Die EU-Kommission will die soziale, arbeitsrechtliche, ökologische und klimatische Dimension des Allgemeinen Präferenzsystems (APS) der EU stärken. Dazu hat sie Mittwoch einen entsprechenden Legislativvorschlag vorgelegt. Das Allgemeine Präferenzsystem ist ein unilaterales Handelsinstrument, mit dem Einfuhrzölle auf Erzeugnisse, die aus schutzbedürftigen Ländern mit niedrigem Einkommen in die EU eingeführt werden, beseitigt oder gesenkt werden. Dies soll helfen, Armut zu beseitigen und die nachhaltige Entwicklung der Länder und ihre Teilhabe an der Weltwirtschaft zu fördern. Durch den Vorschlag der Kommission wird das APS der EU stärker auf die Verringerung von Armut und die Steigerung der Exportchancen für Länder mit niedrigem Einkommen ausgerichtet. Es soll Anreize für nachhaltiges Wirtschaftswachstum in ärmeren Ländern schaffen und bietet neuen Spielraum für das Engagement in Fragen der Umwelt und der verantwortungsvollen Staatsführung.
Der Exekutiv-Vizepräsident und Handelskommissar Valdis Dombrovskis betonte: „Seit fünf Jahrzehnten unterstützt das APS der EU gefährdete Länder beim nachhaltigen Wachstum, indem ihnen ein präferenzieller Zugang zum EU-Markt gewährt wird. Dies hat den Empfängerländern dabei geholfen, ihre Wirtschaft zu diversifizieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Darüber hinaus hat es die Empfängerländer dazu bewegt, die Menschen- und Arbeitnehmerrechte sowie den Umweltschutz zu verbessern und mehr für eine verantwortungsvolle Staatsführung zu tun. Heute überarbeiten wir das APS, damit es weiterhin großzügige Handelspräferenzen bietet und gleichzeitig einen noch positiveren Wandel in den begünstigten Ländern bewirkt.“
Der Legislativvorschlag für das Allgemeine Präferenzsystem (APS) der EU für den Zeitraum 2024-2034 stärkt die Möglichkeiten der EU, Handelspräferenzen zur Schaffung wirtschaftlicher Chancen und zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung zu nutzen. Im modernisierten Rahmen werden ferner die Gründe für die Rücknahme der APS-Präferenzen der EU im Falle schwerwiegender und systematischer Verstöße erweitert. Über die bereits erfassten grundlegenden Menschenrechts- und Arbeitsübereinkommen hinaus enthält der Vorschlag auch Übereinkommen zum Umweltschutz und zur verantwortungsvollen Staatsführung.
Konzentration auf die Bedürftigsten
Das APS weist mehrere Merkmale auf, mit denen sichergestellt wird, dass die Handelspräferenzen den Ländern zugutekommen, die sie am dringendsten benötigen, und um deren nachhaltige Entwicklung zu unterstützen.
Mit dem neuen Vorschlag wird die derzeitige Regelung durch Folgendes weiter verbessert:
- Gewährleistung eines reibungslosen Übergangs für alle Länder, die in den nächsten zehn Jahren aus der Kategorie der am wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries, LDC) aufsteigen dürften. Sie können künftig die Sonderregelung für nachhaltige Entwicklung und verantwortungsvolle Staatsführung (APS+) beantragen, wenn sie sich zu strengen Nachhaltigkeitsstandards verpflichten; somit können sie großzügige Zollpräferenzen für den Zugang zum EU-Markt beibehalten.
- Maximierung der Möglichkeiten für einkommensschwache Länder, vom APS zu profitieren, indem die Graduierungsschwellen um zehn Prozentpunkte gesenkt werden (vorübergehende Aussetzung der Zollpräferenzen für sehr wettbewerbsfähige Produkte), damit ihnen die großen industrialisierten Hersteller in Sektoren, in denen sie sehr wettbewerbsfähig sind, mehr Spielraum lassen.
- Erweiterung der Liste der internationalen Übereinkommen, die eingehalten werden müssen, indem zwei zusätzliche Menschenrechtsinstrumente (über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und die Rechte des Kindes), zwei Arbeitsrechtskonventionen (über die Arbeitsaufsicht und Dreiparteiendialoge) und ein Übereinkommen über verantwortungsvolle Staatsführung (zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität) hinzugefügt werden.
