Die Europäische Kommission hat Mittwoch eine überarbeitete Fassung der EU-Bankenvorschriften angenommen. Valdis Dombrovskis, Exekutiv-Vizepräsident für eine Wirtschaft im Dienste der Menschen, sagte: „Mit dem heute vorgelegten Paket werden die Banken in der EU gestärkt und in die Lage versetzt, die wirtschaftliche Erholung und den ökologischen und digitalen Wandel zu unterstützen.“ Mit den Beschlüssen wird die Umsetzung der Basel-III-Vereinbarung in der EU abgeschlossen. Die EU und ihre G20-Partner haben sich im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht auf diese Vereinbarung geeinigt, um die Banken widerstandsfähiger gegenüber wirtschaftlichen Schocks zu machen. Die heutigen Vorschläge bilden den letzten Schritt dieser Reform der Bankenvorschriften.
Die für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und die Kapitalmarktunion zuständige Kommissarin Mairead McGuinness sagte: „Die Banken spielen bei der Erholung eine entscheidende Rolle, und es ist in unser aller Interesse, dass die Banken in der EU widerstandsfähig sind. Mit dem heute vorgelegten Paket wird sichergestellt, dass der EU-Bankensektor der EU zukunftsfähig ist und auch weiterhin eine zuverlässige und nachhaltige Finanzierungsquelle für die EU-Wirtschaft bilden kann.“
Didier Reynders, Kommissar für Justiz, führte aus: „Die Vorstandsmitglieder und die Inhaber von Schlüsselfunktionen von Banken können einen erheblichen Einfluss auf die Tätigkeiten eines Kreditinstituts ausüben. Sie spielen eine zentrale Rolle für die umsichtige und solide Führung der Geschäfte und Tätigkeiten der Banken. Für die Beurteilung, ob die Vorstandsmitglieder und die Inhaber von Schlüsselfunktionen für ihre Aufgaben geeignet sind, brauchen wir harmonisierte Vorschriften. Mit den heute angenommenen Vorschriften werden die Pflichten der Kreditinstitute bzw. der zuständigen Behörden klargestellt. Sie werden für Kohärenz auf EU-Ebene sorgen und letztlich zur Solidität der Banken beitragen.“
Das Bankenpaket umfasst die folgenden Legislativvorschläge:
- einen Vorschlag zur Änderung der Eigenkapitalrichtlinie (Richtlinie 2013/36/EU);
- einen Vorschlag zur Änderung der Eigenkapitalverordnung (Verordnung 2013/575/EU);
- einen gesonderten Vorschlag zur Änderung der Eigenkapitalverordnung im Bereich der Abwicklung (den sogenannten „Daisy Chain“- oder „Kettenstruktur“-Vorschlag).
Dabei werden drei verschiedene Schwerpunkte gesetzt.
- Umsetzung von Basel III – Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegenüber wirtschaftlichen Schocks
Mit dem heute vorgelegten Paket wird die internationale Basel-III-Vereinbarung vollständig umgesetzt, wobei den Besonderheiten des EU-Bankensektors, beispielsweise hinsichtlich Hypotheken mit geringem Risiko, Rechnung getragen wird. Der heutige Vorschlag soll insbesondere sicherstellen, dass die von den Banken zur Berechnung ihrer Eigenkapitalanforderungen verwendeten „internen Modelle“ die Risiken nicht zu gering ansetzen und dass die Banken genügend Kapital zur Deckung ihrer Risiken vorhalten. Dies wiederum wird den Vergleich der risikobasierten Eigenkapitalquoten der einzelnen Banken erleichtern und damit das Vertrauen in diese Quoten und in die Solidität des Sektors insgesamt wiederherstellen.
Der Vorschlag zielt darauf ab, die Widerstandsfähigkeit zu stärken, ohne die Eigenkapitalanforderungen deutlich zu erhöhen. Dadurch werden die Auswirkungen auf die Eigenkapitalanforderungen so gering wie möglich gehalten, sodass die Wettbewerbsfähigkeit des EU-Bankensektors gewahrt wird. Mit dem Paket werden auch die Befolgungskosten weiter verringert, vor allem für kleinere Banken, ohne Abstriche bei den Aufsichtsstandards zu machen.
