Die EU-Kommission hat die Vorschriften präzisiert, nach denen die Mitgliedstaaten europäische Unternehmensneugründungen und KMU beim Zugang zu Finanzmitteln unterstützen können. Dazu hat sie Montag die überarbeiteten Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Förderung von Risikofinanzierungen („Risikofinanzierungsleitlinien“) verabschiedet. Die überarbeiteten Leitlinien gelten ab dem 1. Januar 2022. Außerdem hat die Kommission heute eine überarbeitete Mitteilung über die kurzfristige Exportkreditversicherung angenommen.
Die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission Margrethe Vestager erklärte zu den überarbeiteten Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Förderung von Risikofinanzierungen: „Unternehmensneugründungen und kleine und mittlere Unternehmen stehen im Mittelpunkt der wirtschaftlichen Erholung Europas. Es ist von grundlegender Bedeutung sicherzustellen, dass diese Unternehmen Zugang zu Finanzmitteln haben, damit sie ihr Wachstumspotenzial optimal ausschöpfen und den grünen und den digitalen Wandel möglichst gut bewältigen können. Daher haben wir nach einem umfassenden Konsultationsprozess gezielte Änderungen und weitere Vereinfachungen an den bestehenden Beihilfevorschriften vorgenommen. Dies wird es den Mitgliedstaaten ermöglichen, europäischen Unternehmensneugründungen und kleinen und mittleren Unternehmen finanzielle Anreize zu bieten, um Investitionen anzuziehen, wenn der Markt die benötigten Finanzmittel allein nicht bereitstellen kann.“
Mit den überarbeiteten Leitlinien werden die Vorschriften, nach denen die Mitgliedstaaten europäische Unternehmensneugründungen, kleine und mittlere Unternehmen („KMU“) und Unternehmen mittlerer Kapitalisierung beim Zugang zu Finanzmitteln unterstützen können, präzisiert und vereinfacht und gleiche Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt gewährleistet.
Risikofinanzierungsbeihilfen sind ein wichtiges Instrument, das die Mitgliedstaaten für die Unterstützung insbesondere innovativer und wachstumsorientierter Unternehmensneugründungen, KMU und bestimmter Arten von Unternehmen mittlerer Kapitalisierung in ihrer frühen Entwicklungsphase einsetzen können. Diese Unternehmen können trotz ihres Geschäftspotenzials bei der Beschaffung von Finanzmitteln auf Schwierigkeiten stoßen. Um solche Fälle von Marktversagen anzugehen, ermöglichen die Risikofinanzierungsleitlinien den Mitgliedstaaten, unter bestimmten Voraussetzungen staatliche Beihilfen in Form von gut konzipierten Finanzinstrumenten und steuerlichen Maßnahmen zu gewähren, um die Finanzierungslücke durch Mobilisierung zusätzlicher privater Investitionen in die beihilfefähigen Unternehmensneugründungen, KMU und Unternehmen mittlerer Kapitalisierung zu schließen.
Die Kommission hat die überarbeiteten Risikofinanzierungsleitlinien im Anschluss an eine 2019 im Rahmen der Eignungsprüfung der Beihilfevorschriften durchgeführte Evaluierung der geltenden Vorschriften und eine umfassenden Konsultation der Interessenträger angenommen. An der Konsultation nahmen Mitgliedstaaten, regionale und lokale Behörden, Unternehmensverbände und Interessengruppen teil.
Die Evaluierung und die Konsultation bestätigten, dass die Risikofinanzierungsleitlinien zwar ihren Zweck erfüllen, aber dennoch gezielte Anpassungen wie gewisse Präzisierungen und eine weitere Straffung erforderlich waren, um die geltenden Vorschriften klarer zu fassen und ihre Anwendung zu vereinfachen.
