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Gericht bestätigt Verbot kurdischer Verlage

AZADÎ: Verheerendes Signal gegenüber der kurdischen Community

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verbot der kurdischen Verlage Mezopotamien Verlag und MIR Multimedia bestätigt. Was mit den beschlagnahmten Büchern und dem wohl größten kurdischen Musikarchiv geschieht, ist unklar.

Am Mittwoch wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Klage des Mezopotamien Verlags und von MIR Multimedia gegen ihr Verbot durch das Innenministerium verhandelt. Beide Medienbetriebe wurden 2019 unter Horst Seehofer mit der Begründung verboten, sie würden einzig und allein dem organisatorischen Zusammenhalt der PKK dienen.

Verbot bestätigt

Das Bundesverwaltungsgericht sah personelle Überschneidungen zwischen PKK und beiden Medienbetrieben als erwiesen an. Der Mezopotamien Verlag diene zudem der Verbreitung von PKK-Propaganda und der MIR Musikvertrieb der Finanzierung der PKK, hieß es in der Urteilsbegründung. Was mit dem wohl größten Archiv kurdischer Musik und etwa 50.000 Büchern geschieht, ist derzeit unklar. Es bleibt jedoch zu befürchten, dass diese nun vernichtet werden.

Breite Solidarität

Vor dem Gerichtsgebäude fand während der Verhandlung eine Solidaritätskundgebung statt, an der etwa siebzig Personen teilnahmen, darunter Autor:innen und Musiker:innen, die in den verbotenen Medienhäusern veröffentlicht haben. Im Vorfeld des Prozesses haben über 100 Kulturschaffende und Verlage eine Solidaritätserklärung unter dem Titel „Gegen politische Zensur und die Einschränkung von Publikationsfreiheit und kultureller Vielfalt“ veröffentlicht.
Auf der Kundgebung sprach unter anderem die sächsische Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (DIE LINKE) und forderte die Aufhebung des Verbotes.

Schwierige Prozessvorbereitung

Vor dem Prozess äußerten sich die Anwälte der beiden Medienvertriebe kritisch zum Verfahrensablauf, ihnen sei kein Zugang zu den beschlagnahmten Büchern gewährt worden, lediglich zu den Geschäftsunterlagen. Aus ihrer Sicht ist das Verbot der Kulturunternehmen nach dem Vereinsgesetz ein schwerwiegender Eingriff in die Kunstfreiheit und ein Verstoß gegen die grundgesetzlich garantierte Verhältnismäßigkeit. Sie verwiesen etwa darauf, dass der Mezopotamien Verlag nicht nur Bücher in verschiedenen Sprachen zu kurdischer Geschichte, zur kurdischen Frauenbewegung und Schriften von Abdullah Öcalan veröffentlicht hat, sondern auch in türkische und kurdische Sprache übersetzte Romane und Klassiker der Weltliteratur sowie Kinderbücher. Keines des Werke wurde je beanstandet, es gab keinerlei Klagen aufgrund irgendwelcher Inhalte.

AZADÎ: Verheerendes Signal gegenüber der kurdischen Community

„Bei der Vorstellung, das auf Anordnung der Bundesregierung tonnenweise kurdische Kulturgüter vernichtet werden, kann es einem angesichts der deutschen Geschichte nur übel werden“, so der Rechtshilfefond AZADÎ zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts.

Am gestrigen Mittwoch bestätigte der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig das Verbot des Mezopotamien-Verlags und des Musikvertriebs MIR als Teilorganisationen der PKK. Beide Medienbetriebe wurden 2019 unter dem damaligen Bundesinnenministers Horst Seehofer mit der Begründung verboten, sie würden einzig und allein dem organisatorischen Zusammenhalt der PKK dienen. Gegen das Urteil werden beide Vertriebe Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht einlegen.

„Wir sehen als Azadî in dem heutigen Urteil ein verheerendes Signal gegenüber der kurdischen Community in Deutschland. Die Unterdrückung ihrer Sprache, Kultur und Tradition hat in der Türkei Generationen von Kurd:innen traumatisiert. In ihrem Verfolgungseifer gegen die PKK schreckt nun auch der deutsche Staat nicht davor zurück, alle Grundsätze von Kultur- und Meinungsfreiheit zu ignorieren und sich der türkischen Staatspolitik in diesem Punkt anzunähern. Mit dem Urteil aus Leipzig werden wahrscheinlich auch die letzten Menschen mit kurdischen Wurzeln ihr Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hier in Deutschland verloren haben. Bei der Vorstellung, das auf Anordnung der Bundesregierung tonnenweise kurdische Kulturgüter vernichtet werden, kann es einem angesichts der deutschen Geschichte nur übel werden“, so der Rechtshilfefond AZADÎ e.V.  In der Erklärung heißt es weiter:

