Die russische Aggression gegen die Ukraine sei eine „Stunde der Wahrheit für Europa“. Das hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Dienstag auf der Plenartagung des Europäischen Parlaments betont. „Es ist ein Konflikt zwischen Rechtsstaatlichkeit und dem Recht des Stärkeren, zwischen Demokratien und Autokratien, zwischen einer regelbasierten Ordnung und einer Welt der blanken Aggression. Die Art unserer heutigen Reaktion auf das Vorgehen Russlands wird die Zukunft der Weltordnung bestimmen“, so von der Leyen. „Das Schicksal der Ukraine steht auf dem Spiel, aber es geht auch um unser eigenes Schicksal. Wir müssen die Kraft zeigen, die in unseren Demokratien steckt, d. h. die Macht der Menschen, die ihren unabhängigen Weg frei und demokratisch wählen.“
Die Kommissionspräsidentin erklärte weiter: „Heute hat sich eine Union mit fast einer halben Milliarde Menschen für die Ukraine erhoben. EU-weit demonstrieren die Menschen vor den russischen Botschaften. Viele von ihnen nehmen Ukrainerinnen und Ukrainer bei sich auf, die vor Putins Bomben fliehen. Und ich möchte insbesondere Polen, Rumänien, der Slowakei und Ungarn dafür danken, dass sie diese Frauen, Männer und Kinder aufgenommen haben. Europa wird sie nicht im Stich lassen — nicht nur in diesen ersten Tagen, sondern auch in den kommenden Wochen und Monaten nicht. Wir schlagen vor, den Mechanismus des vorübergehenden Schutzes zu aktivieren, um ihnen einen sicheren Status und Zugang zu Schulen, medizinischer Versorgung und Arbeit zu verschaffen. Sie haben es verdient. Wir wissen, dass dies nur der Anfang ist. Noch mehr Ukrainerinnen und Ukrainer werden unseren Schutz und unsere Solidarität benötigen. Wir sind und bleiben für sie da.“
Zu den von der EU ergriffenen Sanktionen gegen Russland sagte von der Leyen: „In kürzester Zeit hat die Europäische Union drei Stufen harter Sanktionen gegen das Finanzsystem Russlands, seine High-Tech-Industrie und seine korrupte Elite verhängt. Das ist das größte Sanktionspaket in der Geschichte unserer Union. Wir ergreifen diese Maßnahmen nicht leichtfertig, aber wir sind der Ansicht, dass wir so handeln mussten.“
Kommissionspräsidentin von der Leyen verwies auf die enge Abstimmung mit internationalen Partner und Verbündeten: „Bis heute haben auch mehr als 30 Länder, die weit mehr als die Hälfte der Weltwirtschaft ausmachen, Sanktionen und Ausfuhrkontrollen gegen Russland angekündigt. Wenn Putin versucht hat, die EU zu spalten, die NATO zu schwächen und die internationale Gemeinschaft zu zerschlagen, so hat er genau das Gegenteil erreicht.“
Von der Leyen betonte, sie sei sich bewusst, dass diese Sanktionen auch für die europäische Wirtschaft mit Kosten verbunden sein werden: „Ich weiß das, und ich möchte gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern Europas offen sein. Ja, der Schutz unserer Freiheit hat seinen Preis. Aber es ist ein Kampf, den wir führen müssen. Und wir sind bereit, die Kosten zu tragen. Denn Freiheit hat kein Preisschild.“
Die Kommissionspräsidentin sagte weiter: „Wenn wir entschlossen handeln, kann Europa diese Herausforderung bewältigen. Das gilt auch für unsere Verteidigung. Europas Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist in den letzten sechs Tagen weiter vorangekommen als in den zwei Jahrzehnten zuvor. Die meisten Mitgliedstaaten haben zugesagt, militärische Ausrüstung an die Ukraine zu liefern. Deutschland hat angekündigt, dass es das Zwei-Prozent-Ziel der NATO so bald wie möglich erreichen will. Und zum ersten Mal überhaupt setzt die Union den EU-Haushalt zur Beschaffung und Lieferung von Waffen für ein Land ein, dass angegriffen wurde. Wir werden die Verteidigung der Ukraine mit 500 Mio. Euro aus der Europäischen Friedensfazilität unterstützen. Wir werden dies in einem ersten Schritt um mindestens 500 Mio. Euro aus dem EU-Haushalt ergänzen, um die humanitären Folgen dieses tragischen Krieges sowohl im Land als auch für die Flüchtlinge zu bewältigen.“
Abschließend sagte von der Leyen: „In diesen Tagen steht die unabhängige Ukraine vor ihrer dunkelsten Stunde. Gleichzeitig halt das ukrainische Volk die Fackel der Freiheit stellvertretend für uns alle aufrecht. Die Ukrainer beweisen einen unermesslichen Mut. Sie kämpfen um ihr nacktes Leben. Sie kämpfen aber auch für universelle Werte und sind bereit, für sie zu sterben. Präsident Selenskyj und das ukrainische Volk sind eine echte Inspiration für uns. Als wir das letzte Mal miteinander sprachen, wiederholte er, dass es der Traum seines Volkes sei, der Union beizutreten. Heute sind die EU und die Ukraine enger den je miteinander verbunden. Aber es liegt noch ein langer Weg vor uns. Wir müssen diesem Krieg ein Ende setzen. Und wir sollten über die nächsten Schritte sprechen. Ich bin sicher: Niemand in diesem Plenarsaal kann daran zweifeln, dass ein Volk, das so mutig für unsere europäischen Werte steht, zu unserer europäischen Familie gehört.“
EU-Kommission / 01.03.2022
Foto: EU-Kommission