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One In A Million

Kino

One In A Million

Ein emotionaler Langzeitdokumentarfilm über Kontinente hinweg, die das Spannungsfeld herausfordernder Ansprüche an Leistungen in Sport und sozialen Netzwerken für heranwachsende Jugendliche aufzeigt.

Zwei Teenager-Mädchen, zwei Kontinente, ein gemeinsames Interesse. Whitney Bjerken aus den USA ist mit dem Turnen weltberühmt geworden. Ihrem YouTube-Kanal folgen über eine Million Menschen. Yara aus Deutschland ist einer ihrer Fans und turnt selbst. Beide Mädchen könnten Schwestern sein, wären da nicht die Anonymität des Internets und die Entfernung zwischen ihnen. Über die Jahre haben beide mit den Irrungen und Wirrungen der Pubertät zu kämpfen und finden dabei langsam zu sich selbst.

Dieser Film ist mehr als das banale Ausstellen zweier Lebenswelten. Er führt virtuos die Fäden zwischen dem Phänomen YouTube, dem Leistungssport und den Ansprüchen, die manch ein Teenager an sich selbst stellt, zusammen. Dabei schafft er es, die Wunden zu offenbaren, die einer jungen Generation zugeführt werden, ohne klar den Finger auf sie zu zeigen. Regisseurin Joya Thome knüpft geschickt die Geschichten von Whitney und Yara zusammen, sodass es manchmal scheint, als würden beide wie Schwestern nur in unterschiedlichen Zimmern, aber unter einem Dach leben. Ganz untypisch für eine Langzeitbeobachtung wird der Film schnell zu einem intensiven Psychogram über die Adoleszenz, in der beide Teenager fast existenzialistisch über ihr Leben philosophieren, ohne ganz recht zu wissen, welche Erkenntnis soeben gewonnen wurde. Beide Teenager stehen sich gegenüber als extrovertiert und introvertiert, tauschen in der Hinsicht aber irgendwann ihre Rollenbilder. Während Whitney als YouTube-Sternchen zunächst oberflächlich in einer Welt der Selbstdarstellung lebt und in ihrem Sport am Rande der körperlichen Ausbeutung chargiert, bleibt Yara zurückgezogen, fast einsam. Beide vereint allerdings die ganz natürlichen Selbstzweifel in diesem Alter, die schnell zu Isolation führen. Das unterstreicht auch die starke Kameraführung, die Whitney und Yara häufig allein, in langen Brennweiten zeigt. Während die Anfeuerungsrufe im Turnen für Whitney aus dem Off schallen, drängt sich immer größerer Zweifel an ihrer Fassade auf, den sie schließlich mit emotionalen Gesangstücken bestätigt und ihr Ich nach Außen kehrt. Gleichsam bricht Yara aus sich heraus und durchlebt ihr Coming-Out. ONE IN A MILLION ist ein Splitter des wahren Lebens, der im Prozess des Erwachens der eigenen Identität gleichsam schön wie scharfkantig sein kann und damit einen unverstellten Blick auf eine Generation zulässt, die sich nie näher, aber auch nie ferner war. Ein lebensbejahendes Bild von Träumen, Idealen und Reife.

Jury-Begründung / Prädikat wertvoll

Die Grundidee dieser Langzeitdokumentation ist interessant: Eine erfolgreiche Youtuberin aus den USA und eine gleichaltrige Jugendliche aus Deutschland, die ein treuer Fan ist, werden zwei Jahre lang mit der Kamera begleitet. Whitney Bjerken ist Turnerin und hat Millionen Follower im Netz. Yara aus Neumünster ist eine von ihnen. Auch sie turnt gerne, ist aber eher schüchtern und verschlossen. Beide sind bei den ersten Aufnahmen des Films 14 Jahre alt, und beide machen sehr verschiedene Entwicklungen durch. Whitney wird immer mehr zum Medienprofi, deren Karriere als Turnerin zwar durch Verletzungen und den Lockdown unterbrochen wird, die aber auch als Sängerin und Songwriterin erfolgreich wird und sich schließlich dadurch von ihrem Vater emanzipiert, als sie beginnt, selbst ihre Videos zu schneiden, und damit auch selbst bestimmt, welche Bilder von ihr öffentlich gemacht werden. Yara lebt dagegen ein ruhiges, behütetes Leben, das sich auch nicht durch ihr Coming-Out dramatisch verändert. Die Filmemacherin Joya Thome und ihre Kamerafrau Lydia Richter begleiten die beiden jungen Frauen und deren Familien sehr behutsam. Thome zeigt ihre Protagonistinnen in alltägliche Szenen, die dem Publikum viel Geduld abverlangen, weil die Veränderungen der beiden Jugendlichen in den zwei Jahren eher unauffällig und alles andere als dramatisch vor sich gehen. Auffällig ist dabei, wie unterschiedlich Whitney und Yara sich vor der Kamera zeigen. Die Amerikanerin und ihre Familie überlegen sich offensichtlich genau, welche Einblicke in ihr Privatleben sie der Filmemacherin aus Deutschland gewähren. Yara lässt dagegen mehr Nähe zu, und bei einigen Szenen scheinen sie und ihre Familie die Kamera fast vergessen zu haben. Dadurch gelingt es Joya Thome, das Lebensgefühl dieser sehr unterschiedlichen Jugendlichen zu vermitteln. Das Kichern mit den Freundinnen, Gespräche mit den Vätern, die Unsicherheit bei der ersten Liebe und die Angst, die Erwartungen der vielen Fans im Netzt nicht erfüllen zu können. Es sind solche Einsichten, die den Film sehenswert machen. Natürlich gibt es auch Momente, die eher banal wirken, aber auch das gehört, so die Meinung der Jury, dazu.

Im Anschluss an eine spannende Diskussion und in Abwägung aller Argumente erteilt die Jury dem Film gerne das Prädikat WERTVOLL.

Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) / 17.04.2023

Foto: FBW

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