Am 15.4 werden die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet. Nach Jahrzehnten des Protestes und des Kampfes gegen diese Hochrisikotechnologie ist dies ein riesiger Erfolg der deutschen Umweltbewegung. Viele Menschen werden an diesem Tag in Lingen, Neckarwestheim und München feiern. Das Nein zur Atomkraft war ein zentrales Motiv für die Gründung des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) 1975. Bis heute steht der Verband vielstimmig gegen die Nutzung der Atomenergie ein. Seit Anfang des Jahres ist der BUND zudem Mitglied der internationalen Anti-Atomwaffen-Kampagne ICAN, denn die Abschaffung aller atomaren Gefahren war und ist ein großes Anliegen.
Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND erklärt mit Blick auf den 15.4: „Wir haben es geschafft: Die zivile Nutzung der Atomkraft in Deutschland ist Geschichte. Die ausgesetzten Sicherheitsprüfungen und der unnötige Streckbetrieb waren ein hochriskantes Manöver, unter das jetzt ein Schlusspunkt gesetzt wird. Das Aus ist ein Meilenstein auf dem Weg hin zu 100 Prozent Erneuerbare. Damit ist ein gefährlicher Energieträger weniger im System – Kohle muss jetzt folgen.“
Gemeinsam mit einem breiten Bündnis ruft der BUND am Wochenende nach Ostern in Lingen, Neckarwestheim und in München zu Abschaltfesten auf. Bandt weiter: „Die Freude ist nicht ungetrübt. Der Rückbau der deutschen AKW wird noch mindestens zwei Jahrzehnte dauern, die Einlagerung der hochradioaktiven Abfälle bis ins nächste Jahrhundert. Nach dem endgültigen Aus der AKW hinterlässt uns diese Technologie radioaktiven Abfall, dessen Verwahrungskosten und Strahlenrisiken unsozial auf nachfolgende Generationen abgewälzt werden.“
Gleichzeitig ist klar: Ein echter Atomausstieg muss auch ein Ende der Brennelemente-Fertigung in Deutschland bedeuten. Angela Wolff, Sprecherin des BUND Arbeitskreis Atom erklärt hierzu: „Das AKW-Aus ist ein riesiger Erfolg und der 15. April 2023 ein großer Feiertag für die Anti-Atom-Bewegung! Spätestens jetzt muss die Bundesregierung aber auch die Schließung der Uranfabriken in Gronau und Lingen einleiten. Es kann nicht sein, dass wir das Atomrisiko in Deutschland abschalten, um es dann weiterhin in alle Welt zu exportieren. Jetzt feiern wir, aber morgen streiten wir weiter für einen kompletten Atomausstieg und eine erneuerbare Zukunft.“
Alexandra Struck, Bundesvorstand der BUNDjugend: „Dass Mitte April das letzte deutsche Kernkraftwerk abgeschaltet werden soll, ist ein beruhigender und überfälliger Schritt. Erreicht haben ihn unermüdliche Anti-Atom-Aktivist*innen über Jahrzehnte. Ausruhen können sie und wir uns aber noch lange nicht: Während die AKWs demnächst stoppen, laufen in Deutschland Zwischenlager, Forschungsreaktoren, Uranfabriken und Brennstabfabriken weiter. Ein Endlager für hochradioaktiven Müll ist noch in weiter Ferne. Ganz zu schweigen von allen weiteren fossilen Energien, deren Stopp mit der aktuellen Regierung nicht absehbar ist.“
Viele Probleme der Atomenergie bleiben auch nach April bestehen. Das AKW-Aus jetzt ist ein wichtiger Teilerfolg in Richtung kompletten Atomausstieg. „Damit dieser endlich vollendet wird bleibt die Bewegung, bleiben wir, wachsam und aktiv. Die deutschen Atomkraftwerke sind zwar Geschichte, aber der Kampf für eine atom- und CO2-freie Energieversorgung geht weiter“, so der BUND Vorsitzende abschließend.
