Kezban Konukçu Kok, eine der Istanbuler Kandidatinnen der Grünen Linkspartei (YSP) bei den Wahlen am 14. Mai, will sich für eine starke Vertretung im Parlament einsetzen und die derzeitige Regierung zum Scheitern bringen. „Wir kommen, um etwas zu verändern und ein Land aufzubauen, in dem wir gemeinsam leben können“, erklärte Kok, die nach 19 Jahren als Lehrerin durch ein während des Ausnahmezustands erlassenes Dekret entlassen wurde und auch eine Zeitlang als Journalistin arbeitete. Nach ihrer Entlassung konzentrierte sich Kok auf den Arbeitskampf und war im Vorstand der Revolutionären Gewerkschaft für Angestellte in der Tourismusbranche, die dem Verband DISK angeschlossen ist. Außerdem ist sie Sprecherin der Sozialistischen Solidaritätsplattform (SODAP). Gegenüber ANF hat Kezban Konukçu Kok erläutert, was die Ziele und die Vorgehensweise der YSP in Istanbul sind.
Die YSP als Alternative außerhalb der bestehenden Blöcke
Seit der Entscheidung der Demokratischen Partei der Völker (HDP), aufgrund des gegen sie laufenden Verbotsverfahrens nicht bei den Wahlen anzutreten und stattdessen die Grüne Linkspartei zu unterstützen, gilt die vor über zehn Jahren gegründete YSP als Hoffnungsschimmer in der politischen Landschaft der Türkei. Kok sagt, dass die HDP seit ihrem Wahlerfolg am 7. Juni 2015 als wichtigstes politisches Subjekt in der Türkei ununterbrochen angegriffen wurde, weil sie dem Palastregime Erdogans im Weg stand. Die Grüne Linkspartei sei eine Alternative und biete eine Option für die Menschen außerhalb der beiden Allianzen um die Regierungspartei AKP und die Oppositionspartei CHP.
„Die Pforten der Hölle schließen“
Zu der Entscheidung, keinen Präsidentschaftskandidaten aufzustellen, erklärt Kok: „Natürlich können wir trotzdem politische Entscheidungen treffen, um einen Weg zu ebnen. Unsere Partei nennt das ,die Pforten der Hölle schließen‘; zum Beispiel haben wir aus diesem Grund keinen Präsidentschaftskandidaten nominiert. Wir wissen sehr genau, dass wir aus diesen Wahlen stark hervorgehen müssen, um im Parlament die Option der revolutionären Demokratie zu stärken.“
Mit Begeisterung empfangen
Im bisherigen Wahlkampf habe sich gezeigt, dass die Menschen in Istanbul die YSP und ihre Kandidat:innen mehr als erwartet anerkennen. Das sei das Ergebnis eines jahrelangen Kampfes, so Kok: „Wir werden überall, wo wir hinkommen, mit Begeisterung empfangen. Die Basis unserer Partei kommt aus einer sehr seriösen Organisationstradition. Wir sind von uns selbst überzeugt. Mit intensiver Arbeit werden wir in diesem einen Monat bis zu den Wahlen Erfolge erzielen.“
Auf junge Menschen zugehen
Kok sagt, dass junge Menschen rationale, logische Lösungen brauchen, weil sie mit vielen Problemen konfrontiert sind: „Wir wollen ein Modell, bei dem sie sich als handelnde Subjekte mit ihren eigenen Organisationen identifizieren und ihre Forderungen organisiert stellen. Daraus ergibt sich die Logik einer Stärkung der kommunalen Arbeit vor Ort. In diesem Sinne werden wir mit unseren Lösungen gegen die Arbeitslosigkeit und für den ökologischen Wiederaufbau der Zukunft auf die jungen Menschen zugehen, und wir denken, dass wir von ihnen Kraft bekommen werden.“
Die organisierte Stärke von Frauen
Ein besonderes Anliegen ist für Kok auch das Thema Frauen. Die YSP tritt für die Wiederherstellung der von Erdogan annullierten Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen ein, betont Kok: „Es gibt ein sehr ernstes Problem der Lebenssicherheit von Frauen, das erst durch unseren Kampf als Frauen sichtbar wurde. Die Zunahme der Femizide ist auch darauf zurückzuführen, dass Frauen die ihnen zugestandene Rolle nicht mehr so hinnehmen wie früher, sich auflehnen und ihr eigenes Leben, ihren eigenen Weg und ihren Kampf gestalten wollen. Das will die männerdominierte Mentalität nicht akzeptieren. Unsere Partei hat bereits sehr ernsthafte Arbeit gegen Femizide geleistet. In Anbetracht der Einzigartigkeit und Unabhängigkeit des Frauenkampfes legen wir Wert auf mehr unabhängige Organisationen. Wir vertrauen auf den Kampf der Frauen und auf ihre organisierte Kraft.“
Die Regierung absetzen und eine neue aufbauen
Die YSP ist wie die HDP Mitglied im Bündnis für Arbeit und Freiheit. Die YSP-Kandidatin Kezban Konukçu Kok betont die Wichtigkeit dieses Bündnisses, um den Willen zu bekunden, die Zukunft gemeinsam zu gestalten: „Unser erstes Ziel ist es, das Palastregime zu besiegen. Das reicht jedoch nicht aus; wir wollen etwas verändern und ein Land aufbauen, in dem wir gemeinsam leben können. Wir erwarten von den Wahlen in Istanbul, dass wir die Zahl unserer Abgeordneten auf zwanzig erhöhen können. Wir glauben fest daran, denn unsere Wurzeln und unsere Tradition sind sehr stark.“