Als eines der ersten Länder weltweit hat Deutschland die Internet-Universalitäts-Indikatoren der UNESCO angewendet, ein starkes Instrument zur Lagebeschreibung des Internets. Die Sicherung einer chancengerechten Teilhabe aller an der digitalen Transformation und die Stärkung der dafür erforderlichen Kompetenzen sind die vordringlichen Aufgaben für Politik und Zivilgesellschaft. So lauten die zentralen Erkenntnisse der Studie, die das Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut im Auftrag der Deutschen UNESCO-Kommission erarbeitet hat.
„Alle Menschen brauchen freien und einfachen Zugriff auf Informationsressourcen, um aktiv am gesellschaftlichen Leben und am Austausch von Wissen teilhaben zu können“, betont die Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission Maria Böhmer. „Innovative Wissensgesellschaften erfordern daher ein menschenrechtsbasiertes, offenes, zugängliches und vertrauenswürdig gestaltetes Internet“, so Böhmer weiter. Die zweisprachig auf Deutsch und Englisch erscheinende Studie bietet ein umfassendes Bild der deutschen Internetlandschaft und ebnet den Weg für ähnliche Bewertungen in anderen Ländern, insbesondere in Europa. Die Ergebnisse werden am Dienstag, 14. September, 10 Uhr im Rahmen des Deutschen Internet Governance Forums vorgestellt. Alle Informationen sind unter www.wiegehtsdeminternet.de zugänglich.
Zum ersten Mal ermöglicht die Studie eine Gesamtschau von Daten zur Entwicklung und Nutzung des Internets in Deutschland aus verschiedenen Bereichen und wertet sie aus. Sie stellt das Erreichte deutlich dar, beschreibt aber zugleich Missverhältnisse. So bewertet die Studie die Lage des Internets in Deutschland insgesamt als gut. Ein Großteil der Bevölkerung nutzt das Internet täglich und wie selbstverständlich (91 %). Eklatante Unterschiede bei der Internetnutzung bestehen zwischen Erwerbstätigen (96 %) und Erwerbslosen (68 %), Menschen mit höherem und niedrigerem Bildungsniveau (96 % vs. 60 %) sowie in der geographischen Verteilung (stärkere Nutzung in städtischen Gebieten, geringe Nutzung in ländlichen Gebieten). Gezielte Handlungsempfehlungen erstrecken sich daher insbesondere auf den Abbau dieser Diskrepanzen etwa durch die Verankerung von Internetnutzungskompetenzen im Bildungssystem, im privaten Umfeld („lebenslanges Lernen“) und im beruflichen Leben (Aus-, Fort-, Weiterbildung) oder durch den Ausbau eines flächendeckenden Zugangs zu schnellem Internet.
Auf insgesamt 269 Seiten liegt so eine aktuelle Bestandsaufnahme der Digitalisierung in Deutschland insgesamt vor. Künftige Digitalisierungspolitik kann einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Lebensgrundlagen vieler Menschen leisten, individuelle Freiräume schützen, den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken und helfen, die Nachhaltigkeitswende zu bewältigen.
Hintergrund
2015 hat die UNESCO das Konzept der Internet-Universalität als Orientierungsrahmen für die digitale Kommunikation entwickelt. Die Mitgliedstaaten vereinbarten vier Grundsätze, die als ROAM(X)-Prinzipien zur Gestaltung eines freien und für alle offenen Internets zusammengefasst werden: R – Rechte/Rights, O – Offenheit/Openness, A – Zugänglichkeit/Accessibility, M – Multi-Stakeholder-Beteiligung/Multi-stakeholder participation sowie X für übergreifende Indikatoren, die in allen Bereichen Anwendung finden. In der Folge erarbeitete die UNESCO Indikatoren, die den Zustand des Internets global, regional und national zu erfassen helfen. Diese Indikatoren können Staaten auf freiwilliger Basis nutzen, um die nationale Entwicklung zu prüfen und weitere Schritte zur Gestaltung der Digitallandschaft entsprechend den ROAM(X)-Prinzipien einzuleiten.
Das Auswärtige Amt unterstützte den Vorschlag der Deutschen UNESCO-Kommission, die Internet-Universalitäts-Indikatoren in Deutschland anzuwenden. Ein zehnköpfiges Projektteam unter der Leitung von Professor Dr. Wolfgang Schulz hat die Studie am Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut im Auftrag der Kommission erstellt. 14 ehrenamtliche Mitglieder eines Projektpanels unter Vorsitz von Botschafterin Dr. Regine Grienberger, Beauftragte für Cyberaußen- und Cybersicherheitspolitik im Auswärtigen Amt, begleiteten die Arbeit.
Deutsche UNESCO-Kommission / 13.09.2021