Die Europäische Kommission hat Freitag Vorschläge vorgelegt, um langfristig für kontinuierliche Arzneimittel-Lieferungen von Großbritannien nach Nordirland zu sorgen. Sie will zudem die Lieferengpässe in Zypern, Irland und Malta beseitigen. Das bedeutet im Zusammenhang mit dem Protokoll zu Irland/Nordirland, dass in Nordirland und im übrigen Vereinigten Königreich weiterhin dieselben Arzneimittel erhältlich sind. Besondere Bestimmungen sorgen dafür, dass im Vereinigten Königreich zugelassene Arzneimittel nicht in den Binnenmarkt gelangen.
Seit Jahresbeginn arbeitet die Kommission in der Arzneimittelfrage intensiv mit Bürgern, Industrie und anderen Wirtschaftsvertretern in der EU und im Vereinigten Königreich zusammen. Die EU-Kommission und die britische Regierung haben umfassende Gespräche geführt, um eine dauerhafte Lösung zu finden. Der heute vorgelegte Vorschlag spiegelt das Ergebnis der eingehenden Gespräche zwischen dem für interinstitutionelle Beziehungen und Vorausschau zuständigen Kommissionsvizepräsidenten Maroš Šefčovič und dem britischen Brexit-Minister David Frost wider und wird den Bedenken der von der Kommission umfassend eingebundenen Beteiligten gerecht.
Vizepräsident Šefčovič erklärte: „Ich habe zugesagt, alles Erforderliche zu tun, um die kontinuierliche Versorgung Nordirlands mit Arzneimitteln sicherzustellen, gerade in diesen schwierigen Pandemie-Zeiten. Heute wird diese Solidarität mit den Menschen in Nordirland zu einer dauerhaften Lösung, die wir unseren engen Kontakten mit allen Beteiligten verdanken. Die Arzneimittelfrage macht deutlich, dass die EU und das Vereinigte Königreich zum Wohle aller in Nordirland zusammenarbeiten können. Sie zeigt auch, dass das Protokoll flexibel genug ist, um vor Ort zu funktionieren. Um diese Flexibilität auch weiterhin nutzen zu können, müssen wir diese Dynamik nun auch in die anderen Themengebiete tragen.“
EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides ergänzte: „Jeder weiß, wie wichtig die kontinuierliche Versorgung mit Arzneimitteln für Hunderttausende Menschen in Nordirland, aber auch in Zypern, Irland und Malta ist, die traditionell über das Vereinigte Königreich beliefert werden. In den vergangenen Monaten haben wir alles für eine Lösung getan, die allen Menschen gerecht wird. Wir wollen, dass sie die Arzneimittel, die sie brauchen, auch jederzeit bekommen. Damit wir jetzt rasch handeln können, bitte ich das Europäische Parlament und den Rat, unsere Vorschläge baldmöglichst anzunehmen.“
Mit dem heute eingebrachten Vorschlag kommt die Kommission ihrer Absicht nach, die Umsetzung des Protokolls zu Irland/Nordirland entsprechend dem am 13. Oktober 2021 vorgelegten Paket weitreichender Lösungen für Nordirland vor Ort zu erleichtern.
Die EU wird ihre eigenen Arzneimittel-Vorschriften ändern, damit
- Generika (wie Paracetamol) nach nationalen Verfahren des Vereinigten Königreichs zugelassen werden können. Die Menschen in Nordirland können genauso wie die Menschen im übrigen Vereinigten Königreich auf diese Arzneimittel zugreifen.
- die Menschen in Nordirland ebenso wie jeder andere Mensch im übrigen Vereinigten Königreich Zugriff auf innovative lebensrettende Medikamente (einschließlich neuer Mittel gegen Krebs) haben. Eine „Übergangslösung“ sorgt dafür, dass im Vereinigten Königreich zugelassene neue Arzneimittel nach Nordirland ausgeliefert werden können, bis auch die EU eine entsprechende Zulassung erteilt. Diese Lösung ergänzt die bereits bestehenden Härte- und Notfallmechanismen des EU-Rechts.
- alle Regulierungsaufgaben im Vereinigten Königreich verbleiben können, wenn sie sich derzeit dort befinden.
- bei Arzneimitteln, die aus dem übrigen Vereinigten Königreich nach Nordirland verbracht werden, Chargentests nicht wiederholt werden müssen, wenn sie bereits in Großbritannien oder in der EU erfolgten.
- für Arzneimittel, die von Großbritannien nach Nordirland geliefert werden, unter bestimmten Bedingungen keine Herstellungs- oder Einfuhrgenehmigungen erforderlich sind.
- eine Genehmigung der Regulierungsbehörde des Vereinigten Königreichs es Unternehmen mit Sitz in Großbritannien ermöglichen kann, bei der Belieferung von Märkten in Großbritannien und Nordirland Verpackung und Beipackzettel zu kombinieren. Eine eigene Verpackung wäre somit nicht erforderlich.
- für Malta, Zypern und Irland während eines Zeitraums von drei Jahren bestimmte Ausnahmeregelungen gelten. Während dieser drei Jahre brauchen dortige Importeure von Arzneimitteln aus dem Vereinigten Königreich somit keine Herstellungsgenehmigungen. Diese Arzneimittel müssen nicht erneut getestet werden, wenn sie bereits im Vereinigten Königreich getestet wurden. Dadurch erhalten die Betreiber mehr Zeit für die Umstellung. Im Rahmen der EU-Arzneimittelstrategie wird derzeit an einer langfristigen, dauerhaften Lösung gearbeitet.
Die heute vorgelegten Vorschläge verlangen auch, dass das Vereinigte Königreich bestimmten Bedingungen nachkommt:
- Der Vorschlag enthält Verpackungsvorschriften, um sicherzustellen, dass im Vereinigten Königreich zugelassene Arzneimittel nicht in den Binnenmarkt gelangen.
- Das Vereinigte Königreich übernimmt die alleinige Verantwortung für die Zulassung von Arzneimitteln für Nordirland. Das setzt voraus, dass das Vereinigte Königreich bei der Erteilung von Marktzulassungen für Nordirland die EU-Rechtsvorschriften in puncto Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von Humanarzneimitteln inhaltlich einhält. Dies verringert die Risiken für den EU-Binnenmarkt.
Nächste Schritte
Die heute eingebrachten Legislativvorschläge werden dem Europäischen Parlament und dem Rat übermittelt, sobald alle Sprachfassungen vorliegen. Die Kommission bittet die beiden gesetzgebenden Organe nachdrücklich, sich dieser Vorschläge im Interesse der Menschen und der Unternehmen in Nordirland und der drei betroffenen Mitgliedstaaten baldmöglichst anzunehmen.
Im Sinne von Stabilität und Berechenbarkeit wird der Auslegungsvermerk der Kommission erweitert, um die Arzneimittelversorgung Nordirlands, Zyperns, Irlands und Maltas auch weiterhin zu gewährleisten. Bestehende Regelungen werden daher beibehalten. Diese Maßnahme gilt bis Ende 2022, sofern das Gesetzgebungsverfahren nicht früher abgeschlossen wird.
EU-Kommission Vertretung Deutschland / 17.12.2021
Foto: EU-Kommission Vertretung Deutschland