Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert die neu gekürten Präsidentschaftskandidatinnen in Mexiko auf, den Schutz von Medienschaffenden zu einer Priorität in ihren Programmen zu machen. Mexiko ist seit 2017 das Land mit den meisten getöteten Journalistinnen und Journalisten weltweit.
Am 3. September wurde Senatorin Xóchitl Gálvez als Kandidatin des rechten Oppositionsbündnisses Frente Amplio benannt. Die ehemalige Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt, Claudia Sheinbaum, ist die Kandidatin der linken Morena-Partei, die Mexiko seit 2018 regiert. Die Bürgerbewegung, eine Partei der Mitte, hat noch nicht entschieden, ob sie einen eigenen Kandidaten oder eine eigene Kandidatin aufstellen oder sich einer der beiden Koalitionen anschließen wird.
Die beiden Kandidatinnen haben sich bislang noch nicht öffentlich zum Thema Gewalt gegen Medienschaffende geäußert. RSF fordert die Politikerinnen auf, sich intensiv mit diesem seit 20 Jahren zunehmenden Problem zu befassen. Das vergangene Jahr war das bisher tödlichste mit mindestens elf getöteten Journalistinnen und Journalisten, bei denen RSF einen Zusammenhang der Tat mit ihrer Arbeit nachweisen konnte.
„Mexiko darf nicht länger einfach hinnehmen, dass dort Jahr für Jahr mehr Journalistinnen und Journalisten getötet werden als in jedem anderen Land. Die Pressefreiheit, das Recht auf Berichterstattung und der Kampf gegen Straflosigkeit müssen im Mittelpunkt der Wahlkampagnen und Programme der Präsidentschaftskandidatinnen stehen“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Gewalt gegen Medienschaffende betrifft nicht nur die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten und ihrer Familien. Die gesamte Gesellschaft leidet, wenn das Recht auf Information durch eine freie Presse verletzt wird.“
Auf Mexiko entfallen 14 Prozent aller Journalistenmorde weltweit
Laut dem Barometer der Pressefreiheit von RSF wurden in Mexiko seit dem Jahr 2000 mindestens 149 Journalistinnen und Journalisten wegen ihrer Arbeit ermordet, 30 verschwanden spurlos und werden teilweise seit Jahren vermisst. Allein seit 2017, als Mexiko Kriegsländer wie Syrien überholte, wurden in Mexiko 56 Medienschaffende ermordet – 14 Prozent aller weltweit in diesem Zeitraum getöteten Journalistinnen und Journalisten.
Unter dem derzeitigen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador (auch bekannt als AMLO) hat sich die Situation nicht verbessert. Im Gegenteil: Mexiko hat seine Position als weltweit tödlichstes Land für Medienschaffende gefestigt, mit 37 Toten und sechs Vermissten seit López Obradors Amsantritt im Dezember 2018.
„Verunglimpfungen von Medienschaffenden sind in Mexiko inzwischen alltäglich, und oft sind staatliche Vertreterinnen und Vertreter dafür verantwortlich. Sie verstärken ein Klima der Gewalt, das sich seit Jahren etabliert hat“, sagte Balbina Flores, RSF-Repräsentantin in Mexiko. „Wir fordern die Präsidentschaftskandidatinnen auf, die Bekämpfung von Gewalt gegen Medienschaffende ganz oben auf ihre Agenda zu setzen und die beiden größten Probleme – den Schutz von Journalistinnen und Journalisten und Bekämpfung der Straflosigkeit bei Gewaltverbrechen gegen sie – anzugehen.“
Das jüngste Opfer war Nelson Matus, der Gründer und Herausgeber der Nachrichten-Website Lo Real de Guerrero, der am 15. Juli in der Pazifikküstenstadt Acapulco im Bundesstaat Guerrero erschossen wurde. Eine Woche zuvor war die Leiche von Luis Martín Sánchez, einem Reporter der führenden überregionalen Tageszeitung La Jornada, im westlichen Bundesstaat Nayarit mit Folterspuren aufgefunden worden.
Die Gewalt gegen Medienschaffende hat in den Regionen, in denen die Drogenkartelle am stärksten vertreten sind, zuletzt zugenommen. Aber auch in der Hauptstadt Mexiko-Stadt, die bisher davon verschont geblieben war, ist solche Gewalt alltäglich geworden. Im vergangenen Dezember überlebte der Nachrichtensprecher von Imagen Televisión, Ciro Gómez Leyva, nur knapp einen Angriff mit einer Schusswaffe, der eindeutig darauf abzielte, ihn zu töten.
Die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten ist in immer mehr Teilen Mexikos schwer bedroht. Viele Medienschaffende sind gezwungen zu schweigen, um zu überleben. Andere müssen ihre Häuser und Heimatstädte verlassen, um ihre eigene Sicherheit und die ihrer Familien zu gewährleisten.
Gewalt gegen Medienschaffende bleibt fast immer ungestraft
Trotz dieser Tatsachen hat es López Obrador nicht geschafft, die notwendigen Reformen und Maßnahmen einzuleiten, um die Spirale der Gewalt zu stoppen. Obwohl 2012 der föderale Schutzmechanismus zum Schutz von Medienschaffenden als Bundesbehörde eingerichtet wurde und bereits zwei Jahre zuvor eine auf Angriffe auf die Meinungsfreiheit spezialisierte Staatsanwaltschaft geschaffen wurde, bleiben noch immer 97 Prozent der Gewaltverbrechen gegen Journalistinnen und Journalisten in Mexiko ungestraft. Dies geht aus Daten hervor, die RSF in den vergangenen 20 Jahren erhoben hat.
RSF fordert die Präsidentschaftskandidatinnen auf, offenzulegen,
- welche Maßnahmen sie zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten ergreifen würden.
- wie sie im Kampf gegen die fast völlige Straflosigkeit nach Morden an Journalistinnen und Journalisten vorgehen wollen.
- Wie sie die verbreitete Hetze gegen Medien stoppen und die Wertschätzung der Medien als zentrale Säule einer Demokratie stärken wollen.
- wie sie das Recht der Öffentlichkeit auf Nachrichten und Informationen gewährleisten wollen.Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Mexiko auf Platz 128 von 180 Ländern.
Reporter ohne Grenzen e.V. (RSF)
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