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„Untersuchungsausschuss letztes Mittel, das der Opposition bleibt“

Wochenzeitung „Das Parlament“: Hauer im Interview

Matthias Hauer (CDU)

Der Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages, Matthias Hauer (CDU), hat den von der CDU/CSU-Fraktion beantragten Untersuchungsausschuss zur Cum-Ex-Steueraffäre bei der Hamburger Warburg-Bank und zur Rolle des damaligen Hamburger Bürgermeisters und heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) als das „letzte Mittel“ der Opposition bezeichnet. In einem Interview mit der Wochenzeitung DAS PARLAMENT (24. April 2023) erklärte Hauer, die Ampelkoalition habe der Union bisher sämtliche Möglichkeiten der Aufklärung verwehrt und der Bundeskanzler habe sich weggeduckt. „Herr Scholz würde gern einen Schlussstrich unter die Thematik ziehen, aber es ist eben die Aufgabe des Parlaments, die Regierung zu kontrollieren, und das tun wir“, so Hauer. Das Verhalten des heutigen Bundeskanzlers werfe „schwerwiegende Fragen auf, die beantwortet werden müssen“.
Laut Hauer muss auch untersucht werden, wie im Nachgang mit der Steueraffäre umgegangen worden sei. „Zum Beispiel hat sich Scholz zwei Mal im Finanzausschuss an ein konkretes Treffen mit dem damaligen Warburg-Aufsichtsratsvorsitzenden Christian Olearius erinnert, und als dann weitere Treffen bekannt wurden, hat er sich an das eine Treffen nicht mehr erinnert“, sagte Hauer. Es stehe die Frage im Raum, ob der Kanzler nicht die Wahrheit gesagt habe.
Auf die Kritik der Koalition, in der Hamburger Bürgerschaft untersuche bereits ein Untersuchungsausschuss den Fall, erwiderte Hauer, der Bund sei um viel Steuergeld geprellt worden, „und es ist Bundesaufgabe, auf die Durchsetzung von Bundesrecht zu achten. Außerdem haben wir die Möglichkeit für vergleichende Untersuchungen, zum Beispiel wie Hamburg im Vergleich zu anderen Bundesländern agiert hat.“

Das Interview:

Das Parlament: Herr Hauer, Sie sind einer der Initiatoren des Antrags der CDU/CSU-Fraktion zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu Cum-Ex, zur Warburg-Bank und zum Agieren des damaligen Ersten Bürgermeisters und jetzigen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD). Wie begründen Sie Ihr Vorgehen?
Hauer: Zuerst geht es um die Durchsetzung von Bundesrecht und darum, wie der Bundeshaushalt geprellt wurde, und es geht um das Agieren sowie die Glaubwürdigkeit von Olaf Scholz. Herr Scholz würde gern einen Schlussstrich unter die Thematik ziehen, aber es ist eben die Aufgabe des Parlaments, die Regierung zu kontrollieren, und das tun wir. Sein Verhalten als Erster Bürgermeister, aber auch danach, wirft schwerwiegende Fragen auf, die beantwortet werden müssen. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss ist das schärfste Schwert, um Regierungshandeln zu kontrollieren.

Das Parlament: In dem Antrag werden drei Fragenkomplexe genannt. Worum geht es dabei?
Hauer: Es geht erstens darum, dass Hamburg anders als die anderen Bundesländer zu Unrecht erhaltene Kapitalertragssteuererstattungen verjähren lassen wollte. Warum hat Hamburg da anders agiert? Dann soll geklärt werden, ob von politischer Seite Einfluss auf die Meinungsbildung in den Hamburger Behörden und deren Entscheidung genommen wurde. Und es geht um den heutigen Bundeskanzler, der sich zu dem Thema in der Öffentlichkeit eingelassen hat, und darum, ob er dabei gegenüber dem Finanzausschuss des Bundestages und auch gegenüber der Hamburgischen Bürgerschaft die Wahrheit gesagt hat oder nicht. Und das hat Auswirkungen auf seine Glaubwürdigkeit.
 
Das Parlament: Und welcher Untersuchungsauftrag leitet sich daraus ab?
Hauer: Zu diesen Komplexen sollen umfassend Zeugen vernommen und Materialien aus den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen sowie aus den Behörden in Hamburg und Berlin ausgewertet werden. Die Möglichkeiten eines Untersuchungsausschusses sind mit denen eines Strafprozesses vergleichbar. Wir wollen umfassend Gebrauch machen von der Möglichkeit, bei Behörden und Gerichten um Amtshilfe zu bitten. Viele Indizien sprechen für eine Einflussnahme, deswegen muss geklärt werden, wie die behördeninternen Abläufe waren und wie der Senat und vor allem Herr Scholz und der seinerzeitige Finanzsenator und heutige Erste Bürgermeister Peter Tschentscher da einbezogen wurden. Untersucht werden soll auch, wie im Nachgang mit dieser Steueraffäre umgegangen wurde. Zum Beispiel hat sich Scholz zwei Mal im Finanzausschuss an ein konkretes Treffen mit dem damaligen Warburg-Aufsichtsratsvorsitzenden Christian Olearius erinnert, und als dann weitere Treffen bekannt wurden, hat er sich an das eine Treffen nicht mehr erinnert. Hier steht die Frage im Raum, ob er da nicht die Wahrheit gesagt hat.

