Anlässlich des „Weltflüchtlingstags“ am Dienstag kritisiert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) den jüngsten Asylkompromiss der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) scharf. Sie appelliert an die Bundesregierung und das Europäische Parlament, sich im anstehenden Trilog-Gesetzgebungsverfahren für deutliche Nachbesserungen einzusetzen. „Eine Reform des europäischen Asylsystems ist überfällig, aber nicht auf Kosten der Schutzsuchenden und ihrer Rechte! Die Abschottungspläne an den EU-Außengrenzen sind inhuman, sie unterhöhlen das Recht auf Asyl und missachten die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen“, sagte die GEW-Vorsitzende Maike Finnern heute. Sie kritisierte insbesondere die geplanten Grenzverfahren unter haftähnlichen Bedingungen, bei denen Familien mit Kindern nicht ausgenommen worden seien.
Geflüchtete in Lagern unterzubringen, um Asylverfahren zu beschleunigen und diese vermehrt zurückzuweisen, indem die Zahl der sogenannten sicheren Drittstaaten erhöht wird, verkenne die Not der Flüchtenden und die besondere Schutzbedürftigkeit der Familien mit zum großen Teil traumatisierten Kindern. Dies solle abschrecken und die Push-Back-Praxis an den EU-Außengrenzen legitimieren. „Diese Politik wirkt Fluchtursachen nicht entgegen, begünstigt vielmehr das Schleppersystem auf unsicheren Fluchtrouten. Sie führt zu Toten auf dem Mittelmeer, wie das Unglück am vergangenen Wochenende wieder gezeigt hat“, betonte die GEW-Chefin. „Eine solidarische Asyl-, Migrations- und Entwicklungspolitik in Deutschland und Europa, die sich an Menschenrechten orientiert und Fluchtursachen nachhaltig entgegenwirkt, sieht anders aus.“
„Abschottung ist keine angemessene Reaktion auf die weltweiten Fluchtbewegungen, die durch Krieg und Gewalt oder Armut und Klimawandel ausgelöst werden. Die Industrieländer sind mitverantwortlich für die zunehmende globale Ungleichheit. Asylsuchende aufzunehmen, ist eine humanitäre Pflicht. Die europäischen Staaten müssen ihrer Schutzverantwortung nachkommen und dürfen diese nicht an Drittstaaten delegieren“, mahnte Finnern. Für ein solidarisches Schutzsystem brauche es faire Asylverfahren und menschenwürdige Aufnahmebedingungen auf Basis der Genfer Flüchtlingskonvention – und keine „flexible Solidarität“, von der sich einzelne Staaten mit Geld freikaufen könnten. Solche Zugeständnisse an rechtspopulistische Regierungen schadeten der Demokratie.
Vor diesem Hintergrund appellierte Finnern an die Bundesregierung und die Abgeordneten im EU-Parlament, bei der Reform des Gemeinsamen Europäische Asylsystems (GEAS) dringend nachzubessern. „Demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien dürfen nicht unterlaufen werden, Menschenrechte sind nicht verhandelbar“, unterstrich die GEW-Vorsitzende.
Info: Der Weltflüchtlingstag ist ein von den Vereinten Nationen (UN) eingerichteter Aktionstag, der seit 2001 am 20. Juni, dem Jahrestag der Gründung des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, stattfindet. Seitdem wird an diesem Tag weltweit mit vielen Aktionen auf das Schicksal der Geflüchteten aufmerksam gemacht. Der aktuelle Jahresbericht des UNHCR verzeichnet einen traurigen Rekord:
Die Gesamtzahl Geflüchteter weltweit lag zum Stichtag Ende 2022 bei 108,4 Millionen Menschen, die durch Krieg, Verfolgung, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen vertrieben wurden. Insgesamt sind 19 Millionen Menschen mehr auf der Flucht als noch Ende 2021 – dies entspricht einem Anstieg um 21 Prozent. Hauptgrund ist die russische Invasion in der Ukraine.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) / 19.06.2023
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