Am 8. März 2018 waren das Verlagshaus und der Musikbetrieb zwei Tage lang durchsucht worden. Dabei wurde mehrere Tonnen Bücher und Musikträger beschlagnahmt. Die Begründung lautete, die Einrichtungen dienten durch ihr Verlagsprogramm der Aufrechterhaltung des organisatorischen Zusammenhalts der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), als deren Teilorganisation sie zu betrachten seien. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und das Zentrum der Vereinigung der Schriftsteller:innen PEN übten damals harsche Kritik am staat­lichen Vorgehen gegen den Verlag und sahen hierdurch die Kunst- und Literaturfreiheit in Deutschland bedroht.

Am 12. Februar 2019 erfolgten dann erneute Durchsuchungen und Beschlagnahmungen und ein Verbot des Verlages und des Musikvertriebes nach dem Vereinsgesetz durch den damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer. Die Anschuldigungen wurden um den Punkt erweitert, dass angeblich alle betriebswirtschaftlichen Aktivitäten ausschließlich der PKK zugutekommen würden. Diese Argumentation wurde im Laufe des Verfahrens ins Gegenteil verkehrt.

Das Leipziger Gericht sah in seinem Urteil den Vertrieb von Büchern und Zeitschriften durch den Mezopotamien-Verlag als Propagandatätigkeit für die PKK ungeachtet der Tatsache, dass sich nur ein Teil der vertriebenen Produkte überhaupt mit aktueller Politik befassten. Außerdem habe das Unternehmen von der Europaführung der PKK finanzielle Zuschüsse erhalten und sei ihr rechenschaftspflichtig gewesen. Bei dem Musikvertrieb MIR verneinte das Gericht zwar eine Propagandatätigkeit, aber hier reichten ihm schon personelle Überschneidungen mit dem verbotenen Verlag und eine gemeinsame Firmenanschrift für eine Verbotsbestätigung. Der Geschäftsführer beider Gesellschaften war nach Auffassung des Gerichts ein hoher PKK-Kader. Ein milderes Mittel, etwa das Verbot einzelner Bücher oder Musikträger, wären nach Auffassung des Senats nicht effektiv gewesen und damit das Vorgehen des Bundesinnenministeriums verhältnismäßig. Was nun mit den etwa 50.000 beschlagnahmten Büchern und dem Musikarchiv geschieht, lässt das Urteil offen. Im schlimmsten Fall droht die Vernichtung.

Bei den beschlagnahmten Büchern des Mesopotamien Verlags handelt es sich sowohl um Romane, Kinderbücher als auch Bücher zur kurdischen Geschichte und Kultur. Ebenso vertrieben wurden soziologische und politische Bücher, etwa die Werke des seit über 20 Jahren auf der Gefängnisinsel Imrali in der Türkei einsitzenden PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan. Bei dem beschlagnahmten Besitz des Musikvertriebs MIR Multimedia handelt es sich neben Tonträgern, Tontechnik und Musikinstrumenten um das weltweit größte Archiv kurdischer Musik. Ebenso wurden bei Verlag und Musikvertrieb sämtliche Geschäftsunterlagen eingezogen, was den Anwälten die Verteidigung erheblich erschwerte. Bis heute dürfen die Anwälte nur die Geschäftsunterlagen und nicht die beschlagnahmten Bücher oder das konfiszierte Musikarchiv sichten.

Wir sehen als Azadi in dem heutigen Urteil ein verheerendes Signal gegenüber der kurdischen Community in Deutschland. Die Unterdrückung ihrer Sprache, Kultur und Tradition hat in der Türkei Generationen von Kurd:innen traumatisiert. In ihrem Verfolgungseifer gegen die PKK schreckt nun auch der deutsche Staat nicht davor zurück, alle Grundsätze von Kultur- und Meinungsfreiheit zu ignorieren und sich der türkischen Staatspolitik in diesem Punkt anzunähern. Mit dem Urteil aus Leipzig werden wahrscheinlich auch die letzten Menschen mit kurdischen Wurzeln ihr Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hier in Deutschland verloren haben. Bei der Vorstellung, das auf Anordnung der Bundesregierung tonnenweise kurdische Kulturgüter vernichtet werden, kann es einem angesichts der deutschen Geschichte nur übel werden.

ANF

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