Der preisgekrönte Fantasy-Klassiker „Momo“ des 1995 verstorbenen deutschen Schriftstellers Michael Ende ist auf Kurdisch erschienen. Fast fünf Jahrzehnte nach Ersterscheinung des Klassikers der Kinder- und Jugendbuchliteratur hat sich der in Istanbul beheimatete „Verein für kurdische Studien“ dem Anliegen gewidmet, Endes Märchen-Roman über den Zauber der Zeit Kindern mit kurdischer Muttersprache zugänglich zu machen. Übersetzt wurde das Werk von Nîzam Algunerhan.
Momo, ein kleines struppiges Mädchen, lebt am Rande einer Großstadt in den Ruinen eines Amphitheaters, irgendwo im Süden Europas. Sie besitzt nichts als das, was sie findet oder was man ihr schenkt, und eine außergewöhnliche Gabe: Sie hört Menschen zu und schenkt ihnen Zeit.
„Momo konnte so zuhören, dass dummen Leuten plötzlich sehr gescheite Gedanken kamen. (…) Sie saß nur da und hörte einfach zu, mit aller Aufmerksamkeit und aller Anteilnahme. Dabei schaute sie den anderen mit ihren großen, dunklen Augen an, und der Betreffende fühlte, wie in ihm auf einmal Gedanken auftauchten, von denen er nie geahnt hatte, dass sie in ihm steckten.“
Doch ein gespenstisches Heer grauer Herren ist am Werk und veranlasst immer mehr Menschen, Zeit zu sparen. Sie geben sich als Agenten einer ominösen Zeitsparkasse aus und versuchen die Menschen der großen Stadt dazu zu bringen, nicht eine einzige freie Stunde, Minute, Sekunde ihres Lebens zu verschwenden. Schon gar nicht für Dinge, die das Leben bunt und schön machen. Aber in Wirklichkeit betrügen sie die Menschen um diese ersparte Zeit und nehmen ihnen alle Lebensfreude. Je mehr die Menschen an Zeit sparen, desto ärmer, hastiger und kälter wird ihr Dasein. Am meisten bekommen die Kinder diese Lieblosigkeit zu spüren. Als die Not am größten ist, greift Meister Hora ein, der geheimnisvolle Verwalter der Zeit. Doch braucht er dazu die Hilfe eines Menschenkindes. Momo, die Heldin der Geschichte, übernimmt die schwierige Aufgabe und kämpft ganz allein, mit nichts als einer Blume in der Hand und einer Schildkröte unter dem Arm, gegen das riesige Heer der grauen Herren – und siegt auf wunderbare Weise.
Erhältlich ist die kurdische Übersetzung von „Momo“ bislang über den Verein für kurdische Studien und Buchhandlungen in der Türkei beziehungsweise in Nordkurdistan. Seit März 2017 setzt die Vereinigung sich als „Komeleya Lêkolînên Kurdî“ gegen die staatsideologisch legitimierte Leugnung- und Assimilationspolitik in der Türkei und für den Erhalt der kurdischen Sprachen, der Kultur und Literatur ein. Ein besonderes Anliegen ist die Förderung von Kurdisch im Alltag und der Kampf für das Recht auf muttersprachlichen Unterricht. Gegründet wurde die Einrichtung aber bereits am 18. April 1992, allerdings als das Kurdische Institut Istanbul („Enstîtuya Kurdî ya Stenbolê”). Die Namensänderung war Folge eines durch die Erdogan-Regierung per Notstandsregelung im Jahr 2016 erlassenen Vereinsverbots. Bis auf die Bezeichnung hat sich im Institut nichts geändert.