- Nachhaltigkeit – Beitrag zum ökologischen Wandel
Die Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Bankensektors gegen Umwelt-, Sozial- und Governance-Risiken (ESG-Risiken) ist ein Schlüsselbereich der Kommissionsstrategie für ein nachhaltiges Finanzwesen. Die Herangehensweisen der Banken zur Quantifizierung und Steuerung dieser Risiken sollten verbessert werden und die Märkte sollten über die einschlägigen Methoden der Banken informiert sein. Daher kommt der aufsichtlichen Regulierung eine entscheidende Bedeutung zu.
Mit dem heutigen Vorschlag werden die Banken verpflichtet, ESG-Risiken im Rahmen ihres Risikomanagements systematisch zu ermitteln, offenzulegen und zu steuern. Dies beinhaltet die regelmäßige Durchführung von Klimastresstests sowohl durch die Aufsichtsbehörden als auch durch die Banken. Die Aufsichtsbehörden werden die ESG-Risiken im Rahmen regelmäßiger Überprüfungen bewerten. Ferner müssen alle Banken offenlegen, inwieweit sie ESG-Risiken ausgesetzt sind. Um kleinere Banken vor übermäßigem Verwaltungsaufwand zu bewahren, werden die Offenlegungsvorschriften verhältnismäßig sein.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen werden nicht nur den Bankensektor widerstandsfähiger machen, sondern auch sicherstellen, dass die Banken Nachhaltigkeitsaspekten Rechnung tragen.
- Stärkere Aufsicht – Gewährleistung einer soliden Verwaltung der Banken in der EU und besserer Schutz der Finanzstabilität
Das heute vorgelegte Paket gibt den für die Beaufsichtigung von Banken in der EU zuständigen Aufsichtsbehörden stärkere Instrumente an die Hand. Es enthält klare, solide und ausgewogene Regeln zur fachlichen Qualifikation und Eignung, anhand deren die Aufsichtsbehörden prüfen, ob leitende Mitarbeiter über die für die Führung einer Bank erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen.
Vor dem Hintergrund des Wirecard-Skandals werden den Aufsichtsbehörden ferner bessere Instrumente zur Beaufsichtigung von Fintech-Gruppen, einschließlich Tochtergesellschaften von Banken, zur Verfügung gestellt. Dieses verbesserte Instrumentarium wird ein solides und umsichtiges Management der Banken in der EU sicherstellen.
Die heute vorgelegte überarbeitete Fassung befasst sich – unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit – auch mit der Frage der Errichtung von Zweigstellen drittländischer Banken in der EU. Derzeit unterliegen solche Zweigstellen hauptsächlich den nationalen Rechtsvorschriften, die nur in sehr begrenztem Umfang harmonisiert sind. Mit dem heute vorgelegten Paket werden die EU-Vorschriften in diesem Bereich harmonisiert. Dadurch werden die Aufsichtsbehörden in die Lage versetzt, die Risiken im Zusammenhang mit solchen Zweigstellen, die ihre Tätigkeit in der EU in den vergangenen Jahren erheblich ausgeweitet haben, besser zu steuern.
Nächste Schritte
Das Legislativpaket wird nun im Europäischen Parlament und im Rat erörtert.
Hintergrund
Nach der Finanzkrise vereinbarten die Regulierungsbehörden aus weltweit 28 Ländern im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) einen neuen internationalen Standard, der auf die Stärkung der Banken abzielt und unter der Bezeichnung Basel III bekannt ist. Diese Vereinbarung wurde 2017 endgültig geschlossen. Die EU hat den weitaus größten Teil dieser Vorschriften bereits umgesetzt, sodass der EU-Bankensektor nunmehr über eine wesentlich solidere Eigenkapitalbasis verfügt.
Infolgedessen gerieten die Banken in der EU während der COVID-19-Krise nicht in Schwierigkeiten. Dies zeigte sich daran, dass sie ihre Kreditvergabe fortsetzen konnten. Mit den heute vorgelegten Reformen wird die Agenda für die Zeit nach der Finanzkrise mit dem Ziel vollendet, die Wettbewerbsfähigkeit und die Nachhaltigkeit des EU-Bankensektors erheblich zu steigern.
EU-Kommission / 27.10.2021