtlich von russischen Streitkräften beschossen oder von Bombardierungen getroffen worden. Bereits am 4. März hatte RSF eine Strafanzeige aufgrund von Russlands Angriffen auf Fernsehtürme in der Ukraine eingereicht. Die zweite Beschwerde umfasst auch weitere solcher Vorfälle.
„Immer häufiger nehmen die russischen Streitkräfte Medienschaffende ins Visier“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die Tötungsabsicht ist in mehreren Fällen eindeutig nachweisbar – sie können also nur als Kriegsverbrechen eingestuft werden. Journalistinnen und Journalisten sind in bewaffneten Konflikten durch das Völkerrecht geschützt. Es ist an der Zeit, dass der IStGH-Chefankläger zeigt, dass dies keine leere Phrase ist. RSF wird alles daransetzen, um sicherzustellen, dass diese Verbrechen untersucht, verfolgt und bestraft werden.“
Seit dem Beginn des russischen Einmarsches in der Ukraine am 24. Februar häufen sich die gezielten Angriffe auf Medienschaffende: Ein britisches Fernsehteam von Sky News wurde am 28. Februar in der Nähe von Kyjiw (Kiew) mutmaßlich unter russischen Beschuss genommen; ein tschechisches Team von Voxpot geriet am 3. März in Makariw unter Beschuss; der Schweizer Journalist Guillaume Briquet wurde am 6. März zwischen Kropywnyzkyj und Mykolajiw von Scharfschützen beschossen; ein Fernsehteam von Al-Araby wurde am 8. März von Scharfschützen beschossen; und das Auto der ukrainischen Journalistin Viktoria Roschina wurde am 9. März Ziel von Schüssen.
In jedem dieser Fälle waren die Medienschaffenden eindeutig als solche zu erkennen. RSF liegen Beweise vor, dass die Schüsse absichtlich auf die Journalistinnen und Journalisten gerichtet waren und dass sie von russischen Streitkräften kamen. RSF konnte Aussagen von den Al-Araby-Journalisten und von Guillaume Briquet einholen und hat sie an den Ankläger des IStGH weitergereicht.
Es gab weitere Angriffe, bei denen die RSF gute Gründe für die Annahme hat, dass sie von der russischen Armee verübt wurden, auch wenn die Organisation dies bislang nicht formell nachweisen kann. Dazu gehören der gezielte Schussangriff am 26. Februar, bei dem zwei Journalisten der dänischen Zeitung Ekstra-Bladet schwer verletzt wurden, die Angriff am 13. März, bei dem der US-Journalist Brent Renaud getötet wurde, und jener auf ein Fox-News-Team am 14. März, bei dem der französisch-irische Kameramann Pierre Zakzrewski und seine ukrainische Kollegin Oleksandra Kuwschynowa getötet wurden und der US-Journalist Benjamin Hall schwer verletzt wurde.
Medienschaffende gelten laut Völkerrecht als Zivilistinnen und Zivilisten und als geschützte Personen. Ein vorsätzlicher Angriff auf sie ist ein Kriegsverbrechen. Angesichts der Zahl und Frequenz der Angriffe auf Medienschaffende in der Ukraine liegt der Schluss nahe, dass diese Angriffe im Rahmen eines Plans oder einer Strategie erfolgten oder in großem Maßstab durchgeführt wurden, was ihre Einstufung als Kriegsverbrechen noch verstärkt.
Das Gleiche gilt für die jüngsten Angriffe auf Fernsehtürme, die in der Strafanzeige angeführt werden. Nach den Angriffen auf vier Türme vom 1. bis 4. März wurden zwei weitere Fernsehtürme in Charkiw und Bilopillja angegriffen.
Reporter ohne Grenzen (RSF) / 18.03.2022
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