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Taliban verhaften und misshandeln Journalistinnen und Journalisten

Afghanistan

Journalistinnen und Journalisten in Afghanistan sind vermehrt gewalttätigen Angriffen ausgesetzt.

Journalistinnen und Journalisten in Afghanistan sind vermehrt gewalttätigen Angriffen ausgesetzt. Reporter ohne Grenzen (RSF) verifiziert und dokumentiert fortlaufend Übergriffe auf sowie Verhaftungen und Misshandlungen von Medienschaffenden in Afghanistan seit der de-facto-Machtübernahme der Taliban am 16. August 2021. In den ersten Tagen ihrer Herrschaft waren tätliche Übergriffe noch eine, wenn auch traurige, Ausnahme. Ab dem 7. September hat RSF allerdings eine steigende Zahl von Behinderungen journalistischer Arbeit beobachtet.

„Die Gewalt der vergangenen Tage bedeutet einen alarmierenden Wendepunkt im Verhalten der Taliban“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Nicht einmal einen Monat nach ihrer Machtübernahme scheint es, als ließen die Taliban ihre Masken endgültig fallen. Umso wichtiger ist es, dass wir weiter hinschauen, auch wenn die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Medien leider schon schwindet.“

Die Übergriffe begannen rund um die Bekanntgabe der neuen Taliban-Übergangsregierung am 8. September. Während sie über den Protest von Frauen in Kabul berichteten, wurden mehrere Journalisten stundenlang festgehalten und teils schwer misshandelt. Die Etilaatroz-Journalisten Nematullah Naqdi und Taqi Daryabi wurden mit Kabeln verprügelt, Naqdi musste im Krankenhaus behandelt werden.

Weiter in Haft sitzt Morteza Samadi, der als Fotograf in Herat arbeitet und für Chekad TV über eine Demonstration berichtet hat. Die dortigen Taliban-Verantwortlichen werfen ihm vor, die Demonstration mitorganisiert zu haben. Zudem sei seine professionelle Kamera ein Beweis dafür, dass er ein ausländischer Spion sei.

Bereits am 26. August waren bei einem Sprengstoffanschlag am Kabuler Flughafen Ali Reza Ahmadi, Mitbegründer der Nachrichtenagentur Raha News, und Najma Sadeqi, Fernsehmoderatorin bei Jahan-e-Sehat TV, gestorben. Am 19. August erschossen die Taliban den Angehörigen eines DW-Mitarbeiters. Zuvor waren sie von Haus zu Haus gegangen, um den Journalisten zu finden. Er arbeitet mittlerweile jedoch in Deutschland.

Taliban attackieren nun auch internationale Medien

Die Arbeit von ausländischen Medienschaffenden haben die Taliban bislang weitgehend toleriert. Auch damit scheint es nun vorbei zu sein: Marcus Yam, Fotograf für die Los Angeles Times, berichtete, dass die Taliban ihn daran gehindert hätten, über den Frauenprotest in Kabul zu berichten. Fotos von Frauen seien im Islam verboten. Auch weitere internationale Reporterinnen berichteten von Übergriffen und Schlägen. Überall in Kabul haben die Taliban Straßensperren errichtet, an denen sie Reporterinnen und Reporter aufhalten und durchsuchen.

Sorgen machen Journalistinnen und Journalisten auch Drohungen der Taliban, in genau den Gegenden, in denen Proteste stattfanden, das Internet abzuschalten. Im Panjshir-Tal haben sie die Drohungen bereits wahrgemacht und Internet- und Telefonverbindungen gekappt. Zudem haben die neuen Machthaber angekündigt, sich in die digitale Kommunikation einzumischen, und planen, die sozialen Medien und Messenger-Programme zu überwachen.

Viele schweben weiter in akuter Lebensgefahr

Reporter ohne Grenzen erreichen weiterhin täglich verzweifelte Hilferufe afghanischer Medienschaffender. Viele von ihnen konnten keinen der Evakuierungsflüge aus Kabul erreichen und schweben mit den Taliban an der Macht in akuter Lebensgefahr. Einige sind auf eigene Faust in Drittstaaten geflüchtet, laufen dort aber Gefahr, aufgegriffen und nach Afghanistan zurückgeschickt zu werden. RSF hat eine mehrmals aktualisierte und umfangreich verifizierte Liste mit zuletzt mehr als 150 hoch gefährdeten Journalistinnen und Journalisten an das Auswärtige Amt übermittelt. Obwohl RSF mit hochrangigen Mitgliedern der Bundesregierung in direktem Austausch steht, hat die Bundesregierung bislang nicht transparent offengelegt, ob sie die Medienschaffenden auf dieser Liste als schutzbedürftig ansieht und inwiefern diese Liste bereits bearbeitet wurde.

Was muss die Bundesregierung jetzt tun?

Zu diesem und weiteren Themen berichten am Mittwoch, 15. September, RSF-Geschäftsführer Christian Mihr und RSF-Advocacy-Referentin Lisa Kretschmer. Bei der Veranstaltung in der RSF-Geschäftsstelle in Berlin wird es konkret um die Frage gehen, was die deutsche Bundesregierung jetzt tun muss. Zudem berichten zwei afghanische Medienschaffende über die aktuelle Situation vor Ort.

RSF / 14.09.2021

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