In einer Garage im mittelfränkischen Schwabach wurde vor über 30 Jahren Toolcraft gegründet. Seitdem ist das Unternehmen kontinuierlich auf mittlerweile über 400 Mitarbeiter gewachsen und vereint verschiedene Technologien unter einem Dach. Neben Zerspanung, Robotik, Spritzguss und Formenbau ist die Additive Fertigung ein wichtiger Geschäftsbereich, für den Toolcraft mittlerweile nach Nadcap-Standards zertifiziert ist.
Meilensteine der Additiven Fertigung bei Toolcraft
Nach ersten Berührungspunkten mit 3D-gedruckten Bauteilen wurde im Jahr 2011 die Additive Fertigung als Geschäftsbereich bei Toolcraft ins Leben gerufen. In diesem Zuge begann kurz darauf der Bau einer zusätzlichen Halle mit eigenem Labor, um tiefer in diese Zukunftstechnologie einzusteigen. Seit 2017 kommt in der Additiven Fertigung bei Toolcraft die Software von Siemens‘ NX zum Einsatz. Dadurch ist es möglich, die Durchgängigkeit innerhalb der gesamten Prozesskette zu gewährleisten. Fast zeitgleich wurde das mittelständische Unternehmen für seine Additive Fertigung nach Nadcap und durch den TÜV Süd zertifiziert. Vor zwei Jahren investierte das mittelständische Unternehmen in eine individuell angepasste LMD-Anlage von Trumpf mit horizontaler und vertikaler Rotationsachse. Dadurch ist „Extremes Hochgeschwindigkeits-Laser-Auftragschweißen“ (EHLA) möglich – entwickelt und patentiert vom Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT. Aktuell zählen zwölf Pulverbett-Anlagen und eine Anlage mit Pulverdüse zum Maschinenpark. Mit dem neu gegründeten Geschäftsbereich AMbitious bietet Toolcraft zusätzlich Schulungen und individuelle Projektunterstützung an. Auf diese Weise können andere Unternehmen von der langjährigen Erfahrung im Bereich der Additiven Fertigung profitieren sowie Fachwissen und Software erwerben.
Prozesskette eines additiv gefertigten Bauteils
Der Prozess der Additiven Fertigung beginnt mit dem Design und der Simulation. Dieser Schritt hat viele verschiedene Facetten: Von der klassischen Konstruktion bis hin zum Reverse Engineering und der Topologie Optimierung. Anschließende, prozessbegleitende Analysen sichern kontinuierlich die Qualität des zu fertigenden Bauteils: Bei der Werkstoffanalyse des eingesetzten Pulvers werden beispielsweise die Korngrößenverteilung sowie der Sauerstoff- und Stickstoffgehalt geprüft. Zum Post-Process nach der eigentlichen Fertigung gehören die vollständige Entpulverung des Bauteils und die anschließende Wärmebehandlung sowie die Abtrennung von der Bauplatte und die Entfernung der Supportstrukturen. Je nach Zeichnungsanforderung und Kundenspezifikation ist eine gewisse Weiterbearbeitung notwendig. Diese erfolgt auf einem CNC-Bearbeitungszentrum. Oftmals werden auch bestimmte Anforderungen an die Oberfläche gestellt, welche dann mittels Finishverfahren erfüllt werden. Für Qualitätssicherungsmaßnahmen stehen taktile und optische Verfahren zur Verfügung. Auch können Bauteile zerstörungsfrei auf Risse geprüft oder Begleitproben im Labor analysiert werden.
Additive Fertigung nach Nadcap-Standard
Um als Unternehmen für die Herstellung von additiv gefertigten Bauteilen nach Nadcap zertifiziert zu werden, sind im Vorfeld zahlreiche Maßnahmen notwendig. Nach der Beleuchtung des kompletten Prozesses müssen Mitarbeiter fundiert geschult und entsprechend zugelassen werden, z. B. als Maschinenbediener, Projektleiter oder Sichtprüfer.