Das Parlament: Was macht das Agieren von Scholz so verdächtig?
Hauer: Es gab ursprünglich von den fachlich Zuständigen in Hamburg das Bestreben, von der Warburg-Bank die unrechtmäßigen Steuererstattungen zurückzufordern. Und dann gab es einen Zeitraum, in dem viel passiert ist, in dem auch Treffen zwischen Scholz und Olearius stattgefunden haben, und direkt danach kam es zu einer 180-Grad-Wendung, und Hamburg wollte plötzlich dieses Geld nicht mehr. Und dann gab es eine Weisung des Bundesfinanzministeriums, dass Hamburg das Geld zurückfordern muss. Und es gab die Bemerkung einer Finanzbeamtin, dass ihr „teuflischer Plan“ aufgegangen sei. All das klingt nicht wie normales Verwaltungshandeln. Es ist auch möglich, dass in den parallel laufenden Strafverfahren und in Zeugenaussagen noch etwas Neues ans Tageslicht kommt.

Das Parlament: Ob Scholz eine Rolle bei der Steueraffäre um Warburg gespielt hat, wird bereits durch einen Ausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft untersucht. Was kann der Bundestagsausschuss leisten, was das Gremium in Hamburg nicht kann?
Hauer: Ich finde es gut, dass es den Untersuchungsausschuss in Hamburg gibt, der eine gute Arbeit leistet. Hier wurde der Bund um viel Steuergeld geprellt und es ist Bundesaufgabe, auf die Durchsetzung von Bundesrecht zu achten. Außerdem haben wir die Möglichkeit für vergleichende Untersuchungen, zum Beispiel wie Hamburg im Vergleich zu anderen Bundesländern agiert hat. Nebenbei bemerkt ist die Struktur in Hamburg auch eine andere als im Bundestag, hier können mehr Kapazitäten in die Aufklärung eingebracht werden als in Hamburg. Die vielen bundespolitischen Aspekte der Steueraffäre können wir nur im Bundestag intensiv beleuchten, zum Beispiel warum der Steuerabteilungsleiter, der für die Weisung des Bundesfinanzministeriums gegenüber Hamburg, die Steuergelder zurückzuholen, zuständig war, von Scholz wenige Monate, nachdem er Finanzminister wurde, in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurde.

Das Parlament: In dem Antrag werden 19 Punkte aufgelistet, die der Ausschuss klären soll. Welcher ist der wichtigste?
Hauer: Im Zentrum stehen die Gespräche von Scholz mit Olearius. Es ist dokumentiert, dass es mindestens drei Gespräche gegeben hat. Stundenlang in der Amtsstube von Herrn Scholz in Hamburg. Dann gab es noch ein von Olaf Scholz initiiertes Telefonat. Und da stellt sich die Frage, wenn man jemandem nicht helfen will und nicht Einfluss nehmen will, wieso man sich dann stundenlang mit dieser Person teilweise unter vier Augen trifft, warum man keine Vermerke über diese Angelegenheit anfertigt. Warum man diese Person, gegen die bereits ermittelt wurde, dann auch noch anruft, um ihr zu sagen, schick das Dokument, also quasi die Verteidigungslinie der Bank, an Herrn Tschentscher. Das wirft sehr viele Fragen auf. 

Das Parlament: Herr Hauer, Sie als Obmann Ihrer Fraktion im Finanzausschuss sind als Vorsitzender des Ausschusses im Gespräch. Wie geht es Annahme des Antrags weiter und wann könnte sich das Gremium konstituieren?
Hauer: Über die personelle Besetzung vonseiten der Union hat die Fraktion noch nicht entschieden. Jetzt wird der Geschäftsordnungsausschuss beraten, und dann ist es realistisch, dass es im Juni eine Konstituierung und die Beweisbeschlüsse gibt. Auf jeden Fall wollen wir das vor der parlamentarischen Sommerpause auf den Weg bringen, damit diese dafür genutzt werden kann, dass die Behörden und die Staatsanwaltschaft uns die Beweismittel zusammenstellen. Damit der Ausschuss direkt nach der Sommerpause mit der Aufklärung starten kann. 

Das Parlament: Die Parteien der Regierungskoalition werfen den Unionsparteien vor, mit dem Untersuchungsausschuss parteipolitische Ziele zu verfolgen. Was sagen Sie dazu?
Hauer: Mit diesem Argument könnte man jeden Untersuchungsausschuss diskreditieren. Wir haben ein Sachaufklärungsinteresse, und das zeigt sich auch schon daran, dass wir alles versucht haben, den Sachverhalt auf andere Weise als durch einen Untersuchungsausschuss aufzuklären. Aber wenn uns die Ampelkoalition sämtliche Möglichkeiten der Aufklärung verwehrt, wenn der Bundeskanzler sich wegduckt, dann ist der Untersuchungsausschuss eben das letzte Mittel, das uns bleibt. 

Das Parlament: In der letzten Legislaturperiode hatten auch Grüne und FDP „Erinnerungslücken“ von Scholz thematisiert. Was bedeutet das für die Arbeit im Ausschuss?
Hauer: Das sind natürlich Aussagen, an denen sich sowohl die Grünen als auch die FDP heute messen lassen müssen. Und deshalb wäre es sachgerecht, wenn diese beiden Fraktionen bei der Aufklärung mitziehen würden und jetzt nicht die Koalitionsdisziplin über das Sachaufklärungsinteresse stellen. Und das ist auch mein klarer Appell an die beiden Fraktionen, hier die Sachaufklärung in den Mittelpunkt zu stellen. 

„Das Parlament“ / 21.04.2023

Foto: matthias-hauer.de

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