Daher wurden an den Risikofinanzierungsleitlinien insbesondere folgende Änderungen vorgenommen:
- Begrenzung der Anforderung, eine Analyse der Finanzierungslücke vorzulegen, auf die Risikofinanzierungsregelungen mit der größten Mittelausstattung und Präzisierung der erforderlichen Nachweise zur Rechtfertigung der Beihilfe. In diesem Zusammenhang wurde im Rahmen der Evaluierung ermittelt und durch die Konsultation bestätigt, dass es für die Mitgliedstaaten schwierig ist, die Finanzierungslücke zu quantifizieren. Um diesem Aspekt Rechnung zu tragen, sehen die überarbeiteten Leitlinien nur für die Risikofinanzierungsmaßnahmen mit der größten Mittelausstattung, d. h. für jene Maßnahmen, die Investitionen von mehr als 15 Mio. EUR pro Beihilfeempfänger ermöglichen, eine Analyse der Finanzierungslücke vor. Die bisherigen Erfahrungen lassen darauf schließen, dass diese Vereinfachung für die überwiegende Mehrheit der neuen Maßnahmen gelten wird. Darüber hinaus enthalten die überarbeiteten Leitlinien weitere Präzisierungen hinsichtlich der Nachweise, die erforderlich sind, um ein spezifisches Marktversagen oder ein anderes relevantes Hindernis beim Zugang zu Finanzmitteln im Einklang mit der bestehenden Beschlusspraxis zu belegen.
- Einführung vereinfachter Anforderungen an die Prüfung von Regelungen, die ausschließlich auf Unternehmensneugründungen und KMU ausgerichtet sind, die ihren ersten kommerziellen Verkauf noch nicht getätigt haben. Dies betrifft insbesondere den Umfang der Nachweise, die die Mitgliedstaaten im Rahmen der Ex-ante-Prüfung vorlegen müssen, um nachzuweisen, warum die Beihilfe erforderlich, geeignet und angemessen ist. Angesichts der Tatsache, dass solche Unternehmen in der Regel mit schwerwiegenderen Marktversagen konfrontiert sind, kann die Kommission einen geringeren Umfang an Nachweisen für das Vorliegen eines Marktversagens, das die Gewährung von Beihilfen für diese Unternehmen rechtfertigt, als ausreichend erachten.
- Anpassung bestimmter Begriffsbestimmungen in den Leitlinien an jene der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO), um Kohärenz zu gewährleisten. Insbesondere wird die Definition „innovatives Unternehmen mittlerer Kapitalisierung“ an die Bestimmung des Begriffs „innovatives Unternehmen“ in der AGVO angepasst, damit in den beiden Vorschriften nicht länger uneinheitlich festgelegt ist, welche Unternehmen als „innovativ“ anzusehen sind. Darüber hinaus wurde die Definition auf Unternehmen mittlerer Kapitalisierung ausgeweitet, die an bestimmten EU-Initiativen teilgenommen haben oder im Rahmen dieser Initiativen Investitionen erhalten haben, u. a. im Rahmen der Initiative zur Förderung des Unternehmertums im Weltraumsektor „CASSINI“ oder vom Europäischen Innovationsrat oder dessen Fonds.
Hintergrund
In den Risikofinanzierungsleitlinien sind die Voraussetzungen festgelegt, unter denen staatliche Beihilfen der Mitgliedstaaten zur Förderung von Risikofinanzierungen als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können.
Die Leitlinien gelten für alle Risikofinanzierungsmaßnahmen, die nicht unter die AGVO fallen. Nach der AGVO können die Mitgliedstaaten Risikofinanzierungsmaßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen (z. B. nur für Unternehmensneugründungen und KMU und wenn die Beträge für die einzelnen Empfänger höchstens 15 Mio. EUR betragen) ohne vorherige Anmeldung bei der Kommission direkt durchführen.
Die AGVO-Bestimmungen über Risikofinanzierungsbeihilfen werden ebenfalls überarbeitet, um auch für freigestellte Regelungen eine weitere Vereinfachung zu erreichen und sicherzustellen, dass die Bestimmungen der AGVO auch weiterhin mit den Risikofinanzierungsleitlinien im Einklang stehen. Die Kommission hat eine öffentliche Konsultation zu den vorgeschlagenen Änderungen dieser AGVO-Bestimmungen eingeleitet.
EU-Kommission Vertretung Deutschland / 06.12.2021
Foto: EU-Kommission Vertretung Deutschland