BUND-Zeitzeug*innen erinnern sich an lange Jahre der Auseinandersetzung, schöne und bittere Momente:
Prof. Dr. Hubert Weiger, Ehrenvorsitzender des BUND: „Der Einsatz für eine Zukunft ohne Atomkraftwerke war ein zentrales Motiv für die Gründung des BUND 1975. Der BUND hat seit dieser Zeit federführend in Deutschland für den sofortigen Ausstieg aus der Atomtechnologie gekämpft und hunderte von Demonstrationen und Aktionen dagegen organisiert.“
Weiger zu Fukushima: „Die Hilflosigkeit der verantwortlichen Politik im Umgang mit einer derartigen Katastrophe hat unseren Widerstand gegen die Atomkraftwerke bestärkt, da damit klar wurde, dass nicht nur in Tschernobyl, sondern auch in einem hochindustrialisierten Land wie Japan im Falle eines solchen Unfalls Menschen zu Tode kommen. Es wurde klar, wie lebensgefährlich und unbeherrschbar und damit letztlich menschenverachtend die Atomtechnologie ist.“
Prof. Dr. Angelika Zahrnt, Ehrenvorsitzende des BUND, erinnert sich: „Elf Tage nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima wurde im März 2011 die Ethikkommission für sichere Energieversorgung eingesetzt. Ende April veranstaltete die Kommission eine öffentliche Anhörung von Experten und gesellschaftlichen VertreterInnen, die in Fernsehen und Internet elf Stunden übertragen wurde und an der ich teilnahm. Das war vor dem Hintergrund der gerade erlebten atomaren Katastrophe eine eindrucksvolle Veranstaltung bei der ernsthaft, besorgt und engagiert diskutiert wurde. Sie hat zu dem breiten gesellschaftlichen Konsens für den erneuten, aber endgültigen Ausstieg beigetragen. Und bei dem endgültigen Ausstieg muss es bleiben.“
Klaus Brunsmeier, langjähriges BUND-Vorstandsmitglied und BUND-Vertreter in der Endlagersuchkommission: „Der breite politische und gesellschaftliche Konsens zur Beendigung der Nutzung der Atomenergie in Deutschland nach der verheerenden Katastrophe 2011 in Fukushima war Voraussetzung für mich, an einer Standortsuche zur Lagerung radioaktiver Abfälle mit bestmöglicher Sicherheit für den BUND in der Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ des Deutschen Bundestages in den Jahren 2014 – 2016 mitzuarbeiten.
Jetzt heißt es an den verbliebenen wichtigen gesellschaftlichen Aufgaben dran zu bleiben. Dazu zählt das Standortauswahlverfahren zu einem guten Ergebnis mit der bestmöglichen Sicherheit zu bringen, den vorhandenen Atommüll entlang der gesamten Entsorgungskette von den Atomanlagen bis zur abschließenden Lagerung in den Fokus zu nehmen. Die Urananlagen in Gronau und Lingen müssen abgeschaltet und die Zwischenlagerung für die Langzeitlagerung bis über das Jahr 2100 hinaus so sicher wie möglich gemacht werden. Erst dann ist der Atomausstieg vollendet.“
Axel Mayer, Bauplatzbesetzer in Wyhl und später 30 Jahre lang BUND-Geschäftsführer in Freiburg: „NAI HÄMMER GSAIT zum 1975 in Wyhl geplanten AKW, aber da war auch unser frühes JA zu den erneuerbaren Energien. Wir sind einen langen Weg gegangen. Jahre später engagierten wir uns gegen das Waldsterben 1.0. In unseren frühen Kämpfen liegen wichtige Wurzeln der erneuerbaren Energien und der heutigen Klimaschutzbewegung.“
Corinna Cwielag, Landesgeschäftsführerin BUND Landesverband Mecklenburg-Vorpommern: „Wir müssen auch unsere Netzwerke in Europa nutzen, um die Renaissance der Atomkraftnutzung aufzuhalten. Atomkraft kann die Klimaproblematik nicht lösen und schon gar nicht ‚kostengünstig‘. Es ist doch unglaublich, dass sich dieser Irrweg in Polen, Frankreich oder Finnland etabliert.“
BUND / 05.04.2023
Foto: R. Behrens / BUND NRW