Forschungsteam der HWR Berlin hat erstmals volkswirtschaftlichen Schaden durch Wechseljahresbeschwerden am Arbeitsplatz berechnet. Dringende Notwendigkeit für Maßnahmen von Politik und Wirtschaft.
- Wirtschaftswissenschaftler*innen der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin belegen Handlungsbedarf für Wirtschaft und Politik
- 9,4 Milliarden Euro und 40 Millionen verlorene Arbeitstage jährlich zulasten der deutschen Volkswirtschaft
- 6,7 Millionen erwerbstätige Frauen im Alter zwischen 50 und 65 Jahren unverzichtbar als Fachkräfte
Wechseljahresbeschwerden am Arbeitsplatz sind in Deutschland oft ein Tabuthema. Sie werden kaum angesprochen oder berücksichtigt. Dabei haben sie erhebliche volkswirtschaftliche Auswirkungen.
Die volkswirtschaftliche Last der Wechseljahre
Ein Forschungsteam der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) hat zum ersten Mal abgeschätzt, welche gesamtwirtschaftliche Konsequenzen sich aus Wechseljahresbeschwerden am Arbeitsplatz ergeben. Professorin Andrea Rumler und Professor Till Strohsal beziffern die volkswirtschaftlichen Kosten auf rund 9,4 Milliarden Euro pro Jahr beziehungsweise fast 40 Millionen Arbeitstage. Dabei berücksichtigt diese Schätzung nicht die Effekte durch vorzeitigen Ruhestand, reduzierte Arbeitszeit und ausgeschlagene Beförderungen betroffener Frauen. Auch die Kosten für medizinische Behandlungen sind, anders als zum Beispiel in Berechnungen für die USA, nicht einbezogen.Die Umfrageergebnisse der Studie MenoSupport der HWR Berlin zeigen, dass die Auswirkungen am Arbeitsplatz aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen durch die Menopause bei deutschen Frauen im Umfang vergleichbar sind mit denen von Frauen aus Großbritannien (UK) oder den USA. Untersuchungen aus UK legen nahe, dass Frauen durch die Symptome der Wechseljahre durchschnittlich eine halbe Stunde ihrer wöchentlichen Arbeitszeit nicht arbeitsfähig sind. Hochgerechnet auf die ca. 6,7 Millionen erwerbstätigen Frauen in Deutschland im Alter zwischen 50 und 65 Jahren ergibt sich ein beachtlicher Verlust durch nicht produziertes Bruttoinlandsprodukt.
„Diese Zahlen zeigen eindrücklich, dass das Klimakterium für Frauen nicht nur eine persönliche Herausforderung ist, sondern auch ein zentrales Thema für Wirtschaft und Gesellschaft darstellt“, erklären die Forschenden.
Auswirkungen der Symptome
Grundlage für diese Berechnungen bildet die von Professorin Andrea Rumler geleitete wissenschaftliche Befragung, die deutschlandweit berufstätige Frauen zu den Auswirkungen von Wechseljahresbeschwerden befragte. Von den 2119 befragten Frauen zwischen 28 und 67 Jahren gaben 10 Prozent an, aufgrund von Wechseljahresbeschwerden früher in Rente gehen zu wollen oder bereits gegangen zu sein. Bei den Befragten, die älter als 55 Jahre sind, waren es sogar 19,4 Prozent. Darüber hinaus hatten fast ein Viertel der Studienteilnehmerinnen mit Wechseljahressymptomen ihre Arbeitsstunden reduziert, fast ein Drittel war aufgrund dieser Symptome krankgeschrieben oder nahm unbezahlten Urlaub. Mehr als jede sechste Befragte gab an, ihren Arbeitsplatz gewechselt zu haben.
Handlungsbedarf für Wirtschaft und Politik
„Die Wirtschaft sucht händeringend qualifizierte Leute. Daher sind Unternehmen besonders auch auf ihre gut ausgebildeten und erfahrenen Mitarbeiterinnen angewiesen“, so Andrea Rumler. Die Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Marketing an der HWR Berlin betont, dass passgenaue Maßnahmen im betrieblichen Gesundheitsmanagement ethisch geboten und wirtschaftlich sinnvoll sind.
Abhilfe durch Veränderung
Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen, wie dringend Frauengesundheit in den Fokus von Gesundheitsmanagement und politischer Gestaltung rücken muss. „Es ist nicht nur eine Frage der sozialen Verantwortung, sondern in Zeiten von Arbeitskräftemangel auch eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit, die Arbeitsfähigkeit von Frauen in dieser Lebensphase zu unterstützen und zu erhalten“, bilanziert Till Strohsal, Professor für Wirtschaftspolitik an der HWR Berlin.
„Unternehmen, Organisationen und Behörden – alle Arbeitgeber*innen können viel tun, um ein wechseljahresfreundliches Arbeitsumfeld zu schaffen“, sagt Professorin Rumler. „Dabei gilt es, die individuellen Herausforderungen von Frauen in den Wechseljahren gezielt zu adressieren und dabei sowohl gesundheitliche als auch berufliche Aspekte gleichermaßen zu berücksichtigen. Ein differenzierter Umgang mit den Bedürfnissen von Frauen in der Menopause sollte zur Priorität werden.“, so Rumler.
Über die Studie MenoSupport
ist das erste Forschungsprojekt in Deutschland, das Wechseljahresbeschwerden im Arbeitskontext umfassend untersucht. Es wurde in Kooperation zwischen der HWR Berlin und der HTW Berlin durchgeführt. Die Ergebnisse sind abrufbar unter https://blog.hwr-berlin.de/menosupport/ergebnisse/
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) ist eine fachlich breit aufgestellte, international ausgerichtete Hochschule für angewandte Wissenschaften, einer der bundesweit größten staatlichen Anbieter für das duale Studium und im akademischen Weiterbildungsbereich. Sie sichert den Fachkräftebedarf in der Hauptstadtregion und darüber hinaus. Rund 12 000 Studierende sind in über 60 Studiengängen der Wirtschafts-, Verwaltungs-, Rechts-, Ingenieur- und Polizei- und Sicherheitswissenschaften sowie in internationalen Master- und MBA-Studiengängen eingeschrieben. Die HWR Berlin ist die viertgrößte Hochschule für den öffentlichen Dienst in Deutschland und mehrfach prämierte Gründungshochschule. Über 700 Kooperationen mit Partnern in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst garantieren den ausgeprägten Praxisbezug in Lehre und Forschung. 195 aktive Partnerschaften mit Universitäten auf allen Kontinenten fördern einen regen Studierendenaustausch und die internationale Forschungszusammenarbeit. Die HWR Berlin ist Mitglied im Hochschulverbund „UAS7 – Alliance for Excellence“ und unterstützt die Initiative der Hochschulrektorenkonferenz „Weltoffene Hochschulen – Gegen Fremdenfeindlichkeit“.
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin / 19.11.2024
Foto: Sylke Schumann / HWR Berlin