- Schaffung eines klar definierten Rahmens für die derzeitigen Begünstigten des APS+, damit sie sich an die neuen Anforderungen anpassen können, wobei ein angemessener Übergangszeitraum gewährt wird und die Vorlage von Umsetzungsplänen vorgesehen wird.
Ein grüneres APS
Um die Bedeutung der Einhaltung von Klima- und Umweltschutzstandards zu betonen, sieht der neue APS-Vorschlag Folgendes vor:
- Es wird die Möglichkeit eingeführt, die APS-Vorteile bei schwerwiegenden und systematischen Verstößen gegen die Grundsätze von Klima- und Umweltschutzübereinkommen zurückzunehmen.
- Die Liste der internationalen Übereinkommen, die die APS+-Länder ratifizieren müssen, wird über die derzeitig sieben Umwelt- und Klimainstrumente hinaus erweitert und umfasst nun auch das Übereinkommen von Paris.
Ein flexibleres APS
Die Erkenntnisse aus der Anwendung des derzeitigen APS schlagen sich wie folgt nieder:
- Bessere Überwachung der Einhaltung der Anforderungen des APS+ sowie Erhöhung der Transparenz und Einbeziehung der Zivilgesellschaft in seine Anwendung.
- Ein neues Dringlichkeitsverfahren zur Rücknahme von Präferenzen, wenn hinsichtlich eines begünstigten Landes unter außergewöhnlich schwerwiegenden Umständen, wie z. B. schweren Verstößen gegen internationale Standards, eine rasche Reaktion erforderlich ist.
- Eine Bewertung der sozioökonomischen Auswirkungen einer vorgeschlagenen Rücknahme, um etwaige negative Auswirkungen auf schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen zu berücksichtigen.
Nächste Schritte
Das Europäische Parlament und der Rat werden den Vorschlag nun erörtern. Die derzeitige APS-Verordnung läuft am 31. Dezember 2023 aus. Die neue APS-Verordnung wird nach ihrer Annahme ab dem 1. Januar 2024 gelten.
Hintergrund
Das APS der EU ist ein etabliertes Instrument der Handels- und Entwicklungspolitik, das seit 1971 besteht.
Der derzeitige APS-Rahmen stützt sich auf die Verordnung (EU) Nr. 978/2012 vom 25. Oktober 2012. Die Regelung erleichtert den Zugang zum EU-Markt für Waren, die aus Ländern mit niedrigem Einkommen ausgeführt werden, indem Einfuhrzölle abgeschafft oder gesenkt werden. Niedrigere Zölle ermöglichen es diesen Ländern, ihre Ausfuhren in die EU zu steigern und tragen so zu ihrem Wirtschaftswachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei. Der präferenzielle Zugang zum EU-Markt hilft Ländern mit niedrigem Einkommen auch dabei, zusätzliche Einnahmen zu erzielen, die reinvestiert werden können, sodass sie ihre Volkswirtschaften diversifizieren können. Ferner unterstützt das APS der EU die nachhaltige Entwicklung, da Zollpräferenzen beim Zugang zum großen EU-Markt auch für Länder mit niedrigem Einkommen einen Anreiz bieten, die Achtung der Menschenrechte, der Arbeitnehmerrechte, des Umweltschutzes und der verantwortungsvollen Staatsführung zu fördern. Darüber hinaus verhindert es durch das Schutzsystem und die im APS-Programm vorgesehenen Schutzmaßnahmen Schäden für die Industrie in der EU.
Die EU bietet drei APS-Regelungen an:
- EBA („Everything But Arms“ – „Alles außer Waffen“) für die am wenigsten entwickelten Länder — vollkommen zoll- und kontingentfreier Zugang zum EU-Binnenmarkt für alle Waren außer Waffen und Munition.
- Das Standard-APS für Länder mit niedrigem oder mittlerem Einkommen, denen für zwei Drittel der Tarifpositionen eine teilweise oder vollständige Beseitigung der Zölle gewährt wird.
- APS+, die Sonderregelung für nachhaltige Entwicklung und verantwortungsvolle Staatsführung, durch die die Zölle für dieselben Zolltarifpositionen wie im Rahmen des Standard-APS auf 0 % gesenkt werden. Diese Regelung kommt den schutzbedürftigen Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zugute, die 27 internationale Übereinkommen (32 im neuen Vorschlag) in den Bereichen Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte, Umwelt- und Klimaschutz und verantwortungsvolle Staatsführung umsetzen.
EU-Kommission / 22.09.2021