Auch im Pre-Process warten einige Herausforderungen: Wartungspläne für Maschinen und Siebstationen müssen erstellt und definierte Wartungsintervalle nachvollziehbar eingehalten werden. Bei der Pulverqualität spielen Einkaufsspezifikationen und die Wareneingangsprüfung eine wichtige Rolle. Um Analysen zur Korngrößenverteilung und zum Sauerstoff- und Stickstoffgehalt durchführen zu können, muss eine sinnvolle Pulverprobenentnahme definiert werden. Dafür ist die Einbindung eines Labors unverzichtbar – entweder als Dienstleistung oder mit eigenem Labor. Toolcraft hat sich für die Einrichtung eines hauseigenen Labors entschieden, in welchem drei Werkstofftechniker verschiedene Auswertungen durchführen. Große Bedeutung für die Zertifizierung hat auch das Thema Qualifizierungsbaujob. Er wird immer dann wichtig, wenn es zur Erstabnahme einer Maschine oder eines neuen Materials kommt. Außerdem dient er der regelmäßigen Qualitätskontrolle. Bei der Baujobvorbereitung kommt es ebenso auf die Auslegung des Bauteils an sowie auf seine Anordnung und Ausrichtung im Bauraum. Unter Umständen kann eine Simulation notwendig sein, um mögliche Verzüge im Vorfeld ausschließen zu können und eine optimale Bauteilqualität sicherzustellen. Ergänzend muss ein Bauteilbegleitdokument geführt und gepflegt werden, um alle Arbeitsschritte mit den Prozessbeteiligten nachvollziehen zu können.
Für eine verifizierte Qualitätssicherung ist ein geeignetes Fertigungsumfeld mit kontinuierlicher Überwachung der maßgeblichen Faktoren wie Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit unabdingbar. Eine detaillierte Beschreibung des Fertigungsprozesses muss erstellt und von jedem Beteiligten eingehalten werden. Darüber hinaus bedarf es einiger Monitoringtools, die z. B. die Aufzeichnung des Sauerstoffgehalts, der Luftfeuchtigkeit oder der Bauraumheizung gewährleisten. Dazu gehören unter anderem auch Kamerasysteme für die Überwachung des Pulverbetts, um frühzeitig eventuelle Unregelmäßigkeiten des Pulverauftrags erkennen zu können. Diese und weitere Tools sind unverzichtbar und arbeiten mit höchster Genauigkeit, um minimale Prozessabweichungen zu erkennen. Natürlich spielt auch das menschliche Auge mit der Sichtprüfung im Rahmen der Fertigung nach wie vor eine wichtige Rolle.
Im Post-Process sind sowohl die klassische als auch die AM-spezifische Qualitätssicherung relevant. Zur Ersten gehört einerseits die optische Vermessung, um schnell und präzise die Optimierung und Qualitätsbestimmung des Bauteils zu ermöglichen. Andererseits besteht auch die Möglichkeit, Bauteile taktil zu vermessen, wobei Maße, Winkel, Symmetrien und Parallelitäten des Bauteils maschinell ertastet und etwaige Abweichungen sicher ausgeschlossen werden können. Bei der zerstörungsfreien Oberflächenprüfung zeigen sich in der Auswertkabine unter UVA-Licht sogar mikroskopisch kleine Risse. Die AM-spezifische Qualitätssicherung umfasst sowohl die statische als auch die dynamische Festigkeitsanalyse von Werkstoffen. Des Weiteren werden neben Sauerstoff- und Stickstoffgehalt auch Dichte und Porosität sowie das Gefüge analysiert.
Die Additive Fertigung nach den Nadcap-Standards ist zweifellos sehr komplex aber durchaus umsetzbar. Das beweist Toolcraft mit ihren ersten für die Luft- und Raumfahrtbranche zugelassenen Bauteilen.
toolcraft AG
Das mittelständische Familienunternehmen mit Sitz in Georgensgmünd und Spalt wurde 1989 von Bernd Krebs gegründet. Toolcraft ist Vorreiter in zukunftsweisenden Technologien wie der Additiven Fertigung und dem Bau von individuellen Turn-Key-Roboterlösungen. Als Partner für Komplettlösungen bietet Toolcraft die gesamte Prozesskette von der Idee über die Fertigung bis zum qualifizierten Präzisionsbauteil in den Bereichen CNC Zerspanung, Additive Fertigung sowie im Spritzguss und Formenbau. Zu den Kunden zählen Marktführer aus der Halbleiterindustrie, Luft- und Raumfahrt, Medizintechnik, optischen Industrie, dem Spezialmaschinenbau sowie Motorsport und Automotive. Teil der Unternehmensphilosophie ist zudem eine intensive Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern sowie Hochschulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen.
toolcraft AG / 07.01.2022
Foto: toolcraft AG